„Fleischpreise macht nicht der Minister, sondern der Markt“, sagt der designierte Agrarminister. Mit ihm werde es keine Verbotspolitik oder rein vegetarische Kost in Schulen und Kitas geben. Grünen-Politiker Hofreiter spricht von „Kulturkampf-Tönen im Bereich der Ernährung“.
Der designierte Bundeslandwirtschaftsminister Alois Rainer (CSU) kündigt eine Wende in der Landwirtschafts- und Fleischpolitik an und hält auch sinkende Fleischpreise für möglich. „Im Koalitionsvertrag wurde vereinbart, dass keine Steuererhöhungen durchgeführt werden. Daran werde ich mich als zukünftiger Minister halten“, sagte Rainer der „Bild“-Zeitung.
Höhere Steuern auf Fleisch werde es mit ihm nicht geben. Der noch amtierende Bundeslandwirtschaftsminister Cem Özdemir (Grüne) hatte sich zuletzt unter anderem für eine neue Abgabe auf Fleisch in Höhe von zehn Cent pro Kilo starkgemacht. Rainer hält dagegen auch sinkende Fleischpreise für möglich: „Ich bin ein großer Freund der sozialen Marktwirtschaft. Das bedeutet: Fleischpreise macht nicht der Minister, sondern der Markt.“
Streit um Tierwohlabgabe
Umweltschützer sowie Politiker von Grünen und SPD kritisierten die Äußerungen Rainers umgehend. SPD-Parlamentsgeschäftsführerin Katja Mast forderte Rainer auf, Alternativen zu höheren Abgaben vorzuschlagen. Mit der Union sei verabredet, dass es mehr Tierwohl geben solle, sagte Mast in der Sendung „Frühstart“ bei RTL/ntv. „Und wenn es keine Tierwohlabgabe geben soll, müssen wir uns darüber unterhalten, wie wir das auch finanzieren.“ Zu einer Abgabe gebe es im Koalitionsvertrag keine Festlegung, das Tierwohl solle aber nach oben gefahren werden, sagte die SPD-Politikerin.
Tierschutzorganisationen verwiesen auf Ergebnisse der Zukunftskommission Landwirtschaft. „Ich kann Herrn Rainer nur raten, bevor er jetzt klare Aussagen macht, sich zu erkundigen, was schon geeint ist“, sagte der Präsident des Deutschen Tierschutzbundes, Thomas Schröder, der Tageszeitung „taz“.
Grünen-Politiker Anton Hofreiter warnte in WELT TV vor einer aus seiner Sicht unnötigen Debatte: „Ich halte persönlich überhaupt nichts von diesen Kulturkampf-Tönen im Bereich der Ernährung. Und wenn es dann heißt, ‚Die Kinder sollen wieder mehr Fleisch essen‘ – ich glaube, es ist klug und richtig, das den Menschen selbst zu überlassen, was sie essen wollen.“
„Foodwatch“ kritisiert die angeblich fehlende Kompetenzen des neuen Ministers
Auch mit einem anderen Vorhaben muss Rainer wohl mit Gegenwind rechnen: Der künftige Agrarminister nimmt demnächst auch die Speisepläne von Kindergärten und Schulen in den Blick, schon jetzt warnte er vor rein vegetarischen Gerichten.
„Eine ausgewogene Ernährung ist wichtig“, sagte der CSU-Politiker der „Bild“. Das gelte „insbesondere in Kindergärten und Schulen, wo Obst, Gemüse genauso wie Fleisch und vegetarische Gerichte auf den Speiseplänen stehen sollten“. Ihm sei „qualitativ hochwertige Ernährung ein wichtiges Anliegen“. Den Bauern will Rainer künftig wieder mehr Freiheiten lassen: „Landwirte sind keine Kinder, die man bevormunden muss.“ Er werde in der Agrarpolitik eher auf Anreize statt Verbote setzen.
Die Nominierung des CSU-Politikers, der gelernter Metzger ist, stieß zuvor auch grundlegend auf Kritik. Die Verbraucherorganisation „Foodwatch“ etwa kritisierte: „Alois Rainer ist die personifizierte Ambitionslosigkeit des Koalitionsvertrags. Zu gesunder Ernährung, nachhaltiger Landwirtschaft oder besserer Tierhaltung haben Union und SPD keinerlei konkrete Maßnahmen vereinbart. Auf die Inhaltsleere im Koalitionsvertrag passt diese Personalie perfekt“, so Geschäftsführer Chris Methmann.
Die Organisation sprach dem 60-Jährigen die Befähigung für sein neues Amt ab. Rainer habe sich „seit Jahren nicht mehr mit Agrar- und Ernährungsthemen beschäftigt“, sondern habe zuletzt im Finanzausschuss gesessen. „Was ihn für das Ministeramt qualifiziert – außer seiner CSU-Mitgliedschaft und seiner Herkunft aus Niederbayern – bleibt rätselhaft“, schreibt Foodwatch weiter. CSU-Chef Markus Söder und dem wohl zukünftigen Kanzler Friedrich Merz (CDU) sei es „offenbar mehr um Parteiproporz als um Fachkompetenz“ gegangen.
Der noch amtierende Bundeslandwirtschaftsminister Cem Özdemir (Grüne) befürwortet eine Tierwohlabgabe. Empfehlungen für eine solche Abgabe hatte eine Kommission unter dem Vorsitz des einstigen Landwirtschaftsministers Jochen Borchert schon Anfang 2020 vorgelegt. Demnach könnten etwa je Kilo Fleisch 40 Cent Aufschlag fällig werden.
dpa/AFP/krott