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Der Bundesfinanzhof befasst sich ab heute mit Klagen gegen die neue Grundsteuer. Es geht um die Regelung unter anderem in NRW, Sachsen und Berlin. Was Immobilienbesitzer dazu wissen sollten.
Das oberste deutsche Finanzgericht – der Bundesfinanzhof (BFH) in München – verhandelt ab heute Klagen gegen die Grundsteuer-Regelungen unter anderem in Nordrhein-Westfalen, Sachsen und Berlin – in den Ländern, die das sogenannte Bundesmodell anwenden. Das haben insgesamt 11 Bundesländer getan.
Warum klagen Grundstücksbesitzer gegen die neue Grundsteuer?
Mehr als 2.000 Grundstückseigentümer hatten oder haben gegen die neue Grundsteuer geklagt, Zehntausende haben zumindest Einspruch erhoben. Sie kritisieren, dass sie zu viel Grundsteuer bezahlen müssen. Sie sind der Ansicht, dass ihr Eigentum durch die neue Grundsteuer zu hoch bewertet wird.
Was macht die Grundsteuer und den Fall so brisant?
Die Grundsteuer betrifft nicht nur Grundstückseigentümer oder Wohnungsinhaber, sondern über die Nebenkostenabrechnung auch Mieterinnen und Mieter. Die Steuer steht den Gemeinden zu, die über Hebesätze ihre Haushalte aufbessern.
Drei Fälle sind nun bis vor den BFH gekommen. Von einer Entscheidung des obersten deutschen Steuergerichts wird eine Signalwirkung ausgehen. Die Finanzgerichte haben die bereits anhängigen Verfahren bis zu einer Entscheidung des BFH ausgesetzt.
Warum gibt es die Reform der Grundsteuer?
Die Neuregelung der Grundsteuer wurde aufgrund eines Urteils des Bundesverfassungsgerichts notwendig. Karlsruhe hatte 2018 entschieden, dass das alte Grundsteuerrecht nicht mehr verfassungsgemäß ist. Es beruhte auf Grundstückswerten, die im Westen seit 1964 und im Osten sogar seit 1935 nicht mehr angepasst worden waren. Vor allem in Berlin führte dies zu Grundsteuerbescheiden, die fern jeder Realität waren.
In der Folgezeit erarbeitete der Bund ein neues Grundsteuergesetz. Nach Protesten aus den Ländern wurde das Gesetz mit einer Öffnungsklausel versehen. Neben dem „Bundesmodell“ haben sich Baden-Württemberg, Bayern, Hamburg, Hessen und Niedersachsen für eigene Grundsteuermodelle entschieden. Bei der Verhandlung vor dem BFH geht es aber um das „Bundesmodell“, das unter anderem in Nordrhein-Westfalen, Sachsen und Berlin angewandt wird.
Was sind die Probleme bei der Neuregelung nach dem Bundesmodell?
In München geht es vor allem darum, ob die Kläger die Beurteilung ihrer Grundstücke hinnehmen müssen oder ob diese so grob daneben liegt, dass sie gegen den Gleichbehandlungsgrundsatz verstößt. Der Gesetzgeber stand vor einem Dilemma. Er musste Kriterien finden, um 36 Millionen Grundstücke in Deutschland neu zu bewerten.
Bei Massenverfahren wie Steuerbescheiden sind Pauschalierungen erlaubt. Dem Gesetzgeber war bewusst, dass nicht jedes Grundstück zu 100 Prozent richtig eingeordnet wird. Das Bundesmodell gibt eine Reihe von Kriterien vor, wie die neue Grundsteuer erhoben wird.
Wie sehen die Kriterien im Detail aus?
Unter anderem gilt bei Wohngebäuden das sogenannte pauschalierte Ertragswertverfahren. Dieses ist kompliziert zu berechnen: Neben dem Gebäudetyp, also Einfamilienhaus oder Mietwohngrundstück und dem Alter in fünf Kategorien wird eine Nettokaltmiete ermittelt, die auf statistischen Daten beruht und immer wieder angepasst werden muss. Außerdem gibt es Zu- und Abschläge für Städte oder ländliche Gebiete.
Kritiker wie der Eigentümer-Verband Haus und Grund oder der Bund der Steuerzahler, die die Kläger unterstützen, sehen darin eine übermäßige und damit rechtswidrige Belastung. Diese gehe so weit, dass das Grundsteuergesetz des Bundes verfassungswidrig sei.
Wie könnte der Bundesfinanzhof entscheiden?
Der Bundesfinanzhof wird eine Entscheidung aller Voraussicht nach am 10. Dezember verkünden. Dabei gibt es zwei Möglichkeiten: Entweder wird der Bundesfinanzhof ein Urteil sprechen, wenn er die Regelung für verfassungsgemäß hält. Sollten die Kläger damit nicht einverstanden sein, werden sie wohl Verfassungsbeschwerde in Karlsruhe erheben.
Macht der Bundesfinanzhof eigene verfassungsrechtliche Bedenken geltend, kann er das Gesetz nicht selbst für verfassungswidrig erklären, das darf nur das Bundesverfassungsgericht. Dann wird er dieses Verfahren – wie auch alle anderen insgesamt 15, die beim BFH anhängig sind – aussetzen und in Karlsruhe vorlegen, damit das Bundesverfassungsgericht entscheidet. Eines ist klar: Der Streit über die Grundsteuer ist noch lange nicht ausgestanden.
