Die Berufsunfähigkeitsversicherung ist eine wichtige Absicherung, die im Fall einer schweren gesundheitlichen Beeinträchtigung finanzielle Unterstützung bietet, wenn man seinen Beruf nicht mehr ausüben kann. Um im Leistungsfall tatsächlich von der Versicherung zu profitieren, müssen allerdings bestimmte Voraussetzungen erfüllt sein. Doch wann genau gilt jemand als berufsunfähig? Welche Klauseln bestimmen die Definition der Berufsunfähigkeit, und wer muss die Voraussetzungen beweisen? Im Folgenden werden die zentralen Fragen rund um die Definition und die rechtlichen Grundlagen im Versicherungsvertrag beantwortet.
Woraus ergibt sich die Berufsunfähigkeit und ab wann liegt sie vor?
Die Definition der Berufsunfähigkeit und die Bedingungen für die Leistungspflicht des Versicherers werden in der Berufsunfähigkeitsklausel festgehalten, die in den Allgemeinen Versicherungsbedingungen (AVB) jeder Berufsunfähigkeitsversicherung enthalten ist. Diese Klausel regelt genau, unter welchen Umständen der Versicherer die Berufsunfähigkeit anerkennt und damit zu einer BU-Leistung verpflichtet ist. Häufig ist die Klausel im Einklang mit dem Gesetz.
So ist gemäß § 172 Abs. 2 VVG berufsunfähig, wer seinen zuletzt ausgeübten Beruf, so wie er ohne gesundheitliche Beeinträchtigung ausgestaltet war, infolge Krankheit, Körperverletzung oder mehr als altersentsprechendem Kräfteverfall ganz oder teilweise voraussichtlich auf Dauer nicht mehr ausüben kann. Weiterhin kann vom Versicherer, als zusätzliche Voraussetzung vereinbart werden, dass die versicherte Person auch keine andere Tätigkeit ausübt oder ausüben kann, die zu übernehmen sie auf Grund ihrer Ausbildung und Fähigkeiten in der Lage ist und die ihrer bisherigen Lebensstellung entspricht.
Unterschieden werden dabei konkrete Verweisungen oder abstrakte Verweisungen. Sie müssen allerdings nicht zwangsläufig im Vertrag vereinbart sein. Der Begriff der „Berufsunfähigkeit“ setzt sich also aus einer gesundheitlichen und einer berufsbezogenen Komponente zusammen, die dadurch in Beziehung zueinanderstehen, dass die Gesundheitsstörungen den Versicherten außerstande setzen müssen, seinen Beruf oder eine mögliche Verweistätigkeit auszuüben. Aber jetzt nochmal einzeln: Was meint der Gesetzgeber mit „zuletzt ausgeübten Beruf“ und welche gesundheitlichen Beeinträchtigungen müssen Ursache der Berufsunfähigkeit sein?
Zuletzt ausgeübter Beruf
Ein Beruf ist jede auf Dauer angelegte Tätigkeit, die der Schaffung oder Erhaltung der Lebensgrundlage dient. Ob die Tätigkeit einem der klassischen Berufsbilder entspricht, ob sie in abhängiger Stellung ausgeübt wird oder als Selbstständiger oder Beamter, in der Form einer „Ich-AG“ oder ob es sich um ein Ausbildungsverhältnis handelt, ist gleichgültig; die Tätigkeit darf sich nur nicht in einem einmaligen Erwerbsvorgang erschöpfen.
„Zuletzt ausgeübt“ meint was der Versicherte bis zu dem Zeitpunkt, für den er den Eintritt bedingungsgemäßer Berufsunfähigkeit geltend macht, tatsächlich beruflich getan hat. Da nach dieser Definition der leidensbedingte Berufswechsel ausgeschlossen wäre, ist auf diejenige berufliche Tätigkeit abzustellen, die der Versicherte zuletzt ohne gesundheitliche Beeinträchtigung oder, wie es der BGH, Urteil vom 14. Dezember 2016, ausdrückte, „in gesunden Tagen“ ausgeübt hat. Ausgeschlossen sind jedoch schon per Wortlaut für die in Zukunft geplante, aber noch nicht wirklich ausgeübte Tätigkeit.
Gesundheitliche Beeinträchtigungen
Die Berufsunfähigkeit muss auf gesundheitliche Beeinträchtigungen des Versicherten zurückzuführen sein. Diese Beeinträchtigungen müssen die berufliche Leistungsfähigkeit des Versicherten nicht nur vorübergehend, sondern voraussichtlich auf Dauer beeinträchtigen. In den Allgemeinen Versicherungsbedingungen (AVB) sind häufig Vorschriften über die Dauer der gesundheitlichen Beeinträchtigungen zu finden. So ist regelmäßig das Merkmal der „nicht vorübergehenden Dauer“ erfüllt, wenn die versicherte Person sechs Monate ununterbrochen aufgrund von Krankheit, Körperverletzung oder Kräfteverfall, die ärztlich nachzuweisen sind, nicht mehr in der Lage ist, ihren Beruf auszuüben.
Häufigste Ursachen sind Erkrankungen der Psyche, des Bewegungsapparats, des Nerven- oder Kreislaufsystems oder Krebs. Die Auswirkungen einer Erkrankung auf die in zuletzt gesunden Tagen ausgeübten Tätigkeiten bestimmt, ob sie zu einer Berufsunfähigkeit führt. Deshalb können bestimmte Krankheiten bei bestimmten Berufsgruppen häufig zu Berufsunfähigkeit führen, während sie sich auf die Ausübung anderer Berufe nur geringfügig auswirken.
Eine abschließende Aufzählung ist daher schlicht unmöglich. Allerdings hat Jöhnke & Reichow bereits für viele Krankheiten zusammengefasst, wann es bei bestimmten Krankheiten zu einer Berufsunfähigkeit kommen kann (hier der Katalog).
Wer muss die Voraussetzungen für die Berufsunfähigkeit beweisen?
Da der Eintritt von Berufsunfähigkeit Anspruchsvoraussetzung ist, liegt die Darlegungs- und Beweislast bei dem Versicherten. Zur Schlüssigkeit der Darlegung des Anspruchs gehört nicht nur die Darstellung der Beeinträchtigungen des Gesundheitszustandes, sondern auch des Berufs und der sich aus den gesundheitlichen Beeinträchtigungen ergebenden Einschränkungen in Bezug auf die tägliche Berufsarbeit. Es genügt jedoch eine Zusammenfassung in Stichworten, die es einem Dritten ermöglichen, die konkrete Berufstätigkeit zu erkennen. Dazu ist regelmäßig eine konkrete Arbeitsbeschreibung, die Beschreibung des Arbeitsplatzes einschließlich etwaiger damit verbundener Gesundheitsrisiken, einer Angabe der geforderten Teiltätigkeiten nach Art, Umfang und Häufigkeit sowie deren Bedeutung für das Arbeitsergebnis und die Darstellung eines typischen Arbeitstags mit den dabei anfallenden Verrichtungen, Unterbrechungen und Pausen vonnöten.
Die Erkrankung ist manchmal allerdings wesentlich schwieriger zu beweisen. So hat der Versicherungsnehmer auf seine Kosten Berichte der behandelnden Ärzte vorzulegen, aus denen sich Ursache, Beginn, Verlauf und voraussichtliche Dauer des Leidens sowie der Grad der Berufsunfähigkeit oder der Pflegestufe ergeben. Es ist schlüssig vorzutragen und unter Beweis zu stellen, woran der Versicherte leidet und wie sich dieses Leiden auf die in seinem konkreten Beruf erforderlichen Arbeitsschritte auswirkt. Das darf nicht mit allgemeinen Phrasen erfolgen, sondern muss substantiiert geschehen.
Fazit und Handlungsempfehlung
Die Anerkennung einer Berufsunfähigkeit hängt von den in der Berufsunfähigkeitsklausel festgelegten Kriterien ab. Der Versicherte muss nachweisen, dass er die BU-Bedingungen erfüllt, um Leistungen aus dem Versicherungsvertrag zu erhalten. Nachfolgend werden einige Handlungsempfehlung (nicht abschließend aufgeführt):
- Gesundheitliche Einschränkungen dokumentieren: Erstellen Sie eine Liste Ihrer gesundheitlichen Probleme und deren Auswirkungen auf die Berufsausübung. Siehe hierzu vertiefend: Welcher Beruf ist versichert?
- Berufliche Leistungsfähigkeit bewerten: Überprüfen Sie, ob Sie Ihren Beruf noch in vollem Umfang ausüben können. Dabei sollte jede Einzeltätigkeit von Ihnen bewertet werden. Siehe hierzu vertiefend: Umfang des Tätigkeitsbildes bei Berufsunfähigkeit
- Ärztliche Untersuchung: Lassen Sie sich von einem Facharzt gründlich untersuchen und lassen Sie die entsprechenden Diagnose unbedingt dokumentieren bzw. sammeln Sie so viele medizinische Unterlagen, wie möglich. Siehe hierzu vertiefend: Die häufigsten Ursachen für eine Berufsunfähigkeit
- Rechtsschutzversicherung: Sollten Sie noch keine Rechtsschutzversicherung abgeschlossen haben, ist nun der beste Zeitpunkt noch eine abzuschließen. Siehe hierzu vertiefend: Zur Bestimmung des Rechtsschutzfalles
- Keinen Leistungsantrag (alleine) stellen! Der erste Schritt zum Leistungsanspruch ist zunächst der Leistungsantrag. Jedoch sollte ein BU-Leistungsantrag ohne anwaltliche Unterstützung nicht gegenüber der Berufsunfähigkeitsversicherung gestellt werden, damit bestenfalls keine Ansprüche vereitelt werden.
- Ihr Leistungsantrag wurde bereits abgelehnt? Konsultieren Sie nach einer Leistungsablehnung zwingend einen Anwalt für Versicherungsrecht um Ihren berechtigen Ansprüche durchzusetzen.
Weitere Informationen und Rechtsprechungen ist für Sie unter „Versicherungsrecht“ und themenspezifisch unter „Berufsunfähigkeitsversicherung“ zusammengefasst.