Nach Einschätzung der Monopolkommission sind Edeka, Rewe, Aldi und Lidl mittlerweile zu mächtig. Aber auch in Bereichen der Nahrungsmittelindustrie sei die Konzentration zulasten von Landwirtschaft und Verbraucher zu groß. Kritik kommt aus der betroffenen Branche selbst.
Die Konzentration im Lebensmitteleinzelhandel und in manchen Bereichen der Nahrungsmittelindustrie ist in Deutschland zu hoch, moniert die Monopolkommission. „Die Macht des Lebensmitteleinzelhandels und teilweise der Hersteller ist zulasten der Verbraucher deutlich gestiegen“, sagt Tomaso Duso, der Vorsitzende des unabhängigen Gremiums, das die Bundesregierung in Fragen der Wettbewerbspolitik und der Regulierung berät. Laut einem aktuellen Sondergutachten profitieren Händler und Hersteller unverhältnismäßig stark, Landwirte immer weniger. Und auch die Schere zwischen Erzeuger- und Verbraucherpreisen gehe stetig weiter auseinander.
Als Gründe nennt die Kommission zum einen zahlreiche Zusammenschlüsse. Zum anderen betätige sich der Handel zunehmend auch als Hersteller und produziere Eigenmarken. Duso spricht deswegen sogar von einer „besorgniserregenden“ Situation in der Branche angesichts eines Marktanteils von rund 85 Prozent für die vier größten Händler Edeka, Rewe, Schwarz-Gruppe (Lidl, Kaufland) und Aldi. „Der Wettbewerb auf diesen Ebenen ist geschwächt.“
Die Experten stützen ihre Untersuchung und Schlussfolgerung nach eigenen Angaben auf verschiedene empirische Analysen. Diese würden zeigen, dass die durchschnittlichen Gewinnmargen von Einzelhändlern und Herstellern seit über zehn Jahren ansteigen – parallel zu den Konzentrationsprozessen auf beiden Ebenen. Im gleichen Zeitraum seien die Verbraucherpreise hierzulande stärker gestiegen als in vielen anderen EU-Ländern. Der Verbraucherzentrale Bundesverband (VZBV) spricht von einem Plus in Höhe von 35 Prozent für Nahrungsmittel und alkoholfreie Getränke seit 2020. VZBV-Vorständin Ramona Pop fordert daher die Einrichtung einer Preisbeobachtungsstelle nach Vorbild von Ländern wie Frankreich oder Spanien. „Verbraucher müssen darauf vertrauen können, dass sich die Preise entlang der Wertschöpfungskette – vom Bauern bis zum Supermarkt – fair bilden.“
Anlass für die Untersuchung waren die Bauernproteste im Jahr 2024 und dazu die hohen Lebensmittelpreise der letzten Jahre. Was nun aus den Ergebnissen wird, muss die neue Bundesregierung entscheiden. Übergeben hat die Monopolkommission ihre Analyse an das jeweils unionsgeführte Bundeswirtschafts- (BMWE) und Bundeslandwirtschaftsministerium (BMLEH).
Empfohlen wird der Politik darin, eine weitere Konzentration im Lebensmitteleinzelhandel zu stoppen und künftige Zusammenschlüsse verstärkt daraufhin prüfen zu lassen, wie sie sich auf die gesamte Lieferkette auswirken. Eine reine Betrachtung der Auswirkungen auf direkte Wettbewerber auf der Handelsebene reiche nicht mehr aus. Handlungsbedarf sieht das Gremium zudem auch bei den Produzenten von Essen und Getränken. „Der Konzentrationsprozess des Lebensmitteleinzelhandels darf sich nicht auf Herstellerebene fortsetzen“, sagt Kommissions-Chef Duso.
Bei manchen Lebensmitteln hätten einzelne Unternehmen bereits starke Marktmacht. „Die Monopolkommission empfiehlt, den verbleibenden Wettbewerb unbedingt zu sichern und weitere Zusammenschlüsse schärfer zu prüfen“, heißt es im Gutachten. Denn wer nicht aus der Vergangenheit lernt, zahle am Ende drauf, so Duso, der damit zum Beispiel die 2016 erfolgte und per Ministererlaubnis durchgewunkene Übernahme von Kaiser’s Tengelmann durch Edeka meint. Ein aktuelles Beispiel findet sich in der geplanten Fusion von Arla Foods und dem Deutschen Milchkontor DMK Group, die zur größten Molkereigenossenschaft in Europa werden könnten.
Deutliche Worte von Bauernverband und Markenverband
Unterstützung kommt vom Deutschen Bauernverband (DBV). „Die Ergebnisse bestätigen noch einmal unsere langjährige Kritik an der unausgewogenen Wettbewerbssituation innerhalb der Lieferkette und beschreiben den massiven Druck, der auf den landwirtschaftlichen Betrieben lastet“, sagt DBV-Präsident Joachim Rukwied. Er sieht das Gutachten als „eindeutigen Auftrag an die Politik, die Stellung der Landwirtschaft in der Lebensmittelkette zu stärken und gleichzeitig die Wettbewerbsbedingungen für die Betriebe zu verbessern“.
Ähnliche deutliche Worte kommen auch vom Markenverband. „Die Marktkonzentration im Handel steigt, Preisweitergaben erfolgen asymmetrisch, und die vertikale Integration der großen Händler schafft eine Machtposition, die strategischen Missbrauch ermöglicht“, sagt Andreas Gayk, der stellvertretende Hauptgeschäftsführer des Verbandes. Er fordert eine Verhaltenskontrolle für Händler und eine Reform der Verbandsklage, um den Angstfaktor im Markt zu beseitigen. Das Thema Angst treibt auch die Monopolkommission um. „Es gibt zwar schon Gesetze gegen unfaire Handelspraktiken, Landwirte schrecken jedoch oft vor Meldungen und Beschwerden zurück“, beschreibt Wettbewerbsrechtler Duso. Daher bedürfe es einer wirksameren Kontrolle und einer konsequenteren Durchsetzung bestehender Regeln.
Der Handelsverband Deutschland (HDE) und der Bundesverband des Deutschen Lebensmittelhandels (BVLH) weisen die Kritik zurück. „Der Wettbewerb im Lebensmittelhandel funktioniert“, sagt Björn Fromm, BVLH-Präsident und HDE-Vize. Dass steigende Lebensmittelpreise zu höheren Gewinnen der Händler führten, sei „ein Trugschluss“. Den Preisanstieg begründet er mit höheren Kosten für Energie, Personal und Wareneinkauf. In einigen Fällen seien schlechte Ernten und weltpolitische Unsicherheiten die Ursache.
„Keine Erhöhung der Marge auf Kosten der Kunden“
„Im harten Wettbewerb der Handelsunternehmen untereinander kann es sich kein Akteur leisten, seine Margen auf Kosten der Kunden zu erhöhen“, so Fromm. Der Wettbewerb um den Verbraucher im deutschen Lebensmittelhandel bezeichnet er als „besonders intensiv“ und das Preis-Leistungs-Niveau für die Verbraucher als „europaweit einzigartig“. Die Margen des Lebensmittelhandels wiederum seien mit ein bis drei Prozent gering.
Hinsichtlich der Landwirtschaft weist der HDE zudem darauf hin, dass die schwierigen Rahmenbedingungen für Landwirte weitgehend nicht vom Handel beeinflusst werden, weil die Unternehmen grundsätzlich keine direkten Einkaufsbeziehungen mit Landwirten pflegen. „Der Schlüssel für bessere Bedingungen für die Landwirte liegt nicht beim Lebensmittelhandel. Die maßgeblichen Einflüsse kommen vielmehr vom höchst volatilen Weltmarkt und als Folge staatlicher Subventionen“, sagt Fromm.
So würden nur 23 Prozent des frischen Schweinefleisches über den Lebensmittelhandel verteilt und nur 13 Prozent der Milchmenge landen als Trinkmilch in den Regalen des Handels. Der Großteil werde stattdessen in der Verarbeitung gebraucht, in der Gastronomie und im Außer-Haus-Markt sowie im Export.
Dieser Artikel wurde für das Wirtschaftskompetenzzentrum von WELT und Business Insider erstellt.
Carsten Dierig ist Wirtschaftsredakteur in Düsseldorf. Er berichtet über Handel und Konsumgüter, Maschinenbau und die Stahlindustrie sowie Mittelstandsunternehmen.
