Wo in Großbritannien früher Stahl hergestellt wurde, entstehen jetzt Anlagen für die Speicherung von CO2. Regierung und Unternehmen investieren hohe Summen – in der Hoffnung auf neue, grüne Jobs.
Im Nordosten von England schlug früher das industrielle Herz von Großbritannien. Rund um die Mündung des Flusses Tees war einst das Zentrum der britischen Stahlproduktion. 10.000 Tonnen Stahl stellten die Arbeiter hier pro Tag in den besten Zeiten her. Der Stahl für die berühmte Brücke im Hafen von Sydney wurde hier produziert. 2015 wurde das Stahlwerk geschlossen, 2022 wurde die Anlage gesprengt. Mit dem Ende dieser Ära ging auch der wirtschaftliche Niedergang in der Region einher.
Heute ist die Fläche, wo einst das Stahlwerk stand, geräumt. Hier ist Platz für neue Anlagen, neue Industriegebäude. Es entsteht ein Cluster, ein Verbund von Unternehmen. Das Kernstück ist die Anlage, die Kohlenstoffdioxid (CO2) über Pipelines 145 Kilometer hinaus in die Nordsee leitet. Dort wird das CO2 in Gesteinsschichten gepumpt. Sie liegen 1,5 Kilometer unter dem Seeboden und sind derzeit mit Salzwasser gefüllt.
Der Sandstein wirkt wie ein Deckel
Rich Denny ist Chef der Firma Northern Endurance Partnership, die das Projekt baut. Er beschreibt den Prozess so: Wenn das CO2 reingepumpt wird, verdrängt es das Wasser. Heraus dringen könne das CO2 nicht: Denn über der Sandsteinschicht seien andere Gesteinsschichten. Die seien so dicht wie ein Deckel.
Neben dieser Anlage, die das CO2 in den Boden pumpt, entsteht in Teesside ein Gaskraftwerk. Das soll vor allem dann Strom liefern, wenn die Windparks wegen Flaute stillstehen. Hier ist aber auch Platz für andere Unternehmen aus der Zement- oder Chemieproduktion. Und außerdem können Firmen CO2 in Lastwagen oder per Schiff anliefern. Dafür zahlen Konzerne, die ihre Produktion CO2-frei aufsetzen wollen. Ein Anreiz ist, dass einige Unternehmen für den CO2-Ausstoß bezahlen müssen, Stichwort Emissionshandel. Hinter dem Projekt im Nordosten Englands stehen die Energie-Riesen BP, Equinor und Total-Energies.
Unternehmen und Regierung investieren
Die britische Regierung hat etwa 25 Milliarden Euro Finanzhilfen für mehrere solcher Projekte bereitgestellt. Northern Endurance Partnership hat aber auch Geld am Finanzmarkt aufnehmen müssen. Rich Denny erklärt, dass dieses Projekt in Teesside das erste ist, für das Geld von den Finanzmärkten eingesammelt wurde. „Das zeigt, dass die Finanzindustrie der Ansicht ist: es lohnt sich, hier zu investieren. Das war für uns eine Auszeichnung“, sagt Denny.
Im Vereinigten Königreich sollen vier Industriegebiete mit dem Schwerpunkt CO2-Lagerung entstehen. Mark Sommerfeld ist Direktor der Dachorganisation CCSA und sieht großes Wachstumspotential. 50.000 Jobs könnten bis 2050 entstehen. Die Nachfrage nach CO2-Speicherung dürfte weltweit groß sein, Sommerfeld sieht Großbritannien als potenziellen Marktführer. Bestimmte Unternehmen wie beispielsweise im Bereich der Zementindustrie oder der chemischen Industrie können keine CO2-freie Produktion aufsetzen. Sie werden also darauf angewiesen sein, CO2 abzuspalten und irgendwo zu lagern.
Chancen auf neue, grüne Jobs
Für die Region Teesside ist das ein gute Nachricht. Als das letzte Stahlwerk geschlossen wurde, verloren 4.000 Menschen ihren Job. Luke Myer sitzt für den Wahlkreis im britischen Parlament. Für ihn geht es auch darum, den Stolz dieser Region wiederzuerlangen. „Mit unserem Stahl wurde einst die Welt gebaut“, sagt Myer. „Wenn wir jetzt nach vorne schauen, sehen wir die Chance, wieder führend zu werden bei umweltfreundlichen Industrien und grünen Jobs“, sagt der Labour-Abgeordnete.
In seinem Wahlkreis hat sich mittlerweile ein Windturbinen-Hersteller angesiedelt. Außerdem gibt es ein Unternehmen für die Produktion von nachhaltigem Flug-Benzin. Und wenn man auf dem Areal steht, wo nun das CO2 in die Pipelines gepresst wird, dort, wo früher das Stahlwerk stand, kann man im Meer die Windräder sehen.

