Merz und seine Mannschaft haben in der Rentenfrage sicherlich Fehler gemacht. Doch die Verursacher dieser Krise sitzen im Willy-Brandt-Haus. Bei der SPD herrscht ein Ausmaß an Realitätsverweigerung, das seinesgleichen sucht – und nicht nur der Partei, sondern dem ganzen Land schadet.
Während sich in der politischen Debatte vieles auf den Zoff zwischen Bundeskanzler Friedrich Merz und der Jungen Union konzentriert, reibt sich die SPD im Hintergrund genüsslich die Hände. Im Gegenzug für eine härtere – und vernünftigere – Migrationspolitik, hatte die Union Zugeständnisse in der Rentenfrage gemacht. Handwerklich sicherlich ein Fehler von Merz und seiner Mannschaft. Doch die Verursacher dieser Krise sitzen im Willy-Brandt-Haus.
Die Sozialdemokraten drängen auf die sogenannte Haltelinie von 48 Prozent auch über das Jahr 2031 hinaus – ein Projekt, das den Steuerzahler nach aktuellen Schätzungen rund 120 Milliarden Euro kosten dürfte. Eine Summe, die selbst in wirtschaftlich stabilen Zeiten schwer zu rechtfertigen wäre. In Zeiten schwacher Konjunktur ist sie schlicht verantwortungslos – und tief im Inneren weiß die SPD das auch.
Dieser ökonomische Irrsinn passt ins Bild einer Partei, die seit Jahren gegen den eigenen Bedeutungsverlust kämpft. Statt Strategien zu entwickeln, um ihre ursprüngliche Kernwählerschaft – die Arbeiterinnen und Arbeiter – zurückzugewinnen, setzt die Partei von Willy Brandt und Helmut Schmidt auf populistische Symbolpolitik.
Anti-Symbol für ökonomischen Sachverstand
Bei der SPD geht es nicht mehr darum, ökonomisch sinnvolle Entscheidungen zu treffen. Selbst der Ökonom und Chefberater von Bundesfinanzminister Lars Klingbeil hält die geplante Rentenreform für ein finanzielles Desaster. Vielmehr unterliegt die SPD dem Irrtum, so Wählergruppen zurückzugewinnen. Aus einer ökonomischen Diskussion hat sie – wie so oft – eine rein politische gemacht.
Die Rentenpolitik ist dabei nur das sichtbarste Symptom. Die SPD ist zu einem Anti-Symbol für ökonomischen Sachverstand geworden. Das zeigt sich beim verkorksten Bürgergeld, das Arbeiten kaum attraktiver macht. Bei Enteignungsfantasien gegenüber Wohnungsgesellschaften, die Investoren abschrecken und den Mietmarkt verunsichern. Und bei den regelmäßig wiederkehrenden Forderungen nach höheren Steuern und Abgaben für sogenannte Besserverdiener.
Seit Jahren positioniert sich die SPD damit gegen jene, die etwas leisten wollen, die das Land voranbringen. Besonders junge Leistungsträger fühlen sich von der Partei entfremdet – und das aus gutem Grund. Die Zeche für die sozialpolitischen Wohltaten zahlen vor allem sie: durch steigende Sozialabgaben und künftige Milliardenlasten in der Rentenkasse.
Das haben die jungen Wähler längst erkannt. Bei der Bundestagswahl kam die SPD in der Altersgruppe unter 25 Jahren auf gerade einmal 12 Prozent. Und auch sonst ist von Erfolg keine Spur: In Umfragen dümpeln die Sozialdemokraten bei rund 15 Prozent. Bei der SPD herrscht ein Ausmaß an Realitätsverweigerung, das seinesgleichen sucht – und das langfristig nicht nur der Partei, sondern dem ganzen Land schadet.
Man kann nur hoffen, dass die Junge Union standhaft bleibt – und Friedrich Merz schnell zur Vernunft kommt. Die SPD wird es auf absehbare Zeit nicht tun.
Moritz Seyffarth ist Chefredakteur von „Business Insider Deutschland“
