Der Signa-Gründer und frühere Karstadt-Investor muss sich ab heute in Innsbruck vor Gericht verantworten. Das Urteil könnte schon am Mittwoch fallen. Dieser erste Prozess ist aber nur der Auftakt.
Sein Firmenkonstrukt war mit rund 1.000 Gesellschaften und Tochterfirmen komplex und unübersichtlich – der erste Prozess gegen René Benko in Innsbruck steht im Gegensatz dazu. In der Anklage gegen den seit Anfang des Jahres in U-Haft sitzenden Pleitier geht es um genau zwei Punkte. Bei beiden geht es darum, dass Benko Vermögenswerte im privaten Insolvenzverfahren beiseitegeschafft haben soll.
Zum einen geht es um eine Miet- und Betriebskostenvorauszahlung von rund 360.000 Euro für eine Villa in Innsbruck, die, vereinfacht gesagt, auch über Benkos Mutter läuft. Die Anklage hält die Vorauszahlung für nicht vertretbar. Zum anderen geht es um eine Schenkung über etwa 300.000 Euro, ebenfalls an seine Mutter, deklariert als „Rückführung Darlehen“.
Urteil wohl bereits am Mittwoch
Beide Zahlungen sollen in einer Phase passiert sein, in der sich die finanziellen Schwierigkeiten längst abzeichneten und die Pleite laut Fachleuten nur noch eine Frage der Zeit gewesen sein dürfte. Der Vorwurf: „Betrügerische Krida“ wie es in Österreich heißt. Das lässt sich sinngemäß als Betrug im Zusammenhang mit einem Bankrott übersetzen.
René Benko beteuert seine Unschuld. Das Gericht hat eine Handvoll Zeugen geladen, auch Benkos Tochter und seine Mutter. Das Urteil soll es bereits am Mittwoch geben.
Startschuss zu Prozess-Kaskade
Unabhängig davon dürfte das Verfahren in Innsbruck der Startschuss für eine ganze Reihe an Prozessen sein. Im Zusammenhang mit dem Konkurs des Immobilien- und Handelsriesen Signa laufen rund ein Dutzend Ermittlungsverfahren gegen Benko und Signa-Verantwortliche. Die Zeitung Der Standard spricht von aktuell insgesamt 14 Verfahren.
Ermittelt wird von der WKSTA, der Wirtschafts- und Korruptionsstaatsanwaltschaft, einer Spezialbehörde zur Aufklärung von schweren Wirtschafts- und Korruptionsdelikten. Unter anderem wegen des Verdachts auf Betrug, Untreue, Bankrott und Verheimlichung von Vermögen gegenüber Gläubigern und Insolvenzverwaltern.
Innsbrucker Prozess nur kleines Verfahren
Angesichts dessen gehe es im Verfahren vor dem Landesgericht in Innsbruck um „kleinere Bereiche“, sagt Robert Kert, Professor am Institut für Österreichisches und Europäisches Wirtschaftsstrafrecht in Wien. „Das betrifft eigentlich noch gar nicht dieses Betrugskarussell. Es sind Sachverhaltskomplexe, die relativ einfach zu ermitteln sind“, sagt Kert.
Es gehe darum, wann und wie Vermögensgegenstände im Rahmen der Insolvenz beiseitegeschafft wurden. „Aber es ist nicht so, dass es diesen Kern des Konglomerats schon erfasst. Da braucht es noch viel Ermittlungen. Insofern glaube ich auch, dass man hier eher am Anfang der Ermittlungen steht“, sagt der Wirtschaftsrechtsexperte.
Komplexestes Verfahren seit Zweitem Weltkrieg?
Kert geht davon aus, dass auf die Justiz das komplexeste Wirtschaftsverfahren seit dem Zweiten Weltkrieg zukommt. Dazu passt, dass die Signa-Pleite als die größte Pleite in der Geschichte Österreichs gilt. Es gibt Gläubiger-Forderungen in Höhe von mehreren Milliarden Euro. Fachleute rechnen mit sehr komplizierten Verfahren, die sich jahrelang hinziehen dürften.
Unabhängig vom Urteil am Mittwoch hofft der Wirtschaftsexperte Kert auf Veränderungen. Die Signa hatte es jahrelang vermieden, Bilanzen vorzulegen. Kritik daran soll häufig durch persönliche Überzeugungskraft und das Versprechen hoher Renditen beschwichtigt worden sein. Teils sollen Signa-Unternehmen lieber Strafen gezahlt haben als reihenweise Einzelbilanzen zu veröffentlichen.
Investigativjournalisten, die dazu recherchierten oder kritisch über Signa berichteten, mussten mit Klagen rechnen. Das gehe so nicht, sagt Robert Kert. „Man muss sicherlich im Bilanzrecht etwas tun, dass es nicht so leicht ist, ohne Bilanzen zu legen so lange durchzukommen“, findet der Professor. „Dass die Bilanzen auch entsprechend überprüft werden müssen, das ist wohl eine Lehre daraus.“
