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Konjunkturkrise im Heimatmarkt, viele Flugzeugtypen, hohe Personalkosten, die angespannte Weltlage – vieles belastet die Lufthansa. Was bedeutet das für Europas größten Luftfahrtkonzern?
4.000 Jobs will die Lufthansa in den kommenden fünf Jahren streichen. Der Schritt ist Teil des Sparprogramms „Turnaround“, das sich die Lufthansa 2023 selbst auferlegt hat. Denn der Konzern steckt in Schwierigkeiten.
Das Unternehmen belasten die in die Jahre gekommene Flotte, die schwierige wirtschaftliche Lage in Deutschland und wichtigen Weltmärkten, hohe Personalkosten – und die Komplexität des eigenen Betriebs. Nach der Corona-Pandemie hat der Konzern weder beim Gewinn noch bei den Passagierzahlen dasselbe Niveau erreicht wie vor der Krise, die tiefe Einschnitte in der Luftfahrt hinterlassen hat.
Ein bisschen besser als im Vorjahr
Grundsätzlich steht die Lufthansa in diesem Jahr besser da als im vergangenen Geschäftsjahr. Zwar fuhr sie da einen Gewinn von 1,4 Milliarden Euro ein, blieb somit aber weit hinter ihren Möglichkeiten zurück. Zum Vergleich: 2018 konnte der Konzern noch einen Gewinn von knapp 2,2 Milliarden Euro verbuchen. Insbesondere bei der Kernmarke mit dem Kranich lief das Geschäft 2024 eher mäßig. Hoffnungsträger waren dagegen Töchter wie Eurowings oder Swiss Airlines.
Im ersten Halbjahr 2025 konnte der Konzern nun einen Gewinn von 127 Millionen Euro einfahren, 2024 stand im gleichen Zeitraum noch ein Verlust von 265 Millionen Euro zu Buche. Hält sich dieser Trend auch im umsatzstärksten dritten Quartal, das die Ferienzeit umfasst, dürfte die Lufthansa auch beim Jahresergebnis einen ordentlichen Zugewinn verzeichnen.
Zeigt das Sparprogramm schon Wirkung?
Einen Grund zum Aufatmen gibt es nach Einschätzung von Yvonne Ziegler, Professorin an der Frankfurt School of Applied Sciences, jedoch noch nicht. Das bessere Abschneiden sei noch nicht auf das Sparprogramm zurückzuführen. Eher habe die Lufthansa in diesem Jahr vom niedrigen Kerosinpreis profitiert, der 14 Prozent unter dem Vorjahresniveau liegt.
Beim Personal und Material habe man keine Einsparungen machen können, im Gegenteil: In beiden Bereichen seien die Kosten nochmal um rund zehn Prozent gestiegen. „Das heißt, wenn der Kerosinpreis wieder ansteigen sollte, dann sieht es mittel- und langfristig schlecht aus“, sagt die Luftfahrtexpertin.
Camélia Cagnoli, Portfoliomanagerin bei Union Investment, bewertet die Lage dagegen optimistischer. Im Rahmen des Sparprogramms werden momentan Strukturen bei der IT zusammengelegt, die vorher von jeder Airline separat übernommen wurden. „Das hat natürlich jetzt bereits seinen Teil der Verbesserung der Finanzergebnisse beigetragen“, sagt die Expertin.
Kernmarke fliegt mit veralteter Flotte
Sorgenkind des Konzerns ist dabei ausgerechnet die Kernmarke, die Lufthansa Airlines. Aus den roten Zahlen ist die Marke auch in diesem Jahr noch nicht gekommen, machte rund 300 Millionen Euro Verluste im ersten Halbjahr. Ein besonders großes Problem für die Stammmarke ist die veraltete Flotte. „Hier wird das größte Sparpotenzial liegen, denn je älter die Flotte, desto ineffizienter, gerade was den Kerosinverbrauch angeht“, sagt Cagnoli.
Diese hohen Treibstoffkosten würde die Lufthansa gerne reduzieren, mit neuen Flugzeugen. Die würden zusätzlich deutlich mehr Sitzplätze bieten, sodass deutlich mehr Passagiere transportiert werden könnten.
Allerdings gibt es seit Jahren große Probleme bei den Flugzeugbauern Boeing und Airbus; was bestellt wird, kommt selten im Zeitplan an. Beide Hersteller schleppten noch immer Verzögerungen aus der Covid-Zeit mit, sagt Yvonne Ziegler. Bei Boeing kamen dann noch gravierende technische Mängel hinzu, die die Produktion weiter in Verzug brachten.
Ein weiteres Problem: die Vielfalt der eingesetzten Jets. Anders als andere Airlines beschränkt sich der Konzern nicht auf den Einsatz weniger Flugzeugtypen. So viele Modelle in der Flotte zu haben, ist aufwändiger in der Wartung. Es macht auch den Flugbetrieb unflexibler, denn Piloten können nicht jeden Typ fliegen.
Standort Deutschland als Nachteil
Zu schaffen macht der Lufthansa auch das schlechte Wirtschaftslage in Deutschland. Dadurch gehe die Zahl der Business-Passagiere zurück, sagt Cagnoli. Und gerade diese Sparte ist wichtig für die Airline, denn sie ist ein preisstabiles Segment mit einer hohen Loyalität seitens der Kunden.
Hier liegen die Hoffnungen auf der Bundesregierung, betonen Cagnoli und Ziegler. „Nicht zuletzt natürlich das Infrastrukturprogramm, wo man sich vieles erhofft. Das könnte vielleicht auch zu einer Belebung bei Dienstreisen führen“, sagt Portfolio-Managerin Cagnoli.
Anders als angekündigt habe die Koalition die Erhöhung der Luftverkehrssteuer bisher aber nicht zurückgenommen, so Ziegler. Dazu kämen noch andere Standortgebühren, etwa Flughafen- und Flugsicherungsgebühren. „Die sind auch ziemlich gestiegen an etlichen deutschen Flughäfen, auch im internationalen Vergleich. Und das macht natürlich das Leben für die Lufthansa nicht einfacher.“
Lukrative Weltmärkte schwächeln
Und nicht zuletzt gibt es Belastungen durch die Weltpolitik. Asien und Nordamerika, die traditionell stärksten Märkte der Lufthansa, schwächeln aktuell. Im Nordamerika-Geschäft sei das vor allem auf die erratische Politik Donald Trumps zurückzuführen, sagt Expertin Ziegler. Dass deutsche Touristen bei Einreisekontrollen so viele Probleme hatten, schrecke viele Urlauber ab.
Auf den Strecken nach Asien ist das Problem ein ganz anderes: „Da hat die Lufthansa einen Wettbewerbsnachteil, weil sie im Gegensatz zu vielen Wettbewerbern wie Turkish und die ganzen Golf-Airlines eben nicht über Russland fliegen darf und dann so einen großen Umweg fliegen muss.“ Wer möglichst kurz fliegen will, der wählt eine andere Airline. Teilweise habe die Lufthansa deshalb den Flugplan schon ausgedünnt, berichtet Ziegler.
Erfolgreiche Sparten stützen das Geschäft
Angesichts der Schwierigkeiten im Passagier-Verkehr hält es die Luftfahrtexpertin Ziegler für eine sinnvolle Strategie, erfolgreiche Sparten im Konzern wie Lufthansa Technik weiter zu stärken. Jüngst hatte das Unternehmen angekündigt, dass es noch stärker im Rüstungsmarkt tätig sein will.
„In der Vergangenheit hat sich das immer als echter Trumpf der Lufthansa erwiesen, dass sie die anderen Tochterstöchter hatte, die teilweise eben auch ganz antizyklisch die Lufthansa-Passage gestützt haben“, sagt Ziegler. Gerade das Cargo-Geschäft sei in der Covid-Zeit eine große Stütze gewesen, genauso wie die Technik-Sparte.
Wichtig für das Unternehmen sei nun, sich zu erneuern, betonen beide Expertinnen. Auch wird das Unternehmen beim Personal sparen müssen – gegen den Widerstand der Belegschaft, das steht jetzt schon fest. Am Dienstag stimmten die Piloten mit großer Mehrheit für Streiks. Sie wollen, dass die Lufthansa mehr zur Betriebsrente beiträgt. Vor allem aber dürfte es für den Konzern darum gehen, dass er seine komplexen Strukturen mit den vielen Tochterunternehmen in den Griff kriegt.
