Die digitale Transformation des Handels hat längst auch die Kassenzone erreicht. Selbstbedienungskassen, (Self-Checkout-Systeme oder SCO genannt), gehören in vielen Ländern bereits seit vielen Jahren zum Standard. Deutschland und Österreich taten sich dabei lange Zeit schwer, doch inzwischen sind auch bei uns tausende Märkte damit ausgestattet. Für Händler:innen und für die Kundschaft bieten SB-Kassen vor allem eines: mehr Flexibilität und je nach Kund:innenaufkommen kürzere Wartezeiten.
Und die Kund:innen nehmen den neuen Service an. Dies geht aus einer Markterhebung im Auftrag des Kölner Handelsforschungsinstituts EHI hervor. Mehr als die Hälfte (56 Prozent) der Befragten nutzt laut einer Erhebung des Marktforschungsinstituts Infas Quo mittlerweile mehr oder weniger oft SB-Kassen, knapp jeder Fünfte (19 Prozent) nutzt sie sogar regelmäßig. Das hat auch damit zu tun, dass Kunden immer weniger akzeptieren, wenn es an der Kasse dauert oder sie in der Schlange stehen müssen, wie eine Studie von IFH Köln und Capgemini belegt.
Demnach sehen 89 Prozent der Befragten bereits fünf Minuten Wartezeit an der Kasse als Ärgernis. Die jüngeren Zielgruppen sind hier eher bereit, eine SB-Kasse zu nutzen, anstatt in der Schlange zu stehen. Dies ist in erster Linie auf psychologische Faktoren zurückzuführen, denn oft geht das Suchen nach den Barcodes und das Verstehen des Systems nicht wesentlich schneller als wenn wir diese Aufgabe (nach entsprechender Wartezeit) der Kassenkraft überlassen. Doch Menschen bewerten Wartezeit kritischer, wenn sie währenddessen untätig sein müssen – ein klares Argument für die Wahlfreiheit zwischen der klassischen bedienten Kasse und SB-Kassen.
„Rabattkassen“ und der Kampf gegen Loss Prevention
Doch mit der neuen Bequemlichkeit wächst auch ein Problem, das den Handel teuer zu stehen kommt: Ladendiebstahl, weswegen immer mehr Unternehmen, die solche Kassen installieren, nach der „Loss Prevention“ fragen – also danach, wie moderne SB-Kassen die gängigen Betrugsversuche erkennen und unterbinden können – und zwar so, dass ehrliche Kunden sich nicht unter Generalverdacht gestellt fühlen.
In Online-Diskussionen taucht für Self-Checkout-Kassen nicht selten der spöttische Begriff „Rabattkassen“ auf. Gemeint ist damit die Hoffnung mancher Kunden, dass ein absichtlich ausgelassener Scan unentdeckt bleibt – ein „Rabatt“ also, den man sich selbst gewährt.
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Für den Handel ist das allerdings kein Scherz, sondern ein handfestes Kostenproblem, denn laut aktueller EHI-Studien war der Warenschwund noch nie so hoch wie heute. Branchenkenner:innen betonen aber, dass die Zahl der typischen Betrugsmaschen überschaubar ist, doch selbst diese wenigen Szenarien verursachen erhebliche Schäden.
Abwehr durch Kombination aus Technik und Prozessen
Zur Abwehr setzt der Einzelhandel auf einen Mix aus Technik und Prozessen. Mit Hilfe von Kameras, die zumeist oberhalb der Kasse selbst angebracht sind und mit Hilfe von Bilderkennung und maschinellem Lernen sollen auffällige Muster erkannt werden. Ziel ist dabei nicht nur, Manipulation zu entlarven, sondern auch fehlerhafte Bedienung von echtem Betrug zu unterscheiden. Denn rechtlich entscheidend ist die Absicht: Wer beispielsweise bewusst einen falschen Preiscode nutzt – etwa indem hochwertige Erdbeeren als Billigware gescannt werden – oder Rabattgutscheine einsetzt, die für das Produkt gar nicht gelten, handelt eindeutig betrügerisch.
Damit es gar nicht erst so weit kommt, muss das Kassensystem so einfach bedienbar sein, dass auch weniger technikaffine Nutzer damit zurechtkommen und nicht Angst haben müssen, aufgrund von Fehlbedienung als Ladendieb:in verdächtigt zu werden. Einfache Abläufe sollen hierbei die Zahl echter Irrtümer senken. Ergänzend greifen Händler auf Kontrollmechanismen zurück: Software weist das Personal darauf hin, wenn Kassenvorgänge auffällig wirken, sodass im Ausgangsbereich eine Stichprobe möglich ist.
Das kann beispielsweise sein, wenn die Kamera erkennt, dass nicht alle eingepackten Waren auch gescannt wurden. Gleichzeitig betonen aber viele Handelsvertreter:innen auch, dass sie Zurückhaltung üben – Kund:innen nicht das Gefühl haben, unter Generalverdacht zu stehen. Im Zweifelsfall entscheidet man lieber zugunsten des Kunden oder der Kundin, um Vertrauen nicht zu verspielen.
Absichtlicher Betrug oder Bedienungsfehler?
Da solche Systeme nicht fehlerfrei sind, kommt es regelmäßig vor, dass Produkte nicht korrekt erkannt werden oder Algorithmen falsch anschlagen. Hier hilft ein Ansatz, der weniger auf Strenge als auf subtile Beeinflussung setzt: sogenanntes „Nudging“. Kleine, fast beiläufige Hinweise sollen dafür sorgen, dass Kunden sich regelkonform verhalten. So wird etwa kurz das eigene Kamerabild eingeblendet, um bei den Verbraucher:innen Bewusstsein für die Überwachung zu schaffen. In anderen Fällen fragt das Display nach, ob wirklich alle Artikel korrekt erfasst wurden. Beides wirkt als sanfter Druck, sich regelkonform zu verhalten – zumal ein ertappter Fehlversuch meist in einer peinlichen Situation endet.
Die technische Herausforderung bleibt dennoch groß: Systeme müssen nicht nur zählen, ob die Menge auf der Abstellfläche mit den gescannten Artikeln übereinstimmt, sondern auch Fälschungen erkennen – etwa wenn in einem Wasserkasten plötzlich eine (ähnlich große) Schnapsflasche steht oder wenn ein hochpreisiges Produkt mit dem Barcode einer Billigware versehen wird. Besonders knifflig sind Fälle, in denen mehrere preisgleiche Produkte gekauft werden.
Wird nur eines gescannt und die restliche Stückzahl von Hand eingegeben, muss die Technik unterscheiden können, ob es sich tatsächlich um identische Artikel handelt oder nicht. Hier neigen die Systeme zur Vorsicht und schlagen Alarm – auch wenn sich am Ende herausstellt, dass kein Betrug vorlag, weil der Kunde etwa einfach einen der drei preisgleichen Joghurtbecher dreimal eingescannt hat.
Zahlreiche Anbieter für Diebstahlschutz
Inzwischen ist der Markt für technologische Lösungen im Bereich Self-Checkout recht umfangreich und vielfältig geworden. Ein Beispiel dafür ist etwa eine Kassenlösung vom Anbieter Diebold Nixdorf, die mit Hilfe einer KI-gestützten Software dem Warenschwund Herr werden soll. Erstmals kommt diese in einem Düsseldorfer Edeka-Markt an acht Selbstbedienungskassen zum Einsatz. Dabei gehe es, erklärt das Unternehmen, einerseits darum, Fehlbedienungen an der SB-Kasse zu vermeiden als auch eine automatische KI-basierten Alterskontrolle umzusetzen.
Dazu analysiert „Vynamic Smart Vision Shrink Reduction“ das Verhalten und die Aktivitäten der Kund:innen über Kameras in Echtzeit. Erkennt das System einen missglückten Scan oder eine Fehlbedienung, erhalten diese eine Nachricht auf dem Display der Kasse – verbunden mit dem Hinweis, dass der Artikel nicht oder nicht richtig erfasst wurde. Erst wenn es erneut zu einem Fehler kommt, wird ein:e Mitarbeiter:in hinzugerufen, um zu unterstützen oder den Vorgang zu überprüfen.

So sieht die SB-Kasse den Kassiervorgang – und erkennt Unregelmäßigkeiten. (Foto: Diebold Nixdorf)
Ein weiteres Beispiel liefert etwa das Berliner Unternehmen Signatrix: Deren Software analysiert Videobilder in Echtzeit und kann auffällige Verhaltensmuster erkennen. Das System berechnet somit die Wahrscheinlichkeit für einen möglichen Diebstahl und gibt diese Einschätzung direkt an das Verkaufspersonal weiter. Die Angestellten können dann entscheiden, ob ein Eingreifen erforderlich oder ratsam ist. Mit einem etwas anderen Schwerpunkt arbeitet die Lösung der französischen Firma Veesion.
Hierbei werden Gesten und Verhaltensmuster der Kund:innen ausgewertet – etwa die typische Bewegung, wenn ein Produkt unauffällig in der Jackentasche verschwindet. Erkennt die Software ein solches Muster, sendet sie einen entsprechenden Videoausschnitt an die Mitarbeitenden, die ihrerseits entsprechend reagieren können. Laut Anbieter sollen so bis zu 60 Prozent der Diebstahlsversuche aufgedeckt werden.
Noch einen Schritt weiter ist Trigo, ein Anbieter, der insbesondere in kassenlosen Märkten eingesetzt wird, wie etwa in den „Rewe Pick & Go“-Filialen. Die Technik erfasst nicht nur den eigentlichen Kassiervorgang, sie dokumentiert auch, welches Produkt wann aus dem Regal entnommen wurde. Auf diese Weise ordnen Sie den gesamten Einkauf automatisch einem Kunden zu – ohne dass dieser seine Artikel einzeln scannen muss.
Organisierte Kriminalität wird Problem an SB-Kassen
Generell gelte aber, erklärt ein Einzelhandelsexperte, dass neben der Qualität der Software auch die Zahl der Kameras und damit die Datenqualität entscheidend für den Erfolg solcher Maßnahmen sei. Je komplexer das Warenangebot, desto anspruchsvoller sei es, eine hohe Erkennungsleistung zu erzielen. Demnach sei das Problem der nicht abgerechneten Waren durch die SB-Kassen in vielen Läden deutlich größer geworden als in der Vergangenheit – und oftmals komplexer als die Anbieter:innen solcher Systeme gegenüber ihren Kund:innen erklären.
Während man kleinere „Gelegenheitsdiebstähle“ mit den genannten Features recht gut im Griff habe, bereiteten Insbesondere organisierte Kriminelle, die die Eigenheiten und Lücken solcher Systeme genau kennen, dem Handel wachsende Probleme. Entstanden sei in diesem Zusammenhang auch eine Art Schwarzmarkt über Kleinanzeigenportale oder fliegende Händler:innen in Innenstädten, die vor allem hochwertige, aber kompakte Waren aus dem Lebensmittel- und Drogeriebereich an den SB-Kassen vorbei entwenden und weiterverkaufen.