Reise krank? Geld weg?
– So dreist zocken Reiseveranstalter Eltern ab!
Eine Mutter will mit ihrem Kind in den Urlaub fliegen – doch einen Tag vor Abflug landet das Kind schwer krank im Krankenhaus. Der Arzt sagt: flugunfähig! Die Reise fällt aus. Und der Veranstalter? Der will das ganze Geld trotzdem behalten.
Geht das? Nein!
Denn:
Wer wegen Krankheit – vor allem bei Kindern – nachweislich nicht reisen kann, darf zurücktreten. Das steht im Gesetz (§ 651h BGB) und wird von Gerichten und dem BGH bestätigt.
Aber viele Reiseanbieter tun so, als wäre nichts. Sie berufen sich auf AGB, ignorieren Atteste – und pressen Eltern das Geld ab, obwohl sie selbst kaum Ausgaben hatten. Das ist unmoralisch, rechtlich oft falsch – und unverschämt!
Gerichte urteilen klar:
„Krankes Kind = triftiger Grund für Reiserücktritt.“ „Ohne Versicherung trotzdem Anspruch auf (Teil-)Erstattung.“„Pauschale Stornokosten sind oft unwirksam.“
Wer betroffen ist, kann sofort Anwalt einschalten, ärztliches Attest vorlegen – und notfalls klagen.
Denn: Wer schweigt, zahlt doppelt. Und die Veranstalter spekulieren genau darauf.
Kranke Kinder gehören ins Bett – und nicht auf die Verlustliste skrupelloser Reiseveranstalter. Wer kämpft, kann (zumindest) sein Geld zurückkriegen!
Rechtliche Einschätzung zum Rücktritt von einer gebuchten Urlaubsreise wegen plötzlicher Erkrankung eines minderjährigen Kindes
Die vorliegende Fallkonstellation betrifft die Situation einer Mutter, die gemeinsam mit ihrem minderjährigen Kind eine Pauschalreise gebucht hat. Unmittelbar vor Reisebeginn – konkret ein Tag vor dem Abflug – erkrankt das Kind schwer und muss stationär im Krankenhaus behandelt werden. Der behandelnde Arzt bescheinigt ausdrücklich die Flugunfähigkeit des Kindes. Die Mutter, die allein sorgeberechtigt ist und über geringe finanzielle Mittel verfügt, sieht sich nun der Weigerung des Reiseveranstalters gegenüber, auch nur einen Teil der Reisekosten zu erstatten. Diese Haltung ist unter juristischen und sozialrechtlichen Gesichtspunkten zweifelhaft.
Vertraglicher Rücktritt und gesetzliche Grundlage
Nach § 651h Abs. 1 BGB ist ein Rücktritt vom Reisevertrag grundsätzlich jederzeit vor Reisebeginn möglich. Der Reiseveranstalter verliert dadurch seinen Anspruch auf den vollen Reisepreis, ist aber berechtigt, eine angemessene Entschädigung in Form einer Stornopauschale zu verlangen. Die Höhe der Entschädigung richtet sich regelmäßig nach den im Vertrag enthaltenen Allgemeinen Geschäftsbedingungen. Diese dürfen jedoch nicht pauschal willkürlich festgesetzt sein, sondern müssen sich an den tatsächlich ersparten Aufwendungen und an einer möglichen anderweitigen Verwendung der Reiseleistungen orientieren.
Erkrankung eines Kindes als Rücktrittsgrund
Die höchstrichterliche Rechtsprechung erkennt an, dass die plötzliche und unerwartete Erkrankung eines nahen Angehörigen – insbesondere eines minderjährigen Kindes – einen berechtigten Grund für den Reiserücktritt darstellt. Bereits mit Urteil vom 15. November 1984 (BGH, VII ZR 152/83) hat der Bundesgerichtshof klargestellt, dass ein Rücktritt vom Reisevertrag auch dann gerechtfertigt ist, wenn nicht der Reisende selbst, sondern eine ihn begleitende Person aus gesundheitlichen Gründen nicht reisen kann. Dies gilt insbesondere bei Alleinreisenden mit Kind, bei denen die Erkrankung des Kindes zwangsläufig die gesamte Reise verhindert.
Das Amtsgericht München (Urteil vom 27.09.2012 – 244 C 4186/12) hat in einem vergleichbaren Fall entschieden, dass eine Mutter, deren Kind kurz vor Reisebeginn an einem fieberhaften Infekt erkrankte, vom Vertrag zurücktreten durfte, ohne dass der volle Reisepreis einbehalten werden durfte. Das Gericht sprach der Mutter einen Rückzahlungsanspruch in Höhe von 75 % des Reisepreises zu, obwohl keine Reiserücktrittsversicherung abgeschlossen worden war.
Auch das AG Frankfurt a.M. (Urt. v. 16.04.2014 – 30 C 2616/13 (75)) stellte fest, dass bei attestierter, nicht vorhersehbarer Reiseunfähigkeit ein Rücktritt gerechtfertigt ist. Die Einbehaltung des vollen Preises durch den Veranstalter wurde als rechtswidrig bewertet.
Keine Pflicht zur Reiserücktrittsversicherung
Der Abschluss einer Reiserücktrittsversicherung ist rechtlich nicht verpflichtend. Das Fehlen einer solchen Versicherung darf dem Verbraucher nicht zum Nachteil gereichen, insbesondere wenn sich ein Härtefall ereignet, der außerhalb des Einflussbereichs der reisenden Person liegt. Die Veranstalter können sich nicht darauf berufen, der Reisende hätte sich gegen alle denkbaren Risiken absichern müssen. Vielmehr hat auch der Reiseveranstalter die Umstände des Einzelfalls zu berücksichtigen und gegebenenfalls kulant zu handeln.
Verstoß gegen Treu und Glauben bei starrer Ablehnung
Die pauschale Weigerung, auch nur einen Teil des Preises zu erstatten oder eine Umbuchung zu ermöglichen, stellt unter Umständen einen Verstoß gegen § 242 BGB (Grundsatz von Treu und Glauben) dar. Die Berufung auf starre Stornoregeln in Fällen existenzieller Notlagen – etwa bei sozial schwachen Alleinerziehenden – kann sittenwidrig sein, insbesondere wenn der Reiseveranstalter keine konkreten Aufwendungen belegt oder nachweist, dass ihm überhaupt ein Schaden in entsprechender Höhe entstanden ist. Das Landgericht Düsseldorf hat mit Urteil vom 11.10.2018 (22 S 217/17) betont, dass starre Klauseln, die keine individuelle Betrachtung zulassen, gegen das AGB-Recht verstoßen können.
Soziale Härte und Schutz der Familie
Der Gesetzgeber hat dem Schutz der Familie und insbesondere der minderjährigen Kinder in Art. 6 Abs. 1 GG einen hohen verfassungsrechtlichen Rang eingeräumt. Auch bei der zivilrechtlichen Auslegung von Vertragsverhältnissen sind diese grundrechtlichen Wertentscheidungen zu berücksichtigen. Die völlige Nichtberücksichtigung der dramatischen familiären Umstände sowie der existenziellen Belastung der Mutter läuft diesem Grundgedanken zuwider. Gerade bei wirtschaftlich benachteiligten Familien ist es erforderlich, Billigkeitsgesichtspunkte in die Vertragsauslegung einzubeziehen.
Zusammenfassung und anwaltliche Bewertung
Die Erkrankung eines minderjährigen Kindes, die eine Reise objektiv unmöglich macht, stellt einen gewichtigen Rücktrittsgrund dar, der nicht mit pauschalen Stornoklauseln abgetan werden darf. Der Reiseveranstalter ist verpflichtet, seine ersparten Aufwendungen zu benennen und eine etwaige anderweitige Verwendung der Leistungen darzulegen. Andernfalls kann eine vollständige Einbehaltung des Reisepreises nicht rechtlich begründet werden.
Die Mutter sollte daher umgehend, unter Beifügung des ärztlichen Attests und einer sozialen Härtefallbegründung, auf eine kulante Lösung drängen. Gleichzeitig ist eine anwaltliche Geltendmachung des Rückzahlungsanspruchs oder – je nach Fall – eine Klageerhebung vor dem zuständigen Amtsgericht mit Berufung auf die oben genannten Entscheidungen erfolgversprechend.
Mit freundlichen Grüßen
Dr. Dr. Iranbomy
Rechtsanwalt
www.iranboy.com
iranbomy@yahoo.com