Urkunden bestimmen unseren Alltag: Verträge, Ausweise, Zeugnisse, Führerscheine, Bescheinigungen – sie sind Grundlagen des Rechtsverkehrs. Eine Manipulation an solchen Dokumenten gilt als schwerer Angriff auf das Vertrauen in die Rechtssicherheit. Deshalb stellt das Strafgesetzbuch (StGB) die Urkundenfälschung in § 267 StGB unter Strafe. Doch wann liegt überhaupt eine Urkundenfälschung vor? Welche Strafen drohen? Und wie kann man sich verteidigen, wenn der Vorwurf im Raum steht? Dieser umfassende Rechtstipp klärt auf.
Gesetzliche Grundlage: § 267 StGB
Der Wortlaut des § 267 StGB
Absatz 1:
„Wer zur Täuschung im Rechtsverkehr eine unechte Urkunde herstellt, eine echte Urkunde verfälscht oder eine unechte oder verfälschte Urkunde gebraucht, wird mit Freiheitsstrafe bis zu fünf Jahren oder mit Geldstrafe bestraft.“
Absatz 2:
„Der Versuch ist strafbar.“
Absatz 3:
„In besonders schweren Fällen ist die Strafe Freiheitsstrafe von sechs Monaten bis zu zehn Jahren. Ein besonders schwerer Fall liegt in der Regel vor, wenn der Täter
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gewerbsmäßig oder als Mitglied einer Bande handelt, die sich zur fortgesetzten Begehung von Betrug oder Urkundenfälschung verbunden hat,
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einen Vermögensverlust großen Ausmaßes herbeiführt,
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durch eine große Zahl von unechten oder verfälschten Urkunden die Sicherheit des Rechtsverkehrs erheblich gefährdet oder
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seine Befugnisse oder seine Stellung als Amtsträger oder Europäischer Amtsträger missbraucht.“
Absatz 4:
„Mit Freiheitsstrafe von einem Jahr bis zu zehn Jahren, in minder schweren Fällen mit Freiheitsstrafe von sechs Monaten bis zu fünf Jahren wird bestraft, wer die Urkundenfälschung als Mitglied einer Bande, die sich zur fortgesetzten Begehung von Straftaten nach den §§ 263 bis 264 oder 267 bis 269 verbunden hat, gewerbsmäßig begeht.“
Was ist eine Urkunde im strafrechtlichen Sinn?
Die Definition der Urkunde ist zentral für das Verständnis des § 267 StGB. Eine Urkunde im Sinne des Strafrechts ist jede:
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verkörperte Gedankenerklärung,
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die zum Beweis im Rechtsverkehr bestimmt und geeignet ist,
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und einen Aussteller erkennen lässt.
Beispiele:
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Personalausweis, Reisepass
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Führerschein
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Arbeitszeugnis
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Vertrag in Papierform
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Quittung oder Bescheinigung
Wichtig: Elektronische Dateien wie E-Mails, PDFs oder digitale Scans sind keine Urkunden, weil ihnen die Verkörperung fehlt.
Welche Taten erfüllt § 267 StGB?
Der Tatbestand erfasst drei Fallgruppen:
1. Herstellen einer unechten Urkunde
Dies ist der Fall, wenn eine Urkunde erstellt wird, die nicht von demjenigen stammt, der als Aussteller erkennbar ist. Beispiel: Jemand erstellt ein Arbeitszeugnis und unterschreibt es im Namen eines fremden Arbeitgebers.
2. Verfälschen einer echten Urkunde
Hier wird eine existierende Urkunde unbefugt inhaltlich verändert. Beispiel: Ändern eines Datums in einem Vertrag oder Attest.
3. Gebrauch einer unechten oder verfälschten Urkunde
Dies bedeutet, die gefälschte Urkunde im Rechtsverkehr einzusetzen, z. B. einem Amt oder Gericht vorzulegen.
Welche Strafen drohen bei Urkundenfälschung?
Grundtatbestand
Besonders schwerer Fall
Ein besonders schwerer Fall liegt in der Regel vor, wenn:
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gewerbsmäßig oder bandenmäßig gehandelt wird
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ein großer Vermögensverlust herbeigeführt wird
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viele gefälschte Urkunden die Sicherheit des Rechtsverkehrs gefährden
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der Täter als Amtsträger seine Stellung missbraucht
Bande + Gewerbsmäßigkeit
Der Versuch ist strafbar
Auch der Versuch einer Urkundenfälschung reicht für die Strafbarkeit aus. Beispiel: Jemand wird bei der Übergabe des gefälschten Dokuments an die Behörde abgefangen.
Beispiele aus der Praxis
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Vorlage eines gefälschten Führerscheins bei einer Polizeikontrolle
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Benutzung eines gefälschten Abiturzeugnisses bei der Bewerbung um einen Studienplatz
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Verwendung eines manipulierten Impfpasses
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Vorlage eines gefälschten Mietvertrages zur Vorlage bei der Ausländerbehörde
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Veränderung des Ausstellungsdatums einer Quittung
Urkundenfälschung im Migrationsrecht
Gerade im Ausländerrecht spielt der Vorwurf der Urkundenfälschung oft eine Rolle. Beispiele:
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Falsche Angaben in Visa- oder Aufenthaltstitelanträgen
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Gefälschte Arbeitsverträge zur Erlangung eines Aufenthaltstitels
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Verfälschte Meldebescheinigungen oder Schulbescheinigungen
Hier drohen neben einer strafrechtlichen Verurteilung auch aufenthaltsrechtliche Folgen, z. B.:
Verteidigung bei Urkundenfälschung
Prüfungsfragen eines Verteidigers
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War die Urkunde unecht oder verfälscht?
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Gab es einen Vorsatz zur Täuschung?
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Wurde die Urkunde tatsächlich gebraucht?
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Gab es einen Verbotsirrtum?
Mögliche Verteidigungsstrategien
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Nachweis, dass die Urkunde echt oder nicht verfälscht war
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Fehlen des Vorsatzes (z. B. der Mandant wusste nicht, dass das Dokument unecht ist)
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Keine Täuschungshandlung im Rechtsverkehr
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Geringfügigkeit der Manipulation (z. B. ohne Relevanz für den Rechtsverkehr)
Abgrenzung zu anderen Delikten
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§ 269 StGB: Fälschung beweiserheblicher Daten
Erfasst digitale Daten wie PDFs, E-Mails oder digitale Zertifikate. -
§ 303a StGB: Datenveränderung
Greift bei Manipulation von gespeicherten Daten, wenn keine Urkunde vorliegt.
Sonderfall: Digitale Dokumente
Zählt das Fälschen von E-Mails oder PDFs als Urkundenfälschung?
Nein – digitale Dateien sind keine Urkunden im Sinne von § 267 StGB.
Aber: Es droht Strafbarkeit nach § 269 StGB oder § 303a StGB.
Strafen in der Praxis
Die Höhe der Strafe hängt ab von:
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dem Ausmaß des Schadens
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dem Ausmaß der Gefährdung des Rechtsverkehrs
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der Zahl der gefälschten Urkunden
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Vorstrafen des Täters
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ob bandenmäßig oder gewerbsmäßig gehandelt wurde
Häufige Fehler und Missverständnisse
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„Eine kleine Änderung fällt doch nicht auf – das ist nicht strafbar.“ Falsch. Auch kleinste Manipulationen sind strafbar.
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„Digitale Fälschungen sind erlaubt, weil es keine Urkunden sind.“ Falsch. Sie fallen unter andere Strafvorschriften.
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„Wenn ich die Urkunde nicht benutze, passiert nichts.“ Falsch. Der Versuch ist strafbar.
Tipps bei Anzeige oder Vorladung
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Keine Angaben bei Polizei oder Staatsanwaltschaft machen ohne Verteidiger!
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Alle Unterlagen sichern und dem Anwalt übergeben.
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Ruhe bewahren – häufig lassen sich die Vorwürfe entschärfen.