„Ich habe mich in Hamburg beworben – muss ich jetzt wirklich nach München klagen?“
So oder so ähnlich könnte der Gedanke eines Bewerbers ausgesehen haben, der sich bei einem Unternehmen in Hamburg beworben hatte – und sich dort diskriminiert fühlte. Doch das Arbeitsgericht Hamburg erklärte sich für unzuständig und verwies den Fall nach München. Wie kann das sein?
Der Fall vor dem Arbeitsgericht Hamburg (Az. 4 Ca 151/25)
Ein Bewerber fühlte sich im Auswahlverfahren um eine ausgeschriebene Stelle wegen seiner ethnischen Herkunft benachteiligt. Er erhob daraufhin Klage auf Entschädigung gemäß § 15 Abs. 2 Allgemeines Gleichbehandlungsgesetz (AGG). Die ausgeschriebene Stelle sollte in Hamburg angesiedelt sein – die beklagte Firma hatte ihren Hauptsitz jedoch in München.
Das Arbeitsgericht Hamburg wies die Klage nicht etwa inhaltlich ab, sondern stellte klar: Wir sind gar nicht zuständig.Der Fall wurde an das Arbeitsgericht München verwiesen.
Warum?
Das Gericht erklärte, dass der Gerichtsstand des „gewöhnlichen Arbeitsortes“ nach § 48 Abs. 1a Arbeitsgerichtsgesetz (ArbGG) nur dann greift, wenn bereits ein Arbeitsverhältnis besteht oder bestanden hat. Im Bewerbungsverfahren – also noch vor Vertragsschluss – gilt diese Regel nicht.
Was sagt das Gesetz – und was bedeutet das für Bewerber*innen?
Nach § 48 Abs. 1a ArbGG kann ein Arbeitnehmer grundsätzlich auch am Ort seiner Tätigkeit klagen. Aber: Diese Regelung setzt ein bestehendes oder ehemaliges Arbeitsverhältnis voraus.
Im entschiedenen Fall war jedoch kein Arbeitsverhältnis zustande gekommen – es ging um ein reines Bewerbungsverfahren. Hier gelten andere Grundsätze. Entscheidend ist dann der Sitz des Unternehmens (§ 12, § 17 ZPO) – in diesem Fall also München.
Das Gericht betonte außerdem: Es besteht weder eine Gesetzeslücke noch eine vergleichbare Interessenlage, die eine analoge Anwendung rechtfertigen würde.
Was können Arbeitnehmerinnen – und Bewerberinnen – daraus lernen?
❌ Häufiger Fehler:
Viele gehen davon aus, dass der Ort der ausgeschriebenen Stelle automatisch auch für Klagen wegen Diskriminierung zuständig sei. Das ist nicht der Fall, wenn es nur um eine Bewerbung geht und kein Arbeitsverhältnis zustande kam.
✅ Besser machen:
Wer eine Entschädigung nach dem AGG geltend machen will, sollte:
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Zuständiges Arbeitsgericht prüfen – meist ist das Gericht am Unternehmenssitz zuständig.
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Fristen beachten – der Anspruch nach § 15 Abs. 4 AGG muss binnen zwei Monaten nach Kenntnis der Benachteiligung geltend gemacht werden.
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Nachweise sammeln – Diskriminierung ist schwer zu beweisen. Je konkreter der Bewerbungsprozess dokumentiert ist, desto besser.
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Beratung einholen – insbesondere in AGG-Fällen empfiehlt sich frühzeitiger juristischer Rat, um formale Fehler zu vermeiden.
Fazit: Zuständigkeit ist mehr als eine Formalie
Auch wenn sich Bewerber*innen im Recht fühlen – der richtige Gerichtsstand ist entscheidend, damit die Klage nicht scheitert. Das Arbeitsgericht Hamburg hat mit seinem Beschluss vom 23.04.2025 (Az. 4 Ca 151/25) klar gemacht: Der Arbeitsort zählt nur, wenn auch wirklich gearbeitet wurde.
Wer eine Diskriminierung im Bewerbungsverfahren geltend machen will, sollte sich daher frühzeitig über die örtliche Zuständigkeit informieren – und im Zweifel nicht zögern, professionelle Hilfe in Anspruch zu nehmen.