Der Bundesgerichtshof (BGH) hat mit Urteil vom 20. Mai 2025 (Az. XI ZR 22/24) eine häufig verwendete Klausel der Sparkassen für unwirksam erklärt. Es geht um nichts weniger als die rechtliche Grundlage für die Berechnung von Vorfälligkeitsentschädigungen – also jenen Beträgen, die Kundinnen und Kunden bei der vorzeitigen Ablösung ihres Immobiliendarlehens an die Bank zahlen müssen. Viele Sparkassen haben diese Entschädigung in den vergangenen Jahren routinemäßig verlangt – häufig in vier- bis fünfstelliger Höhe. Nach Ansicht des BGH geschah dies jedoch auf Grundlage einer Vertragsklausel, die den gesetzlichen Anforderungen an Transparenz nicht genügt.
Welche Klausel ist fehlerhaft?
Die beanstandete Passage findet sich in vielen Immobiliendarlehensverträgen unter der Ziffer 10.2. Dort heißt es, die Berechnung der Vorfälligkeitsentschädigung erfolge nach den „gesetzlichen Vorgaben und der höchstrichterlichen Rechtsprechung“. Als Methode wird die sogenannte „Aktiv/Passiv-Methode“ genannt. Die Sparkasse gibt an, dass sie bei der Berechnung unterstellt, die vorzeitig zurückgezahlten Beträge in sichere Kapitalmarktanlagen, wie etwa Pfandbriefe, zu investieren. Was nach Transparenz klingt, entpuppte sich aus Sicht des BGH jedoch als juristische Nebelkerze.
Denn die Klausel lässt wesentliche Informationen aus: Weder wird erläutert, wie genau die Differenz zwischen dem vertraglich vereinbarten Zinssatz und dem Wiederanlagezins berechnet wird, noch welche konkreten Werte zugrunde gelegt werden. Auch der Umgang mit möglichen Sondertilgungsrechten, mit Verwaltungskosten oder mit dem vereinbarten Rückzahlungsplan bleibt offen. Das Ergebnis: Der Kunde versteht nicht, wie die oft mehrere tausend Euro umfassende Entschädigung zustande kommt. Damit ist die Klausel nicht nur missverständlich – sie verstößt gegen gesetzliche Aufklärungspflichten und ist nach Ansicht des höchsten deutschen Zivilgerichts schlicht unwirksam.
Wer ist betroffen?
Die Entscheidung betrifft nicht nur den konkreten Kläger. Vielmehr ist davon auszugehen, dass zahlreiche Sparkassen – und womöglich auch Landesbausparkassen oder andere Institute – diese oder eine nahezu wortgleiche Klausel verwendet haben. Besonders relevant ist das für Verbraucherinnen und Verbraucher, die zwischen 2016 und Ende 2019 einen Immobilienkredit abgeschlossen und diesen vorzeitig zurückgezahlt haben. Wer damals eine Vorfälligkeitsentschädigung gezahlt hat, sollte jetzt seine Unterlagen prüfen. Wurde eine Klausel wie die oben zitierte verwendet, bestehen gute Chancen auf Rückzahlung.
Was bedeutet das für die Praxis?
Das Urteil hat eine doppelte Bedeutung. Zum einen zeigt es, dass viele Banken über Jahre hinweg mit rechtlich unzureichenden Informationen gearbeitet haben – mit direkten finanziellen Folgen für ihre Kunden. Zum anderen macht es deutlich, dass Betroffene nicht machtlos sind: Sie können sich gegen unzulässige Klauseln wehren – selbst Jahre nach der Zahlung. Allerdings ist Eile geboten. Rückforderungsansprüche unterliegen der regelmäßigen dreijährigen Verjährung. Wer also im Jahr 2022 eine Entschädigung gezahlt hat, muss seinen Anspruch spätestens bis Ende 2025 geltend machen. Danach könnte er verfallen.
Wie sollten Verbraucher jetzt vorgehen?
Wer betroffen ist – oder vermutet, betroffen zu sein –, sollte nicht zögern. Im ersten Schritt empfiehlt es sich, den eigenen Kreditvertrag zu sichten. Enthält er unter Ziffer 10.2 eine Klausel zur Berechnung der Vorfälligkeitsentschädigung, die auf die Aktiv/Passiv-Methode verweist, sollte diese von einem fachkundigen Anwalt oder einer auf Bankrecht spezialisierten Stelle überprüft werden. Wer bereits gezahlt hat, kann einen Rückforderungsanspruch geltend machen. Wer noch keine Zahlung geleistet hat, sollte sich auf das Urteil berufen, wenn die Bank künftig eine Entschädigung verlangt.
Mit der Entscheidung XI ZR 22/24 stärkt der Bundesgerichtshof die Position der Verbraucher und setzt zugleich ein Zeichen an die Kreditwirtschaft: Klauseln, die an zentraler Stelle auf Transparenz verzichten, sind unzulässig – selbst wenn sie gängige Praxis waren. Betroffene sollten die Gelegenheit nutzen und ihr Recht geltend machen. Denn in vielen Fällen geht es nicht nur um Transparenz auf dem Papier, sondern um bares Geld.
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Sie haben zwischen 2016 und 2020 ein Immobiliendarlehen vorzeitig abgelöst und eine Vorfälligkeitsentschädigung gezahlt? Dann könnte Ihnen das BGH-Urteil bares Geld zurückbringen. Lassen Sie Ihren Vertrag jetzt überprüfen – viele Fachkanzleien bieten eine kostenlose Ersteinschätzung an. Achten Sie auf die Verjährung und sichern Sie sich rechtzeitig Ihre Ansprüche.