Angesichts der Dollar-Schwäche wächst der Hype um den Euro als möglicher Weltleitwährung. Doch in seiner aktuellen Verfassung ist er eine unvollständige Währung. Würde der Euro anders aufgestellt, könnte er nicht nur vollendet, sondern auch zur internationalen Reservewährung werden.
Noch Ende vergangenen Jahres haben Finanzjournalisten und Bankanalysten den „amerikanischen Exzeptionalismus“ hoch geschrieben. Damit versuchten sie, der außergewöhnlichen Performance des amerikanischen Aktienmarkts Gravitas zu verleihen. Seit der Anfang 2025 einsetzenden Schwäche des US-Aktienmarkts schreibt die gleiche Zunft ihn nun herunter.
Doch erscheint es verfrüht, auf den globalen Finanzmärkten das Ende der Dollar-Dominanz auszurufen. Denn trotz aller Schwächen der USA, die unter der Regierung Donald Trumps besonders auffallen, gibt es heute noch keine realistische Alternative zum US-Dollar als internationale Reservewährung. Das britische Pfund ist nur noch ein Schatten seines Selbst im 19. Jahrhundert, der japanische Yen ist die Währung eines schrumpfenden Volks, und dem chinesischen Yuan fehlt jede Rechtssicherheit.
Eine viel beschworene Alternative wäre der Euro. Doch in seiner gegenwärtigen Verfassung ist er eine unvollständige Währung. Seine Vollendung droht an der Unfähigkeit der europäischen Völker zu scheitern, durch politische Vereinigung eine Fiskal- und Bankenunion zu bilden. Doch eine politische Union ist nur dann eine unabdingbare Voraussetzung für eine Währung, wenn diese als Staatsgeld in Form von Fiat-Kreditgeld – also ohne Koppelung an physische Werte wie Gold – konzipiert ist. Würde der Euro in einer anderen Form aufgestellt, könnte er nicht nur vollendet, sondern auch zu einer internationalen Reservewährung werden.
Um sich für eine Reservewährung qualifizieren zu können, muss das Geld auf internationaler Ebene erstens als globales Transaktionsmittel akzeptiert werden, zweitens zur Wertaufbewahrung taugen und drittens als Recheneinheit dienen. Die Funktionen als Transaktionsmittel und Recheneinheit können sich jedoch nicht entwickeln, wenn die Möglichkeit der Wertaufbewahrung fehlt. Im Vergleich zum US-Dollar leidet der Euro vor allem an drei Schwächen.
Erstens hat er eine einheitliche Kreditqualität nur in Form des von der Europäischen Zentralbank (EZB) emittierten Bargelds. Die Qualität der von den Banken durch Kreditvergabe geschaffenen Einlagen hängt von der Finanzkapazität der diese Einlagen in letzter Instanz garantierenden Staaten ab. Zweitens berühren internationale Transaktionen oft den US-Dollarraum, da US-Banken als Korrespondenzbanken im Swift-Netzwerk für Überweisungen eine zentrale Rolle spielen. Drittens fehlt dem Euroraum eine sichere Anlage, in der die in Euro denominierten Transaktionsmittel geparkt werden könnten.
Die Einführung eines digitalen Euros bietet die Chance, diese Hindernisse zu beseitigen. Der digitale Euro könnte allen Nutzern als elektronisch übertragbares Zentralbankgeld zur Verfügung gestellt werden, seine Übertragung könnte unabhängig von Zahlungssystemen mit US-Bezug erfolgen und die EZB könnte eine „sichere Anlage“ emittieren.
In früheren Veröffentlichungen habe ich beschrieben, wie der digitale Euro als Vollgeld aufgestellt werden kann, das mit den auf der Bilanz der EZB liegenden Staatsanleihen gedeckt ist und abseits des von den USA abhängigen traditionellen Zahlungssystems auch international übertragen werden kann.
Wenn die EZB – wie schon manche andere Zentralbank – nun auch verzinsliche Anleihen emittieren würde – was mit ihren Statuten vereinbar ist –, könnte eine „sichere Anlage“ ohne die umstrittenen Eurobonds oder EU-Gemeinschaftsanleihen geschaffen werden. Seit dem Amtsantritt von Donald Trump ist viel von europäischer wirtschaftlicher Souveränität die Rede. Richtig aufgestellt, könnte der digitale Euro dazu einen entscheidenden Beitrag leisten.
Thomas Mayer ist Gründungsdirektor des Flossbach von Storch Research Institute