Hintergrund der Regelung
Die Durchgriffshaftung des Versicherers ist ein zentrales Konzept im deutschen Versicherungsrecht, das insbesondere dann relevant wird, wenn der Schädiger in die Insolvenz geht. In unserer Praxis ergaben sich merere Fälle, in dem Anleger durch eine falsche Beratung ihres Finanzanlagenvermittlers Ihr Geld an eine betrügerisch handelnde Gesellschaft verloren hatten. Nachdem der Berater auf Schadensersatz nach § 280 BGB vor Gericht in Anspruch genommen wurde, beantragte dieser Insolvenz , da es ihm verständlicherweise nicht möglich war diese hohen Geldanlagebeträge aus seinem Vermögen zu erstatten. Allerdings ist der Finanzanlagenvermittler nach § 34 f Gewerbeordnung verpflichtet eine Berufshaftpflichtversicherung nachzuweisen. In diesen Fällen einer gesetzlichen Verpflichtung zum Abschluss einer Haftpflichtversicherung greift § 113 Abs. 1 VVG mit der Folge, daß bei Insolvenz des Schädigers gegen diese Pflichtversicherung ein direkter Anspruch nach § 115 VVG besteht.
Diese Regelung ermöglicht es dem Geschädigten, Ansprüche direkt gegen die Haftpflichtversicherung des Schädigers geltend zu machen, ohne den Umweg über den insolventen Schuldner gehen zu müssen. Dieser Artikel beleuchtet die Rechtsgrundlagen, Voraussetzungen und praktischen Beispiele der Durchgriffshaftung im Kontext der Insolvenz.
Rechtsgrundlagen
Die Durchgriffshaftung des Versicherers ist primär in § 115 des Versicherungsvertragsgesetzes (VVG) geregelt. Dieser Paragraf erlaubt es dem Geschädigten, bei Vorliegen eines Haftpflichtversicherungsvertrags direkt vom Versicherer des Schädigers die Leistung zu verlangen. Insbesondere in Insolvenzfällen gewinnt diese Regelung an Bedeutung, da der Geschädigte sonst riskieren würde, aufgrund der Zahlungsunfähigkeit des Schädigers leer auszugehen.
Die zentrale Norm lautet:
„Der Dritte kann seinen Anspruch auf Ersatz des durch das versicherte Ereignis entstandenen Schadens auch unmittelbar gegen den Versicherer geltend machen, wenn über das Vermögen des Versicherungsnehmers das Insolvenzverfahren eröffnet oder der Eröffnungsantrag mangels Masse abgewiesen worden ist oder ein vorläufiger Insolvenzverwalter bestellt worden ist.“ (§ 115 Abs. 1 Nr.2 VVG)
Voraussetzungen der Durchgriffshaftung
Damit die Durchgriffshaftung greift, müssen folgende Voraussetzungen erfüllt sein:
Vorliegen eines Haftpflichtversicherungsvertrags: Der Schädiger muss eine gültige Haftpflichtversicherung besitzen, die den Schaden abdeckt.
Haftungsfall: Es muss ein versichertes Ereignis vorliegen, für das der Schädiger haftbar ist.
Insolvenz des Schädigers: Der Schädiger muss insolvent sein, sodass eine Durchsetzung des Anspruchs gegen ihn wirtschaftlich nicht möglich ist. Nicht ausreichend ist, dass der Schädiger nur die Insolvenz beantragt hat, vielmehr muss diese entweder eröffnet oder mangels Masse abgewiesen worden sein.
Kein Ausschluss der Deckung: Der Versicherer darf keine Einwendungen geltend machen können, die die Deckungspflicht ausschließen (z. B. vorsätzliche Schadensverursachung, wenn diese nicht versichert ist).
Beispiele aus der Praxis
Beispiel 1: Verkehrsunfall mit insolventem Unfallverursacher
Ein Autofahrer verursacht einen Verkehrsunfall, bei dem ein anderer Verkehrsteilnehmer einen Sachschaden von 10.000 Euro erleidet. Der Unfallverursacher ist insolvent, verfügt aber über eine Kfz-Haftpflichtversicherung. Der Geschädigte wendet sich direkt an die Versicherung des Unfallverursachers, die nach Prüfung des Falls den Schaden ersetzt. Ohne die Durchgriffshaftung wäre der Geschädigte auf die Insolvenzmasse des Schädigers angewiesen, was in der Regel zu einem Totalverlust des Anspruchs führen würde.
Beispiel 2: Berufshaftpflicht und insolventes Unternehmen
Ein Bauunternehmen verursacht durch fehlerhafte Arbeiten einen Schaden an einem Bauwerk, der Kosten in Höhe von 50.000 Euro verursacht. Das Unternehmen geht in Insolvenz, bevor der Geschädigte seinen Anspruch durchsetzen kann. Dank der Berufshaftpflichtversicherung des Unternehmens kann der Geschädigte seinen Anspruch direkt bei der Versicherung geltend machen, die den Schaden reguliert, sofern die Deckungsvoraussetzungen erfüllt sind.
Beispiel 3: Ausschluss der Durchgriffshaftung bei Vorsatz
Ein Geschäftsinhaber verursacht vorsätzlich einen Schaden, indem er Waren eines Konkurrenten zerstört. Die Haftpflichtversicherung des Schädigers deckt jedoch keine vorsätzlichen Schäden. Selbst bei Insolvenz des Schädigers kann der Geschädigte hier die Durchgriffshaftung nicht nutzen, da der Versicherer aufgrund der Vorsatzklausel nicht leistungspflichtig ist.
Grenzen der Durchgriffshaftung
Die Durchgriffshaftung ist nicht uneingeschränkt. Versicherer können sich auf Deckungsausschlüsse berufen, etwa bei:
-
Vorsätzlich verursachten Schäden, sofern diese nicht versichert sind.
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Schäden, die außerhalb des versicherten Risikos liegen.
Zudem ist die Durchgriffshaftung auf die Deckungssumme der Versicherung begrenzt. Liegt der Schaden über dieser Summe, bleibt der Geschädigte auf den übersteigenden Betrag ohne Anspruch.
Fazit
Die Durchgriffshaftung des Versicherers gemäß § 115 VVG ist ein essenzieller Schutzmechanismus für Geschädigte, insbesondere im Falle der Insolvenz des Schädigers. Sie stellt sicher, dass Ansprüche nicht an der Zahlungsunfähigkeit des Schuldners scheitern, sondern direkt gegenüber dem Versicherer geltend gemacht werden können. Dennoch sind die Voraussetzungen und Grenzen der Durchgriffshaftung genau zu prüfen, um eine erfolgreiche Durchsetzung des Anspruchs zu gewährleisten. Die Praxis zeigt, dass die Regelung insbesondere im Kfz- und Berufshaftpflichtbereich von großer Bedeutung ist.
Gerne sind wir bereit Sie im Rahmen einer kostenlosen Ersteinschätzung zu beraten.