Ich schreibe über einen Fall aus dem Bereich der gesetzlichen Unfallversicherung, die im SGB VII geregelt ist. Es geht um die Entscheidung des Bundessozialgerichts, das Urteil vom 22.06.2023 zum Aktenzeichen B 2 U 11/20 R.
In diesem Verfahren hat das Bundessozialgericht erstmalig die posttraumatische Belastungsstörung (PTBS) als sog. „Wie- Berufskrankheit“ für die Berufsgruppe der Rettungssanitäter anerkannt. Im Leitsatz hat das Gericht festgehalten: „ Die PTBS ist eine Krankheit, die wegen der besonderen Einwirkungen, denen Rettungssanitäter ausgesetzt sind, die allgemeinen Voraussetzungen für die Anerkennung als Wie-Berufskrankheit bei dieser Personengruppe erfüllt.“ Der Kläger war damit erfolgreich gegen das Urteil des Landessozialgerichts Baden-Württemberg vom 13.12.2019 mit der Revision vorgegangen, denn das Bundessozialgericht hat das Urteil aufgehoben und die Sache zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an dieses Gericht zurückverwiesen. Das LSG ist der Rechtsprechung des BSG gefolgt. Rechtsgrundlage für die Anerkennung einer Berufskrankheit ist § 9 SGB VII. Das Besondere ist die Feststellung einer sog. Wie-Berufskrankheit im Sinne des § 9 Abs. 2 SGB VII. Es betrifft Krankheiten, die noch nicht im Sinne des § 9 Abs. 1 SGB VII durch die Bundesregierung mit Zustimmung des Bundesrates durch Rechtsverordnung als Berufskrankheit bezeichnet sind. In der Anlage 1 der Berufskrankheiten-Verordnung (BKV) sind alle anerkannten Berufskrankheiten aufgeführt, die Versicherte infolge einer den Versicherungsschutz nach §§ 2 und 3 SGB VII begründenden Tätigkeit erleiden. „§ 9 Abs. 2 SGB VII stellt jedoch keinen Auffangtatbestand und keine allgemeine Härtefallregelung dar, um im Einzelfall individuelle Härtelagen auszugleichen (BSG Urteil v. 23.06.1977-2 RU 53/76)“. Diesen Grundsatz hält das BSG auch in der aktuellen Entscheidung ein, indem ausdrücklich festgestellt wird, dass die Anerkennung einer Wie-Berufskrankheit voraussetzt, dass neben der Voraussetzung der schädigenden Einwirkungen aufgrund der versicherten Tätigkeit, der Erkrankung und der haftungsbegründenden Kausalität im Einzelfall auch die allgemeinen Voraussetzungen nach § ) Abs. 1 Satz 2 SGB VII vorliegen müssen. Es muss die naturwissenschaftliche/naturphilosophische Kausalitätsprüfung erfolgen. Es soll jedoch nicht mehr ohne Ausnahme an der früheren Rechtsprechung festgehalten werden, die für die Anerkennung einer Wie-Berufskrankheit eine erhöhte Prävalenz fordert, sondern dem Wortlaut des § 9 Abs. 2 SGB VII folgend nicht auf die Häufung einer Erkrankung innerhalb einer bestimmten Personengruppe abstellt, sondern auf einen erhöhten Einwirkungsgrad. Die aktuellen wissenschaftlichen Erkenntnisse können sich aus dem ICD und DSM ergeben oder aus den Leitlinien der Arbeitsgemeinschaft der wissenschaftlich-medizinischen Fachgesellschaften. Es entspricht dem aktuellen Erkenntnisstand, dass eine PTBS generell durch mehrere Ereignisse ausgelöst werden kann, auch die Beobachtung traumatischer Ereignisse an anderen Personen. Einer bestimmten „Dosis“ an Einwirkungen bedarf es nach den Diagnosekriterien nicht. Bei einem einmaligen Ereignis mit geeigneter Schwere, kann eine PTBS ausgelöst werden. Hier muss dann aber geprüft werden, ob ein Arbeitsunfall nach § 8 SGB VII vorliegt und die PTBS Unfallfolge ist.