„Ich habe doch nie eine Kündigung bekommen!“ – Doch der Arbeitgeber behauptet das Gegenteil…
Stellen Sie sich vor: Sie arbeiten ganz normal weiter – und plötzlich behauptet Ihr Arbeitgeber, er habe Ihnen längst eine Kündigung geschickt. Nur: Bei Ihnen ist nie etwas angekommen. Wer hat nun Recht? Und reicht es wirklich aus, wenn der Arbeitgeber einfach sagt: „Ich habe das als Einwurf-Einschreiben verschickt“?
Genau um diese Frage ging es in einem aktuellen Urteil des Bundesarbeitsgerichts (BAG, Urt. v. 30.01.2025 – 2 AZR 68/24).
Der Fall: Kündigung angeblich verschickt – aber nicht angekommen
Eine Arbeitnehmerin hatte sich erfolgreich gegen eine frühere Kündigung gewehrt. Im Verfahren behauptete der Arbeitgeber dann, er habe ihr doch bereits im Juli 2022 erneut gekündigt – per Einwurf-Einschreiben. Die Mitarbeiterinnen hätten das Schreiben vorbereitet und zur Post gebracht. Als Beweis legte die Arbeitgeberin den Einlieferungsbeleg sowie einen Online-Sendungsverlauf vor.
Problem: Der sogenannte „Auslieferungsbeleg“ – also der Nachweis darüber, dass und wie genau der Brief beim Empfänger eingeworfen wurde – fehlte. Die Frist zur Anforderung war abgelaufen. Die Arbeitnehmerin bestritt, jemals eine Kündigung erhalten zu haben.
Das Arbeitsgericht glaubte dem Arbeitgeber – das Landesarbeitsgericht und später das Bundesarbeitsgericht aber gaben der Arbeitnehmerin Recht.
Die Entscheidung: Kein Zugang – kein Ende des Arbeitsverhältnisses
Das BAG stellte klar: Nur mit einem Einlieferungsbeleg und dem Online-Sendungsverlauf ist der Zugang einer Kündigung nicht bewiesen. Es reicht nicht aus, einfach zu sagen: „Das wurde so verschickt.“ Und es gibt keinen Anscheinsbeweis dafür, dass ein Einwurf-Einschreiben auch wirklich im Briefkasten des Empfängers gelandet ist – zumindest nicht ohne den Auslieferungsbeleg.
Heißt konkret: Die Arbeitgeberin konnte nicht nachweisen, dass die Kündigung der Arbeitnehmerin tatsächlich zugegangen war. Damit gilt: Die Kündigung ist rechtlich nicht erfolgt – das Arbeitsverhältnis besteht weiter.
Was sagt das Gesetz dazu? – Ein kurzer Überblick
Im Arbeitsrecht ist entscheidend: Eine Kündigung wird erst dann wirksam, wenn sie dem Arbeitnehmer zugeht (§ 130 Abs. 1 Satz 1 BGB). Und diesen Zugang muss der Arbeitgeber beweisen können.
Ein einfacher Beleg, dass ein Schreiben zur Post gebracht wurde, reicht nicht. Auch ein Einwurf-Einschreiben belegt nur, dass etwas verschickt wurde – nicht, was und ob es beim Empfänger angekommen ist.
Der sogenannte Anscheinsbeweis – also die Annahme, dass das Übliche auch im konkreten Fall so passiert ist – gilt hier nicht, wenn der Arbeitgeber keine zusätzlichen Nachweise wie den Auslieferungsbeleg oder Zeugen hat.
Was können Arbeitnehmer daraus lernen? – Fehler erkennen und vermeiden
In diesem Fall hat die Arbeitnehmerin alles richtig gemacht: Sie hat klar bestritten, jemals eine Kündigung erhalten zu haben – und sich nicht verunsichern lassen.
Typischer Fehler von Arbeitnehmern: Manche glauben, sie könnten „vorsichtshalber mal nicht widersprechen“, oder denken, ein Einwurf-Einschreiben sei ein unumstößlicher Beweis. Falsch!
Wichtige Tipps für Arbeitnehmer:
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Kündigung angeblich erhalten, aber nie gesehen? → Sofort schriftlich widersprechen und zum Anwalt!
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Nie einfach schweigen, wenn der Arbeitgeber behauptet, eine Kündigung zugestellt zu haben.
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Fristen beachten: Bei echten Kündigungen läuft die Frist für eine Kündigungsschutzklage innerhalb von 3 Wochen (§ 4 KSchG).
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Postzustellungen gut dokumentieren: Heben Sie Briefumschläge auf, notieren Sie Zustelldaten oder Zeugen – auch das kann im Zweifel helfen.
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Kündigung per Einwurf-Einschreiben? → Bleiben Sie kritisch. Das ist kein sicherer Nachweis für den Zugang.
Fazit: Kein Zugang – keine Wirkung
Das Urteil des BAG (30.01.2025 – 2 AZR 68/24) stärkt die Rechte von Arbeitnehmern: Wer keine Kündigung bekommt, muss sich auch nicht so behandeln lassen, als ob sie erfolgt wäre – selbst wenn der Arbeitgeber das behauptet.
Merke: Eine Kündigung muss nachweislich zugehen. Wenn dieser Nachweis fehlt, bleibt das Arbeitsverhältnis bestehen – und Sie können sich wehren.
Tipp: Lassen Sie sich bei jeder vermeintlichen Kündigung rechtlich beraten – insbesondere dann, wenn der Zugang unklar ist. Ihre Rechte verdienen Schutz!