Ein deutscher Fischerverband wehrt sich gegen Fangverbote, die die EU-Kommission für die Nordsee beschlossen hat. Das Gericht der EU wies ihre Klage nun ab. Umweltschützer sind erfreut.
2022 hatte die EU-Kommission – auf Vorschlag von Deutschland und der Niederlande – den Fischfang in einigen Schutzgebieten in der Nordsee verboten. Dirk Sander, ehemaliger Fischer aus Ostfriesland, kann das nicht nachvollziehen. „Die Nordsee ist so groß – dass die Fische da hinschwimmen, wo die Umweltschützer nun gerade ein Gebiet eingerichtet haben, damit ist nicht zu rechnen. Die Fische haben ihren eigenen Kopf.“
EU-Verordnung auf Vorschlag Deutschlands
Dirk Sander ist heute 75 Jahre alt. Er war insgesamt 45 Jahre lang Fischer. Mit seinem kleinen Fischerboot hat er 45 Jahre lang Krabben, Schollen und Seezungen gefangen. Mit der Fischerei hat er seinen Lebensunterhalt bestritten. Mittlerweile ist er in Rente. Sein Sohn und sein Enkel sind in seine Fußstapfen getreten. Auch sie leben von ihrem Beruf als Fischer.
Ob das auch in Zukunft noch möglich sein wird, ist allerdings unklar: Von den Fangverboten betroffen sind die Gebiete Sylter Außenriff, Borkum-Riffgrund, Doggerbank, östliche Deutsche Bucht sowie Klaverbank, Friese Front und Centrale Oestergronden. Die Begründung für die Schutzmaßnahmen: Es handele sich um Naturschutzgebiete. Der Fang von Krabben und Fischen, zum Beispiel mit Schleppnetzen, würde den Meeresboden zu stark beschädigen. Dadurch würde der Lebensraum der Meeresbewohner gefährdet.
Gehen die Fangverbote zu weit?
Sander und der Verband der Deutschen Kutter- und Küstenfischer e.V. (VdK), dessen Präsident er ist, kritisieren die Fangverbote. Die Gebiete, in denen die EU-Kommission das Fischen verboten hat, seien viel zu weitläufig. Die Verordnung sei deshalb unverhältnismäßig. Es hätte ausgereicht, kleinere Gebiete festzulegen. Deshalb haben Sander und sein Verband die EU-Kommission verklagt. Dafür haben die 200 Fischereibetriebe, die Mitglieder im Verband sind, extra Geld zusammengelegt: „Jeder Kutter musste bezahlen“, erzählt Sander.
Das Geldsparen hat sich aber erst einmal nicht gelohnt. Denn das EU-Gericht erster Instanz hat die Klage des Fischer-Verbandes abgewiesen. Die EU-Kommission habe beim Fangverbot ein weites Ermessen. Der Verband habe nicht nachweisen können, dass die Kommission dieses Ermessen überschritten habe, so das Gericht. Für die Behauptung, es hätte für den Schutz der Gebiete auch ausgereicht, ein weniger umfangreiches Fangverbot zu erlassen, hätte der Fischer-Verband keine wissenschaftlichen Nachweise gebracht.
Kommission berief sich auf Ausschuss
Die Kommission hatte sich für die Festlegung der Gebiete auf einen Bericht des wissenschaftlichen, technischen und wirtschaftlichen Fischereiausschusses (STECF) gestützt. Dieser hatte der Kommission empfohlen, die Schutzgebiete weitläufig zu fassen – aufgrund möglicher Verbindungen zwischen den einzelnen Schutzgebieten und damit einhergehenden Wechselwirkungen der Biotope. Nur so könne das gesamte Ökosystem ausreichend geschützt werden. Genau darauf hatte sich die Kommission in ihren Erwägungen gestützt. Dieses Vorgehen hat das Europäische Gericht nicht beanstandet. Auch mit seinen anderen Argumenten gegen das Verbot ist der Fischer-Verband beim Europäischen Gericht nicht durchgedrungen.
Für Dirk Sander ist das Urteil eine große Enttäuschung. Er macht sich Sorgen um die Zukunft seines Sohns und seines Enkels. „Im Moment fischen sie hier vor der Küste, da tut das noch nicht so weh. Aber wir wissen ja nicht, wo sie die nächsten Jahre fischen müssen, vielleicht etwas weiter von der Küste weg, vielleicht in diesen Gebieten, die jetzt geschlossen werden. Das ganze System verändert sich da draußen.“
Naturschützer zeigen sich erfreut
Naturschützer zeigten sich dagegen erfreut über das Urteil. Der Naturschutzverband BUND sieht darin ein wichtiges Zeichen für den Schutz des Meeres in Europa. Aber: Für die Naturschützer gehen die Fangverbote noch nicht weit genug – sie fordern ein vollständiges Verbot der Schleppnetzfischerei in allen Schutzgebieten.
Das Urteil des EuG ist noch nicht rechtskräftig. Dirk Sander und sein Verband können gegen das Urteil des Europäischen Gerichts noch Rechtsmittel beim Europäischen Gerichtshof (EuGH) einlegen.