Ausschüttungen an Gesellschafter sind in vielen Unternehmen Routine – doch wer dabei die Bilanz aus den Augen verliert, riskiert schnell mehr als nur eine Rückzahlung.
Die sogenannte Unterbilanzhaftung trifft Geschäftsführer und Gesellschafter dort, wo es weh tut: persönlich.
Denn sobald das Stammkapital der GmbH angetastet wird, drohen rechtliche Konsequenzen – bis hin zur Insolvenzhaftung.
Dieser Beitrag zeigt, wann die Unterbilanzhaftung greift, wie sie sich vermeiden lässt und welche Fallstricke in der Praxis besonders häufig übersehen werden.
Rechtsgrundlagen der Unterbilanzhaftung
Die Unterbilanzhaftung basiert auf den Kapitalerhaltungsvorschriften des GmbH- und Aktienrechts.
Ihr Ziel ist klar: Das Stamm- bzw. Grundkapital der Gesellschaft soll dauerhaft zur Verfügung stehen und nicht – bewusst oder versehentlich – an die Gesellschafter zurückfließen.
Denn dieses Kapital dient als zentrale Haftungsmasse gegenüber Gläubigern.
§§ 30, 31 GmbHG – Rückzahlungsverbot bei der GmbH
Nach § 30 GmbHG dürfen an Gesellschafter keine Zahlungen geleistet werden, wenn dadurch das Stammkapital der Gesellschaft angegriffen wird.
Ausschüttungen, Darlehen oder sonstige Vermögensverschiebungen, die zu einer sogenannten Unterbilanz führen, sind unzulässig.
Wird dagegen verstoßen, greift § 31 GmbHG: Der Gesellschafter muss den Betrag zurückzahlen – und die Geschäftsführung haftet persönlich, wenn sie die Zahlung veranlasst oder nicht verhindert hat.
§ 62 AktG – Kapitalerhaltung bei der AG
Bei Aktiengesellschaften regelt § 62 AktG das Rückzahlungsverbot. Auch hier gilt: Leistungen an Aktionäre sind nur zulässig, wenn sie aus einem frei verfügbaren Gewinnanteil stammen.
Zahlungen, die das Grundkapital der AG schmälern, sind unzulässig und können ebenfalls Rückzahlungs- und Haftungsansprüche auslösen.
Warum die Kapitalerhaltungsvorschriften so ernst zu nehmen sind
In der Praxis wird oft übersehen, dass selbst scheinbar harmlose Vorgänge – wie verdeckte Gewinnausschüttungen, überhöhte Geschäftsführergehälter oder Gesellschafterdarlehen ohne klare Rückzahlungsmodalitäten – eine Unterbilanz auslösen können.
Die Folge: Geschäftsführer haften unter Umständen mit ihrem Privatvermögen – unabhängig von Verschulden oder guter Absicht. Gerade in Krisenzeiten ist daher besondere Vorsicht geboten.
Typische Fälle der Unterbilanzhaftung
Unterbilanzhaftung entsteht meist nicht durch grobe Pflichtverletzungen, sondern durch typische Fehler im Alltag von GmbH und AG. Die folgenden Konstellationen sind besonders haftungsträchtig:
Rückzahlung verdeckter Einlagen
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Verdeckte Einlagen entstehen, wenn ein Gesellschafter der Gesellschaft Vermögenswerte zuführt, die nicht als formale Einlage verbucht werden (z. B. zinslose Darlehen, unentgeltliche Leistungen).
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Erfolgt später eine Rückzahlung – etwa als „Darlehensrückführung“ – ohne ausreichendes freies Eigenkapital, entsteht eine Unterbilanz.
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Solche Rückzahlungen können:
- gegen § 30 GmbHG verstoßen,
- vom Gesellschafter zurückgefordert werden (§ 31 GmbHG),
- zur persönlichen Haftung des Geschäftsführers führen, wenn dieser die Auszahlung veranlasst hat.
Ausschüttungen trotz Unterbilanz
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Gewinne dürfen nur ausgeschüttet werden, wenn nach der Ausschüttung das Stammkapital vollständig gedeckt bleibt.
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Häufige Fehlerquellen sind:
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fehlerhafte Bilanzierung oder zu optimistische Bewertung von Vermögensgegenständen,
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Ausschüttungen „aus Gewohnheit“, ohne aktuelle Kapitalprüfung.
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Die Konsequenzen:
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Der Gesellschafter muss die Zahlung zurückerstatten,
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der Geschäftsführer haftet – selbst bei fahrlässigem Verhalten.
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Fehlende Rückzahlungsvereinbarungen bei Gesellschafterdarlehen
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Gesellschafterdarlehen sind grundsätzlich zulässig, bergen aber Haftungsrisiken, wenn:
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sie ohne klare vertragliche Rückzahlungsregelung erfolgen,
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sie in der Krise als eigenkapitalersetzend gewertet werden.
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Bei Unterbilanz dürfen solche Darlehen nicht zurückgeführt werden, da sie wie Eigenkapital behandelt werden.
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Die Folge:
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Rückforderung im Insolvenzfall durch den Insolvenzverwalter,
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Geschäftsführerhaftung bei unzulässiger Rückzahlung.
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Haftung der Gesellschafter und Geschäftsführer
Wer gegen die Kapitalerhaltungsvorschriften verstößt, riskiert erhebliche persönliche Haftung – unabhängig von der Rechtsform.
Persönliche Haftung bei Verstößen
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Geschäftsführer haften persönlich mit ihrem Privatvermögen, wenn sie unzulässige Zahlungen leisten oder dulden.
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Die Haftung greift:
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unabhängig davon, ob die Zahlung absichtlich oder fahrlässig erfolgte,
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auch, wenn der Gesellschafter die Zahlung ausdrücklich verlangt hat.
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Gesellschafter, die unzulässige Leistungen erhalten, müssen diese in voller Höhe zurückzahlen.
Innenhaftung vs. Außenhaftung
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Die Innenhaftung betrifft die Haftung gegenüber der Gesellschaft selbst.
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Die Außenhaftung betrifft die Haftung gegenüber Dritten (insbesondere Gläubigern).
Haftung im Insolvenzfall
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In der Insolvenz ist besondere Vorsicht geboten:
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Geschäftsführer haften zusätzlich wegen:
Vermeidung und Risikominimierung
Wer Haftung vermeiden will, sollte die Kapitalstruktur seiner Gesellschaft genau im Blick behalten und frühzeitig professionellen Rat einholen.
Richtiges Verhalten bei Kapitalrücklagen und Ausschüttungen
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Ausschüttungen sollten ausschließlich aus frei verfügbaren Gewinnrücklagen erfolgen.
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Vor jeder Zahlung an Gesellschafter sollte geprüft werden:
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Besteht eine bilanzielle Überdeckung über dem Stammkapital?
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Sind alle Rücklagen korrekt bewertet?
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Im Zweifel gilt: Keine Ausschüttung ohne fundierte Prüfung und Beschlusslage.
Dokumentationspflichten und steuerliche Hinweise
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Sämtliche Auszahlungen an Gesellschafter müssen klar dokumentiert und begründet werden.
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Besonders wichtig sind:
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Geschäftsführungsbeschlüsse,
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Bilanzen oder Zwischenabschlüsse,
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Darlehensverträge und Rückzahlungsvereinbarungen.
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Steuerlich drohen bei fehlerhafter Behandlung:
Frühzeitige Beratung und Prüfung der Bilanz
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Eine rechtliche und steuerliche Prüfung geplanter Ausschüttungen ist dringend anzuraten, insbesondere bei:
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wirtschaftlichen Schwierigkeiten der Gesellschaft,
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ungeklärten Forderungen oder bilanziellen Unsicherheiten.
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Frühzeitige Beratung durch Anwalt und Steuerberater kann:
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Haftungsrisiken erkennen und verhindern,
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Ausschüttungen rechtssicher gestalten,
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Geschäftsführung und Gesellschafter entlasten.
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Fazit: Wenn Zahlen zu Fallstricken werden
Die Unterbilanzhaftung ist kein theoretisches Randthema, sondern eine konkrete Gefahr im Alltag jeder Kapitalgesellschaft.
Schon kleine Unachtsamkeiten bei Ausschüttungen oder Darlehen können gravierende persönliche Konsequenzen haben – für Geschäftsführer wie Gesellschafter.
Handlungsempfehlungen auf einen Blick:
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Prüfen statt schätzen: Vor jeder Ausschüttung sollte die aktuelle Kapitaldeckung geprüft und dokumentiert werden.
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Keine Zahlungen „aus dem Bauch heraus“: Auch routinierte Zahlungen können bei Unterbilanz rechtlich unzulässig sein.
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Gesellschafterdarlehen sauber regeln: Ohne klare Rückzahlungsvereinbarung droht die Einordnung als verdeckte Einlage.
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Rechtzeitig beraten lassen: Ein kurzes Gespräch mit Anwalt oder Steuerberater ist günstiger als eine jahrelange Haftung.