Der Gesetzgeber hat mit Einführung des § 7 Abs. 8 ErbStG eine Besteuerungslücke bei disquotalen Einlagen in Kapitalgesellschaften geschlossen. Bis zur Gesetzesänderung stellten disquotale Einlagen von Gesellschaftern einer Kapitalgesellschaft in die Gesellschaft nach der gefestigten Rechtsprechung des BFH keine Schenkungen an die Mitgesellschafter dar.
Mangels Eingrenzung des Wortlauts der Vorschrift kommt fast jede Form der Leistung an eine Kapitalgesellschaft als potenziell schenkungsteuerbare Zuwendung an die Mitgesellschafter in Betracht.
Während bei einer quotalen Einlage die Gesellschaftereinlagen entsprechend ihrem Beteiligungsverhältnis an der Gesellschaft geleistet werden, versteht man unter einer disquotalen Einlage den Fall, dass ein Gesellschafter ohne entsprechende Gegenleistung eine Einlage leistet, die wertmäßig über seinen Anteil an der Gesellschaft hinausgeht. Die disquotale Einlage führt bei der Kapitalgesellschaft zur direkten Bereicherung, die Gesellschafter hingegen profitieren von der Bereicherung der Kapitalgesellschaft lediglich reflexartig.
Mit der Fiktion „Als Schenkung gilt“ in § 7 Abs. 8 ErbStG wurde die Besteuerungslücke geschlossen:
§ 7 Abs. 8 S. 1 ErbStG: „Als Schenkung gilt auch die Werterhöhung von Anteilen an einer Kapitalgesellschaft, die eine an der Gesellschaft unmittelbar oder mittelbar beteiligte natürliche Person oder Stiftung (Bedachte) durch die Leistung einer anderen Person (Zuwendender) an die Gesellschaft erlangt.“
Anders als beim Grundtatbestand der Schenkung gemäß § 7 Abs. 1 Nr. 1 ErbStG kommt es nicht darauf an, ob dem Zuwendenden bewusst ist, dass seine Einlage zumindest teilweise eine Schenkung ist.
Scheidet ein Gesellschafter aus der Gesellschaft gegen eine Abfindung aus, die unter dem Wert seines Abfindungsanspruchs liegt, ist § 7 Abs. 7 ErbStG ebenfalls zu beachten.
Von der Besteuerung gemäß § 7 Abs. 8 ErbStG gibt es jedoch nach derzeitiger Verwaltungsauffassung Ausnahmen, insbesondere wenn mehrere Leistungen erfolgen und bei deren Gesamtbetrachtung im Ergebnis kein Gesellschafter auf Kosten eines anderen bereichert ist, findet keine Besteuerung statt. Fehlt es an einer vollständigen Neutralisation, so ist lediglich der überschießende Anteil als Werterhöhung i. S. d. § 7 Abs. 8 Satz 1 ErbStG anzusehen.
Eine Lösung zur Vermeidung der Besteuerung von disquotalen Einlagen mit Schenkungsteuer kann die Errichtung gesellschaftsbezogener Rücklagen sein. Dies sollte aber stets mit einem steuerlichen Berater abgestimmt werden. Alternativ ist die Aufnahme eines fremdüblichen Darlehens zur Förderung des Gesellschaftszwecks, auch ein fremdübliches Gesellschafter-Darlehen ohne schenkungsteuerliche Folgen möglich.
Auch der Schenker sollte die Schenkungssteuer prüfen. Steuerschuldner ist zwar grundsätzlich der Bedachte. Dennoch kann es auch für den Zuwendenden (Schenker) in Anspruch genommen werden, wenn der Bedachte nicht leistungsfähig ist (§ 20 ErbStG).
Beraterhinweis: Einlagen in eine Kapitalgesellschaft sind stets sorgfältig zu prüfen, insbesondere ob alle Gesellschafter einen ihrer Beteiligungsquote entsprechenden Anteil in das Gesellschaftsvermögen erbringen und keine mittelbaren, durch die Beteiligungsrechte vermittelten Wertverschiebungen stattfinden. Zu beachten ist, dass für die Werterhöhung der Beteiligung an der Kapitalgesellschaft eine Steuerbefreiung nach §§ 13a, 13b ErbStG in der Regel nicht in Anspruch genommen werden kann. Jeder Sachverhalt, der möglicherweise Schenkungssteuer auslöst, muss innerhalb von drei Monaten nach dem Erwerb bei dem zuständigen Finanzamt schriftlich angezeigt werden.
Hinweis zum subjektiven Tatbestandsmerkmal des § 7 Abs. 8 ErbStG
Beim BFH ist ein Verfahren anhängig (Az.: II R 19/24), in dem die Vorinstanz (FG Münster, Urteil vom 23.05.2024, Az.: 3 K 2585/21) für die Anwendung des § 7 Abs. 8 ErbStG entgegen der vorstehenden BFH-Rechtsprechung ein subjektives Element (Bewusstseins über die Unentgeltlichkeit) fordert. Sämtliche auf Grundlage von § 7 Abs. 8 ErbStG ergangenen Schenkungsteuerfestsetzungen sollten daher bis zur höchstrichterlichen Klärung offengehalten werden.