Der kleine Crash am Aktienmarkt hat die üblichen Reflexe hervorgerufen. Anleger können jedoch sehr viel aus den letzten Wochen lernen.
Stellen Sie sich vor, Sie gehen zu Ihrem Bäcker und fragen, was das Brötchen am Ende des Jahres kosten wird. Anfang April gibt er ihnen die Antwort, dass der Preis wohl bei einem Euro liegen wird, da der Rohstoff Mehl billig bleibt. Keine sechs Wochen später fragen sie noch einmal nach und der Bäcker ruft als Preisziel zum Jahresende 1,50 Euro aus. Mal eben 50 Prozent teurer.
Sie würden vermutlich daran zweifeln, ob der Bäcker seinen Rohstoffeinkauf und seine Planung gut im Griff hat, und das, obwohl er doch eigentlich ein Profi auf seinem Gebiet ist. Am Aktienmarkt ist dies offenbar anders. Dort gibt es sogenannte Sell-Side-Analysten, also Menschen, die Kursziele für Aktien oder Indizes nach draußen blasen, denen man aber bitte nicht glauben sollte. Zuhören sollte man ihnen aber schon. Denn sie sind oftmals perfekte Kontraindikatoren.
Der beste Indikator am Markt ist Goldman Sachs. Vor sechs Wochen war die Stimmung unter Investoren katastrophal, und Goldman rief als Worst-Case-Kursziel für 2025 eine Marke im S&P 500 von 4.200 aus. Keine sechs Wochen später erhöhte man das Ziel zum Jahresende auf 6.100 Zähler. Binnen weniger Wochen erklärt man Anlegern also, dass fast 50 Prozent mehr drin sind mit Aktien im Jahr 2025. Dazu muss man wissen, dass 50 Prozent nicht weniger sind als die durchschnittliche Rendite von sieben Börsenjahren.
Bei Goldman ist dieses Antizyklische nicht nur ein running gag – wir nutzen die Prognosen in unserem Börsendienst bei Feingold Research sogar regelmäßig, um konkrete Anlageentscheidungen zu treffen und das Portfolio zu steuern. Denn auch beim Euro zum US-Dollar funktioniert das Spiel seit Jahren. Die US-Bank ruft die Parität aus oder gibt Ziele von 0,85 bis 0,90 regelmäßig heraus, kurz bevor der Euro sich deutlich erholt. Umgekehrt äußerte man sich jüngst zum US-Dollar skeptisch, als der Euro an seinem Hoch im April angekommen war.
Auf der Aktienseite müssen extrem hohe Kursziele oder Herabstufungen von Aktien, die nicht laufen, ebenfalls kein guter Signalgeber sein. Viele Analysten schwimmen gern mit dem Strom und packen zehn oder zwanzig Prozent obendrauf, wenn eine Aktie gut läuft. Ein gutes Beispiel ist gegenwärtig Rheinmetall. Die Kursziele werden stetig angepasst, damit ist aber nicht gesagt, dass die Aktie in ein oder zwei Jahren so hoch notiert wie aktuell. Sie kann höher stehen, sie kann aber genauso gut um 30 oder 50 Prozent einbrechen.
Insofern kann es für Ihre Anlageentscheidung und Ihren Kaufzeitpunkt am Markt tatsächlich besser sein, Ihren Bus- oder Taxifahrer zu fragen. Der weiß vielleicht, weil er in der Pause Zeitung gelesen hat, ob der Aktienmarkt auf den Titelseiten besprochen wird. Oder ob er am Vorabend in den Hauptnachrichten der ARD oder des ZDF fallende Aktienkurse als Aufmachermeldung gesehen hat.
Statistisch ist es nämlich ein extrem guter Kaufzeitpunkt für deutsche Anleger, wenn man dann zugreift. Positive Kurse werden in der Regel ignoriert. Berichterstattung gibt es dann, wenn es kracht. Und dann sind die Kurse eben günstiger.