Die Verfassungsbeschwerde ist ein wichtiges Instrument im deutschen Rechtssystem. Sie ermöglicht es jeder Person, sich gegen Maßnahmen der öffentlichen Gewalt zu wehren, wenn sie dadurch in einem ihrer Grundrechte verletzt wurde.
Damit das Bundesverfassungsgericht (BVerfG) sich jedoch mit einer Beschwerde überhaupt befasst, müssen bestimmte Voraussetzungen erfüllt sein. Neben formalen Aspekten wie der Einhaltung von Fristen oder der Betroffenheit der beschwerdeführenden Person ist vor allem die inhaltliche Begründung – die sogenannte Substantiierung – entscheidend.
Was bedeutet „Substantiierung“?
Substantiierung bedeutet, dass die Verfassungsbeschwerde klar und nachvollziehbar begründet werden muss.
Der Beschwerdeführer kann nicht einfach behaupten, in seinen Grundrechten verletzt worden zu sein – er muss dies konkret darlegen, erläutern und mit rechtlichen Argumenten untermauern. Dabei stellt das Bundesverfassungsgericht hohe Anforderungen: Die bloße Schilderung einer als ungerecht empfundenen Entscheidung oder eines persönlichen Unrechtsgefühls reicht nicht aus.
Vielmehr muss die Beschwerde systematisch aufgebaut sein und folgende Fragen beantworten:
Welches Grundrecht ist betroffen?
Es muss genau benannt werden, z. B. die Meinungsfreiheit (Art. 5 Abs. 1 GG) oder das Recht auf Gleichbehandlung (Art. 3 GG).
Welche Maßnahme oder Entscheidung des Staates greift in dieses Grundrecht ein?
Das kann ein Gerichtsurteil, ein Gesetz oder ein behördlicher Bescheid sein. Es muss klar benannt werden, was genau beanstandet wird.
Warum stellt dieser Eingriff eine Grundrechtsverletzung dar?
Hier ist der Kern der Substantiierung gefragt. Es reicht nicht, den Eingriff zu beschreiben – man muss rechtlich nachvollziehbar erklären, warum dieser Eingriff verfassungsrechtlich unzulässig ist.
Was bedeutet das in der Praxis?
Die Substantiierung verlangt vom Beschwerdeführer, dass er sich mit dem geltenden Verfassungsrecht auseinandersetzt.
Es genügt nicht, allgemeine Unzufriedenheit mit dem Urteil zu äußern oder Gerechtigkeit zu fordern. Vielmehr muss eine juristische Argumentation dargelegt werden, die das Bundesverfassungsgericht in die Lage versetzt, zu erkennen, ob tatsächlich eine Verletzung der Verfassung vorliegen könnte.
Ein Beispiel:
Wer sich durch ein Gerichtsurteil in seinem Recht auf ein faires Verfahren verletzt sieht, muss genau erläutern, welche konkreten Vorgänge im Verfahren diese Verletzung darstellen sollen – etwa die Verweigerung rechtlichen Gehörs – und warum dies nach Art. 103 Abs. 1 GG verfassungswidrig ist.
Was passiert bei unzureichender Substantiierung?
In der Praxis führt eine unzureichende Substantiierung sehr häufig zur Ablehnung der Verfassungsbeschwerde bereits im Zulassungsverfahren. Das bedeutet: Das Gericht entscheidet nicht über den Inhalt, sondern stellt fest, dass die Beschwerde nicht ausreichend begründet wurde. Ein solcher Beschluss ist meist sehr kurz und enthält keine ausführliche rechtliche Auseinandersetzung.
Diese frühe Hürde sorgt dafür, dass das Gericht sich auf Fälle konzentrieren kann, in denen eine hinreichend begründete Grundrechtsverletzung vorliegt oder ernsthaft behauptet wird.
Typische Fehler bei der Substantiierung
- Es werden keine konkreten Grundrechte benannt.
- Es wird lediglich geschildert, warum eine Entscheidung subjektiv unfair erscheint.
- Es fehlt eine rechtliche Auseinandersetzung mit dem angegriffenen Urteil oder Gesetz.
- Es wird nicht erläutert, inwiefern eine Verfassungsnorm verletzt sein könnte.
Fazit
Die Substantiierung ist das Herzstück jeder Verfassungsbeschwerde. Wer sich ans Bundesverfassungsgericht wendet, muss mehr tun als nur seine persönliche Sicht der Dinge darzulegen. Es braucht eine konkrete, rechtlich nachvollziehbare Argumentation, die aufzeigt, welches Grundrecht wie und warum verletzt wurde.
Nur wenn diese Hürde genommen wird, besteht die Chance, dass sich das Bundesverfassungsgericht überhaupt mit dem Fall befasst. Deshalb ist juristischer Rat in diesen Fällen fast immer empfehlenswert.
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