Der verstorbene Papst Franziskus hat in Wirtschaftsfragen mit einer Verdammung der Marktwirtschaft irritiert. Leo XIV. signalisiert zwar Verbundenheit zu seinem Vorgänger. Doch es gibt Hinweise, dass er eine andere Sichtweise vertritt.
Mit der Wahl von Robert Prevost zum Papst Leo XIV. hat die katholische Kirche nicht nur erstmals einen US-Amerikaner auf den Stuhl Petri erhoben. Sie hat auch einen Pontifex gewählt, der die wirtschaftlichen und sozialen Herausforderungen unserer Zeit natürlich aus theologischer Perspektive betrachtet, der als Mathematiker und Philosoph aber zugleich sehr analytisch denkt. Wie wird er sich in ökonomischen Fragen positionieren?
In der ersten Ansprache nach seiner Wahl zum Papst hat Robert Prevost seine Verbundenheit mit seinem Vorgänger Franziskus betont und Kontinuität signalisiert. Zweifellos war Franziskus in seiner Zugewandtheit, seiner Hinwendung zu den Armen und Schwachen in der Gesellschaft und seinem äußerst bescheidenen persönlichen Lebensstil vorbildlich.
Seine Analysen wirtschaftlicher und sozialer Fragen waren aber nur teilweise überzeugend. Zum Beispiel irritiert Franziskus‘ Enzyklika „Fratelli Tutti“ mit einer in vielen Passagen einseitigen Verdammung von Märkten und einem mangelnden Verständnis für wirtschaftliche Zusammenhänge. So wird dort angeprangert, Ungerechtigkeiten und Umweltzerstörung auf der Welt würden genährt von einer „Wirtschaft, die auf dem Profit gründet“. Diese Verteufelung des Gewinnstrebens zeugt von mangelndem Verständnis für wirtschaftliche Zusammenhänge.
Verschwiegen wird, dass bislang jede Wirtschaftsordnung, die nicht darauf setzt, das Eigeninteresse als Motor des Wirtschaftens zu nutzen, insbesondere sozialistische Systeme, nur Armut, Unterdrückung und eine noch größere Umweltzerstörung als marktwirtschaftliche Systeme hervorgebracht hat. Überwindung von Armut und Umweltzerstörung sind nur durch eine kluge Kombination aus Marktwirtschaft und regulierender Rahmengebung möglich, aber nicht, indem man gegen die Marktwirtschaft zu Felde zieht.
Robert Prevost hat aber nicht nur Kontinuität zu seinem Vorgänger signalisiert. Wichtiger ist, dass er den Namen Leo XIV. gewählt hat. Er stellt sich damit in die Tradition von Leo XIII., der 1891 mit der Sozialenzyklika „Rerum Novarum“ die Grundlagen der katholischen Soziallehre legte.
Die katholische Soziallehre vertritt sehr differenzierte Positionen zur Ordnung der Wirtschaft. Sie fordert durchaus Solidarität der Wohlhabenden mit den Armen und prangert Missstände wie die Ausbeutung von Arbeitern durch mächtige Unternehmen oder Kinderarbeit an. Sie betont aber gleichzeitig die Eigenverantwortung von Individuen und Familien für ihr wirtschaftliches Wohlergehen und weist Angriffe auf das Privatvermögen, wie sie von sozialistischer Seite erfolgen, entschieden zurück.
Sie wendet sich auch gegen übermäßige Besteuerung. Die Vorteile des Privateigentums „gehen verloren, wenn der Staat seinen Angehörigen so hohe Steuern auferlegt, daß dadurch las Privateigentum auf-gezehrt wird“ heißt es in der Enzyklika.
Welche Positionen Robert Prevost als Papst Leo XIV. in wirtschaftlichen Fragen vertreten wird, ist offen, aber bisherige Äußerungen von ihm geben darauf Hinweise. Fehlentwicklungen in marktwirtschaftlichen Systemen hat er wiederholt kritisiert, beispielsweise Ausbeutung in Folge übermäßiger Marktmacht mancher Unternehmen. Er hat aber zugleich darauf hingewiesen, dass Märkte große produktive Kraft zur Entfaltung bringen.
Was die Klimapolitik angeht, hat er sich für die Einführung eines weltweiten CO₂-Preises ausgesprochen. Das ist ein Instrument, das Marktkräfte und staatlichen Eingriff gezielt kombiniert, um Klimaschutzziele bestmöglich zu erreichen. Es spricht viel dafür, dass Robert Prevost diese differenzierte Betrachtung ökonomischer, sozialer und ökologischer Herausforderungen auch als Papst Leo XIV. vertreten wird. Das würde dazu beitragen, dass seine Stimme nicht nur innerhalb der Kirche, sondern auch in der globalen Debatte über die Ordnung von Wirtschaft und Gesellschaft Gehör findet.
Clemens Fuest ist seit 2016 Präsident des ifo Instituts. Dazu lehrt er Volkswirtschaftslehre an der Ludwig-Maximilians-Universität München und ist dort ebenfalls Direktor des Center for Economic Studies.