Die Filmindustrie in Kalifornien kämpft seit Jahren gegen Krisen und rückläufige Produktionen. Ausgerechnet der bei Hollywoods Prominenz verpönte US-Präsident Trump will sie nun vor dem Niedergang bewahren – mit Zolldrohungen. Dahinter könnte jedoch ein ganz anderes Kalkül stecken.
In Hollywood ist jeder ein wenig Schauspieler. Mit ansteckender Euphorie und mechanischem Filmlächeln berichtet Tourguide Laura auch der zehnten Touristengruppe in den Universal Studios von Los Angeles, dass es an den meisten Tagen hier, zwischen den ganzen Leichtbauhallen, viel hektischer zugehe. Manchmal ließen sich auch Superstars wie Jennifer Lopez zwischen den Maskenbildnern, Regieassistenten und Bühnenbauern blicken. Doch – ausgerechnet heute – sei kaum jemand zu sehen, erklärt sie. Und auch in dieser Touristengruppe scheint augenscheinlich niemandem Lauras kleine Flunkerei aufzufallen.
Doch die echten Kenner spüren seit Jahren, dass die Produktion in der ewigen Traumfabrik in den Hügeln Hollywoods nicht mehr läuft wie am Fließband. Vielleicht würden es ausgerechnet diejenigen, die in der kalifornischen Filmbranche ihren Lebensunterhalt verdienen, weniger dramatisch formulieren als der US-Präsident, der am Montag auf Truth Social klagte: „Die Filmindustrie in Amerika stirbt rasant.“ Doch auch sie würden kaum leugnen, dass das Geschäft mit den großen Träumen auf der Leinwand seit geraumer Zeit schleppend läuft.
Das zeigt sich auch in den Zahlen. 2024 war, abgesehen vom ersten Corona-Pandemiejahr 2020, das schlechteste für Dreharbeiten in Los Angeles seit 30 Jahren. Von allen Fernsehsendungen und Spielfilmen, die das Publikum in Nordamerika sieht, wird nur noch ein Fünftel in Kalifornien gedreht. Laut der gemeinnützigen Organisation FilmLA kam es im ersten Quartal im Vergleich zum Vorjahreszeitraum in allen Produktionskategorien zu Rückgängen. Die Zahl der Drehtage ging demnach um 22 Prozent zurück. Nie wurden mit nur 13 Pilotfilmen fürs Fernsehen weniger solcher Streifen innerhalb eines Jahres gedreht. Die Zahl der gebuchten Aufnahmetage für Musikbühnen sank von 127 im Jahr 2022 auf nur noch 11.
Dies liegt einerseits an der seit Jahren stetig wachsenden Konkurrenz – sowohl in den USA selbst mit Drehorten wie Atlanta und New York als auch im Ausland. Vor allem Australien, Großbritannien und Kanada locken die Filmproduzenten mit niedrigen Steuern. Eine Umfrage unter den Leitern von Filmstudios zeigt zudem, dass die fünf bevorzugten Filmproduktionsorte für 2025 und 2026 wegen Steuervorteilen alle außerhalb der USA liegen. Spitzenreiter ist das kanadische Toronto, darauf folgen Großbritannien, das ebenfalls kanadische Vancouver, Zentraleuropa und Australien. Kalifornien belegt nur den sechsten Platz. Laut Daten des Forschungsunternehmens ProdPro ist die Film- und Fernsehproduktion in den USA zwischen 2021 und 2024 um 28 Prozent zurückgegangen. Im Ausland stiegen die Zahlen dagegen.
Hollywood dagegen rutschte nach der Pandemie mit den Streiks der Gewerkschaften 2023 und den jüngsten Waldbränden von einer Krise in die nächste, der Staat Kalifornien und die Stadt Los Angeles kämpfen mit akuten Haushaltsproblemen. Dass nun ausgerechnet US-Präsident Trump persönlich Hollywoods stolze Filmindustrie vor dem Niedergang bewahren will, kommt auf den ersten Blick überraschend – auch, weil ein Großteil der Hollywood-Prominenz im US-Wahlkampf aktiv für Kamala Harris geworben hat. Bei allen mächtigen Unterstützern bleiben Trump die Türen vieler amerikanischer Superstars bislang verschlossen – ein Zustand, der am Stolz des mächtigsten Mannes der Welt nagen könnte.
Trumps Einsatz für das feine Hollywood könnte neben wirtschaftlichen durchaus auch taktische innerpolitische Gründe haben. So erwachte sein Interesse an dem US-Sehnsuchtsort bereits während der schweren Waldbrände, als viele Angestellte der Filmindustrie unmittelbar betroffen waren. Im Januar nominierte Trump dann die Schauspieler Sylvester Stallone, Mel Gibson und Jon Voight zu Hollywood-Botschaftern. Gibson, der sein Haus bei den Waldbränden verlor, gab damals an, er habe erst über Trumps Post in den sozialen Medien von seiner neuen Position erfahren.
Die drei bekannten Trump-Unterstützer sollten sich für die Interessen des US-Präsidenten in Hollywood einsetzen – doch bislang ist zumindest vordergründig wenig passiert. Auch deshalb könnte der US-Präsident nun nachlegen und kündigt an, sich mit Hollywood-Managern zu treffen. „Wir werden uns also mit der Industrie treffen“, sagte Trump am Montag. „Ich möchte sicherstellen, dass sie damit zufrieden sind, denn es geht uns um Arbeitsplätze.“
Viele Persönlichkeiten aus der Film- und Unterhaltungsbranche wissen unterdessen nicht, was sie von Trumps plötzlicher Ankündigung halten sollen, Zollaufschläge von hundert Prozent auf im Ausland produzierte Filme zu erheben. „Es ergibt keinen Sinn“, sagt der Anwalt der Unterhaltungsindustrie Jonathan Handel. Viele US-Produktionen von James-Bond-Filmen bis zu dem Kinohit „Mission Impossible“ würden aus offensichtlich kreativen Gründen im Ausland gedreht. „Wenn der Stunt darin besteht, dass Tom Cruise auf den Eiffelturm klettert, was sollen wir dann machen – auf der Nachbildung des Eiffelturms in Las Vegas drehen?“, sagte Händel. Die sei „einfach unsinnig“.
Handel wies im Zuge dessen darauf hin, dass es bei Filmen um geistiges Eigentum geht. „Man kann eine Kinokarte kaufen, aber man kauft einen Film nicht so wie ein Kleidungsstück oder ein Auto“, die beim Passieren der US-Grenze besteuert werden könnten. Selbst wenn ein System zur Zollerhebung auf außerhalb der USA gedrehte Filme entwickelt werden könnte, würden diese Abgaben der US-Industrie mehr schaden als nützen, fügte der Anwalt hinzu. Das Ergebnis wäre aus seiner Sicht „eine Verringerung der Produktion, eine Verteuerung der Filme und eine Verringerung der Anzahl der Filme, die für Kinos und Streaming-Anbieter zur Verfügung“ stünden.
Zölle könnten Vergeltungsschläge auslösen
Die US-Unterhaltungsindustrie erwirtschaftet jährlich Milliarden von Dollar durch den Export von Filmen, Fernsehsendungen und anderen geistigen Eigentums, sagt Heeyon Kim, Assistenzprofessor für Strategie an der Cornell University. Im Jahr 2024 machten die internationalen Märkte mehr als 70 Prozent der gesamten Kinoeinnahmen Hollywoods aus. Zölle könnten Vergeltungsschläge anderer Länder auslösen, die zu „Einnahmeverlusten in Milliardenhöhe führen und nicht nur die großen Studios, sondern auch Tausende von Arbeitsplätzen in Produktion, Marketing und Vertrieb betreffen“, so Kim.
Die International Alliance of Theatrical Stage Employees, die in den USA und Kanada Beschäftigte hinter den Kulissen der Unterhaltungsbranche vertritt, erklärte am Montag wiederum, Trump habe die „dringende Bedrohung durch den internationalen Wettbewerb“, der die amerikanische Film- und Fernsehbranche heute ausgesetzt sei, „richtig erkannt“. Die Gewerkschaft erklärte jedoch, sie habe der Regierung stattdessen empfohlen, eine bundesstaatliche Produktionssteuer und weitere Maßnahmen einzuführen, um gleiche Wettbewerbsbedingungen zu schaffen, ohne der Branche insgesamt zu schaden.
Das US-Handelsministerium bereitet unterdessen die von Trump angekündigten Zölle vor. „Obwohl noch keine endgültige Entscheidung über die Zölle auf ausländische Filme getroffen wurde, prüft die Regierung alle Optionen, um Präsident Trumps Anweisung umzusetzen, die nationale und wirtschaftliche Sicherheit unseres Landes zu schützen und gleichzeitig Hollywood wieder groß zu machen“, sagte der Sprecher des Weißen Hauses, Kush Desai, am Montag.
Unklar bleibt zunächst, wie die Einfuhrzölle auf Filmproduktionen ausgestaltet werden sollen oder unter welche rechtliche Grundlage sie fallen würden. Die Unsicherheit spiegelte sich auch an der Börse wider: Die Aktien von Netflix, Paramount Global, Warner Bros. und anderen Medienunternehmen stürzten zunächst ab. Trumps Behauptung, ausländische Filme gefährdeten die nationale Sicherheit, legt aber zumindest nahe, dass sich die US-Regierung erneut auf Paragraf 232 des US-Handelsgesetzes beruft, der auf Produkte abzielt, die die nationale Sicherheit der USA gefährden. Dieser Paragraf gibt dem Handelsministerium 270 Tage Zeit, die angeblichen Gefahren bestimmter Importe zu untersuchen.
Am Ende der Untersuchung könnte der Präsident dann die Zölle verhängen, wie er es bei Autos und Metallen getan hat. Doch anders als bei diesen Sektoren, weist die amerikanische Filmindustrie derzeit einen Handelsüberschuss auf. Daten der Motion Picture Association zeigen, dass amerikanische Filme im Jahr 2023 Exporte in Höhe von 22,6 Milliarden US-Dollar erzielten, das waren 15,3 Milliarden mehr als die entsprechenden Importe.
Sollte sich der US-Präsident trotzdem für die Zölle entscheiden, könnte es für künftige Filmdrehs womöglich kompliziert werden. Einer der umsatzstärksten US-Filme beispielsweise, „Avatar“ aus dem Jahr 2009, wurde größtenteils in Neuseeland gedreht, während „Avengers: Endgame“ an internationalen Drehorten, darunter Schottland und Großbritannien, gedreht wurde. Zudem könnten andere Nationen Gegenzölle erheben. China hat bereits angekündigt, die Zahl der im Land zugelassenen Hollywood-Filme „moderat zu reduzieren“.
„Unsere Filmindustrie wurde von anderen Ländern dezimiert“, sagte Trump unterdessen am Montag gegenüber Reportern. „Ich möchte der Branche helfen. Aber sie wird von anderen Ländern finanziert.“ Er machte auch den kalifornischen Gouverneur Gavin Newsom, einen Demokraten, für den Niedergang Hollywoods verantwortlich und bezeichnete ihn als „absolut inkompetenten Mann“, der „einfach zugelassen hat, dass Hollywood alles weggenommen wurde.“
Der Schauspieler und Trumps „Hollywood-Berater“ Jon Voight warb am vergangenen Wochenende unterdessen beim US-Präsidenten für Steueranreize für die heimische Filmproduktion. Diese Anreize könnten die bestehenden staatlichen Anreize ergänzen. Voight verbrachte das Wochenende offenbar mit Trump auf dessen Anwesen Mar-a-Lago Club, wo sie beim Kentucky Derby Pläne für solche Anreize besprochen haben. Was dort besprochen wird, hätte mit Sicherheit ebenfalls ausreichend Stoff für einen Hollywood-Blockbuster.
Sandra Hackenberg ist Redakteurin im Wirtschaftsressort. Sie schreibt über den Standort Deutschland, internationale Wirtschaftspolitik und Immobilien. Aktuell arbeitet sie für mehrere Monate für WELT in den USA.
mit Bloomberg/AFP/APP