Vorwürfe wegen Sexualdelikten entstehen nicht selten im Kontext privater Konflikte. Besonders brisant sind Konstellationen, in denen der Vorwurf in engem zeitlichen Zusammenhang mit einer Trennung oder Scheidung erhoben wird. In solchen Fällen sind die emotionalen Belastungen hoch, die Sachverhalte komplex und die strafrechtlichen Risiken für den Beschuldigten enorm. Die Verteidigung sieht sich dabei der Herausforderung gegenüber, zwischen tatsächlichen strafbaren Handlungen und taktisch motivierten Falschbelastungen zu unterscheiden.
Der Vorwurf eines Sexualdelikts im Nachgang einer Trennung trifft den Beschuldigten oft völlig unvorbereitet. Häufig liegt die behauptete Tat lange Zeit zurück, wurde während der Beziehung nicht thematisiert und wird erst im Rahmen von familienrechtlichen Auseinandersetzungen, Sorgerechtsstreitigkeiten oder vermögensrechtlichen Auseinandersetzungen erhoben. In solchen Situationen stellt sich stets die Frage, ob die Anzeige auf einem tatsächlichen Erleben basiert oder ob andere Motive – etwa Rache, Einfluss auf das Sorge- oder Umgangsrecht oder wirtschaftliche Interessen – eine Rolle spielen.
Strafrechtlich gilt auch in diesen Fällen der Grundsatz, dass jede Anzeige ernst genommen und der Sachverhalt umfassend aufgeklärt werden muss. Ermittlungsbehörden dürfen jedoch nicht unkritisch jede Behauptung übernehmen. Für die Verteidigung ist es daher entscheidend, mögliche Belastungsmotive offenzulegen und die Entstehungsgeschichte der Anzeige genau zu analysieren. Auffällig ist oft, dass der Vorwurf nicht unmittelbar nach der angeblichen Tat erhoben wird, sondern erst in einem eskalierenden Konflikt. Auch die Frage, ob die angeblich geschädigte Person in der Vergangenheit widerspruchsfreies Verhalten gezeigt hat – etwa durch freundlichen Kontakt, gemeinsame Aktivitäten oder fehlende Distanzierungsversuche – kann wichtige Hinweise auf die Glaubwürdigkeit liefern.
In der Verteidigungspraxis ist es wichtig, systematisch alle Umstände des privaten Umfelds aufzuarbeiten. Dazu gehören etwa Nachrichtenverläufe, E-Mails, Briefe oder Zeugenaussagen, die das Verhältnis der Beteiligten dokumentieren. Gerade in streitbelasteten Trennungen können Dritte, etwa Freunde, Familienmitglieder oder ehemalige gemeinsame Bekannte, wertvolle Hinweise auf die tatsächlichen Verhältnisse geben. Auch familienrechtliche Akten, insbesondere aus Sorgerechts- oder Umgangsverfahren, können entlastende Informationen enthalten oder Belastungstendenzen aufzeigen.
Ein weiteres zentrales Verteidigungsmittel ist die sorgfältige Analyse der Aussageentwicklung. Ändert sich die Schilderung der angeblichen Tat im Laufe der Ermittlungen? Gibt es Widersprüche zwischen den verschiedenen Vernehmungen? Lässt sich eine Anpassung der Aussage an äußere Umstände feststellen, etwa an den Verlauf eines familiengerichtlichen Verfahrens? Solche Auffälligkeiten sind typische Indizien für eine mögliche Falschbelastung.
Gleichzeitig ist Vorsicht geboten: Eine falsche oder ungeschickte Verteidigungsstrategie, die pauschal eine Falschbeschuldigung unterstellt, ohne konkrete Anhaltspunkte darzulegen, kann nach hinten losgehen. Gerade Gerichte sind sensibilisiert für den Schutz tatsächlicher Opfer und reagieren empfindlich auf unsachliche oder pauschalierende Argumentationen. Deshalb muss die Verteidigung stets auf eine differenzierte, objektive und sorgfältig belegte Darstellung setzen.
Taktisch ist es in vielen Fällen sinnvoll, zunächst auf eine vollständige Akteneinsicht zu drängen und die Einlassung zur Sache erst danach abzugeben. Oft ergibt sich bereits aus den Ermittlungsakten ein genaueres Bild der Motivlage und der Belastungssituation. Auch eine frühzeitige Einschaltung eines Aussagepsychologen zur Überprüfung der Belastungsaussage kann sinnvoll sein, um methodische Fehler aufzudecken oder Zweifel an der Glaubhaftigkeit zu begründen.
Fazit: Sexualdeliktvorwürfe im Kontext von Trennungen und Scheidungen sind eine hochsensible und gefährliche Konstellation. Für Beschuldigte bedeutet dies eine massive Bedrohung nicht nur strafrechtlich, sondern auch sozial und beruflich. Eine präzise, ruhige und sorgfältig dokumentierte Verteidigungsstrategie ist unerlässlich, um die wahren Hintergründe des Vorwurfs aufzudecken und ein gerechtes Verfahren zu gewährleisten.