In den vergangenen Jahren hat Amazon in Deutschland (und natürlich vielen anderen Ländern) nicht verschreibungspflichtige Medikamente, die rezeptfrei in der Apotheke erworben werden können, ins Sortiment aufgenommen. Diese OTC (Over-the-Counter) werden von Drittanbieter:innen, meist Apotheken, über den Amazon Marketplace angeboten.
Doch ein kürzlich gefälltes BGH-Urteil könnte dem einen Strich durch die Rechnung machen. So entschied der Bundesgerichtshof, dass auch solche Medikamente datenschutzrechtlich unter die entsprechende Verordnung fallen. Danach ist es ein Verstoß, denn Gesundheitsdaten ohne die ausdrückliche Einwilligung der Kund:innen im Rahmen der Bestelldaten (Name des Kunden, Lieferadresse und Informationen zur Individualisierung des Medikaments) erhoben werden.
Darüber hinaus entschieden die Karlsruher Richter:innen, dass andere Apotheker:innen als Mitbewerber:innen das Recht haben, solche Verstöße zivilrechtlich mit einer wettbewerbsrechtlichen Klage zu verfolgen. Der Europäische Gerichtshof (EuGH) hatte auf Anfrage des BGH im Herbst vergangenen Jahres entsprechend entschieden. Demnach stellen auch Bestellungen von OTC-Arzneimitteln Gesundheitsdaten im Sinne der Datenschutzgrundverordnung (DSGVO) dar, wobei auch das Recht zur Abmahnung bestehe – eine Meinung, der sich der Bundesgerichtshof nun anschloss.
40 Abmahnungen bereits erfolgt
Der klagende Apotheker hatte damit Erfolg im Hinblick auf den Schadensersatz, wobei das Gericht weiterreichende Verstöße dagegen nicht anerkannte. Doch die Sache hat – man ahnt es anhand der Entscheidung bezüglich der Abmahnfähigkeit – auch gleich ein Nachspiel für andere Apotheker:innen, die mit Amazon zusammenarbeiten. Laut der Pharmazeutischen Zeitung wurden bereits rund 40 Apotheken abgemahnt und bekamen eine Unterlassungserklärung vorgelegt. Laut dem Münchner Apotheker Hermann Vogel seien viele auch bereit gewesen, diese zu unterzeichnen.
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Auch der Bundesverband Deutscher Versandapotheken (BVDA) rät angesichts des sehr klaren Urteils dazu, dementsprechend zu kooperieren und eine entsprechende Unterlassungserklärung zu unterschreiben: „Wir können niemandem empfehlen, es nicht zu tun“, so BVDVA-Geschäftsführer Udo Sonnenberg.
Amazon als Plattform wäre ein weiteres Ziel
Leichter tun sich dagegen bislang noch einige Versandapotheken mit Sitz im Ausland, wie etwa Doc Morris. Der abmahnende und klagende Apotheker erklärt allerdings, man sei auch hier weiterhin dran. Ob allerdings auch Amazon als Handelsplattform angegangen wird, bleibt abzuwarten. Es wäre in jedem Fall spannend, zu ermitteln, was die Plattform mit den Daten anstellt und gegebenenfalls prüfen zu lassen, ob die Plattform hier überhaupt die Patient:innendaten im Sinne der DSGVO falsch und widerrechtlich einsetzt.
Auch wenn die Interessen des klagenden Apothekers naheliegend erscheinen, stellt sich die Frage, ob Verbraucher:innen wirklich so stark beschützt werden müssen, wenn es darum geht, ein paar Aspirin oder andere OTC-Medikamente zu erwerben. Interessieren dürfte das natürlich auch Unternehmen wie DM, die gerade ebenfalls OTC-Angebote planen. Natürlich werden bei einem Onlinehändler Daten dieser Art verarbeitet – und ob die Kund:innen es sich wirklich überlegen werden, dort einzukaufen, wenn es eines zusätzlichen Schrittes beim Einverständnis zur Datenverarbeitung bedarf, kann bezweifelt werden.