LAG Köln, Urteil vom 28.01.2025 – 7 SLa 378/24
I. Sachverhalt
Der Kläger, geboren 1974, ist seit 2000 als Flugbegleiter bei einem großen deutschen Luftfahrtunternehmen beschäftigt. Er ist schwerbehindert (GdB 100) und seit Mai 2022 durchgehend arbeitsunfähig. Seit 2017 war er als Vertrauensperson der schwerbehinderten Menschen und Mitglied der Gruppenvertretung Kabine tätig und ab Juni 2017 vollständig von der Arbeit freigestellt.
Das Arbeitsverhältnis unterliegt mehreren Tarifverträgen, darunter dem Tarifvertrag Personalvertretung (TV-PV) und dem Manteltarifvertrag (MTV) für Kabinenpersonal. Vollfreigestellte Personalvertreter erhalten keine Einsatzpläne, aber eine sogenannte Mehrflugstundenausgleichszulage basierend auf dem Durchschnitt der Gruppe (Purser/Flugbegleiter).
Im August 2023 erhielt der Kläger nach einem gewonnenen Kündigungsschutzverfahren eine Abrechnung mit einer Gutschrift von 6.977,49 € netto. Im Folgemonat erging jedoch eine korrigierte Abrechnung mit einer Nachforderung von 5.819,74 € zu seinen Lasten. Daraufhin verlangte die Krankenkasse von ihm eine Rückzahlung von über 2.000 €, da offenbar zu viel Krankengeld gewährt worden sei.
Der Kläger machte u. a. folgende Ansprüche geltend:
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Zahlung des in der Augustabrechnung ausgewiesenen Betrags
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Mehrflugstundenvergütung für 2018–2020 i. H. v. 41.110,89 € brutto
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Schadenersatz wegen der Rückforderung der Krankenkasse
II. Prozessverlauf
Die Klage vor dem Arbeitsgericht Köln blieb erfolglos. Das Gericht sah keine Anspruchsgrundlage für die geltend gemachten Forderungen. Gegen das Urteil legte der Kläger Berufung beim LAG Köln ein.
III. Entscheidung des LAG Köln
Das Landesarbeitsgericht wies die Berufung kostenpflichtig zurück.
1. Kein Anspruch aus der Lohnabrechnung
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Eine Lohnabrechnung stellt keine rechtsgestaltende Willenserklärung dar, sondern ist lediglich eine Wissenserklärung (§ 108 GewO).
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Daraus folgt kein Schuldanerkenntnis.
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Die Abrechnung für August 2023 war zudem offensichtlich fehlerhaft (z. B. unzulässige Urlaubsabgeltung bei bestehendem Arbeitsverhältnis).
2. Kein Schadenersatzanspruch (§§ 280 Abs. 1, 241 Abs. 2 BGB)
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Der Kläger konnte keine Pflichtverletzung oder einen konkreten Schaden durch das Verhalten der Beklagten darlegen.
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Die Krankenkasse ist eigenverantwortlich für die Krankengeldberechnung zuständig.
3. Kein Anspruch auf Mehrflugstundenvergütung
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Personalvertretungstätigkeit ist ehrenamtlich (§ 37 TV-PV, § 179 SGB IX).
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Vergütung erfolgt nach dem Lohnausfallprinzip: Anspruch besteht nur auf das Entgelt, das ohne Freistellung erzielt worden wäre.
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Der Kläger konnte nicht darlegen, dass er ohne Freistellung mehr Flugstunden (als über die Ausgleichszulage bereits abgegolten) geleistet hätte.
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Die pauschalierte Ermittlung der Ausgleichszulage durch die Beklagte sei weder willkürlich noch sachwidrig.
4. Kein Verstoß gegen den arbeitsrechtlichen Gleichbehandlungsgrundsatz
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Der Kläger war nicht mit Mitarbeitern in Kurzarbeit vergleichbar, da er voll freigestellt und nicht dem Arbeitsmarkt zur Verfügung stand.
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Eine willkürliche Schlechterstellung wurde nicht erkennbar gemacht.
5. Verjährung
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Ansprüche für 2018 und 2019 sind gemäß §§ 194, 195, 199 BGB verjährt.
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Der Kläger konnte keine treuwidrige Berufung der Beklagten auf die Verjährung (Vertröstung etc.) substantiiert darlegen.
IV. Rechtliche Einordnung und Bedeutung
Das Urteil unterstreicht:
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Die rechtliche Unverbindlichkeit von Lohnabrechnungen als bloße Wissenserklärungen.
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Die Grenzen des Lohnausfallprinzips bei ehrenamtlicher Personalvertretungstätigkeit.
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Die Anforderungen an die Substantiierung von Schadenersatz- und Entgeltfortzahlungsansprüchen.
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Die strenge Anwendung der Verjährungsregelungen im Arbeitsrecht.