Kiel. Eine toxische Mischung von Belastungsfaktoren ließ Lille vor fast drei Monaten keine Wahl mehr. Die Folge: Insolvenzantrag. Corona-Nachwehen, Wirtschaftsflaute, hohe Energie-, Rohstoff- und Finanzierungskosten sowie die zu geringe Auslastung der kreditfinanzierten Brauanlagen hatten das einstige Vorzeige-Start-up in die Enge getrieben.
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Die Chance, dass es eine Zukunft gibt, ist nach wie vor da. Insolvenzverwalter Helge Krüger verhandelt mit mehreren potenziellen Investoren. Der Betrieb läuft normal weiter, auch das Event-Geschäft wird fortgeführt: „Wir freuen uns über jede Anfrage“, sagt der Sanierungsexperte von der Kanzlei Reimer. Niemand müsse Sorge haben, dass eine fest gebuchte Veranstaltung insolvenzbedingt ausfallen muss.
Nach Insolvenz: Rettung der Lille-Brauerei langwieriger als erwartet
Doch nun zeigt sich auch: Die Rettung der Kultbrauerei mit aktuell 32 Beschäftigten gestaltet sich langwieriger als erwartet, die Gespräche mit den Investoren, mit Banken und Vermieter sind anspruchsvoll: „Wir brauchen noch Zeit, um eine für alle gute und langfristig tragfähige Lösung zu finden“, sagt Krüger.
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Wie lange kann Lille das durchstehen? Der Insolvenzverwalter baut darauf, dass die bald beginnende Saison dem Unternehmen so viel Umsatz beschert, dass Lille sich bis August 2025 aus eigener Kraft über Wasser halten kann. Doch so lange soll und muss es nicht dauern: „Wenn wir vorher eine gute Lösung hinbekommen, wird es natürlich schneller eine Übertragung geben.“
Lille-Insolvenz: Schwieriger Umgang mit „Bierpapieren“
Ziemlich kompliziert gestaltet sich die Abwicklung der sogenannten Bierpapiere: Die Lille-Gründer hatten sich mit einer Art Bierabo auf Vorkasse rund eine halbe Million Euro an Liquidität verschafft – Geld, mit dem sie den Absatz von Lille-Bräu in die Höhe treiben wollten. Verkauft wurden rund 3000 Bierpapiere für je 175 Euro. Als Gegenleistung sollte es 25 Jahre lang zwölf Bier pro Jahr geben. Doch diese Zusage ist nun hinfällig, denn auch ein neuer Eigentümer ist nicht verpflichtet, Bierpapiere einzulösen. Wie viel die Papiere noch wert sind, ist schwer zu sagen. Denn welchen Preis muss man ansetzen für ein Bier, dass man zum Beispiel im Jahr 2035 einlösen kann?
Insolvenzverwalter Krüger hat unter Berücksichtigung von Zins- und Inflationseffekten einen Betrag errechnet, der um einiges über den investierten 175 Euro liegt. In einem rund 3000-fach versandten Schreiben werden die Bierpapier-Inhaber jetzt gebeten, ihre Forderung zur Insolvenztabelle anzumelden. Was sie am Ende tatsächlich erhalten, hängt von der Insolvenzquote ab. Die liegt im Schnitt solcher Verfahren in der Größenordnung von zehn Prozent, doch bei Lille könnte es auch weniger sein.
Inhaber von Lille-Genussrechten sehen ihr Geld nicht wieder
Keinen Cent wiedersehen werden die Lille-Fans, die dem Unternehmen über sogenannte Genussrechte Risiko-Kapital zur Verfügung gestellt haben, insgesamt 620 mal 165 Euro. Diese Forderungen sind „nachrangig“ und damit verloren.
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Die Nachricht von der Insolvenz hatte weit über Kiel hinaus Schlagzeilen gemacht. In den zehn Jahren seit den ersten Brauexperimenten in den Räumen der Muthesius-Schule hatte sich Lille zu einer Marke mit hoher Bekanntheit in Handel und Gastronomie entwickelt. Anspruch war nie, das tausendste hippe Craftbier auf den Markt zu bringen, sondern ein unverfälschtes Genussmittel mit möglichst regionalen Zutaten, und das gebraut mitten in Kiel.
Das Wachstum war beeindruckend, verschlang aber auch riesige Summen. Der Aufbau der eigenen Brauerei mit großem Schankraum und Gastronomie in der ehemaligen Coca-Cola-Abfüllstätte am Eichkamp markiert den markantesten Meilenstein des Wachstums. Bis dahin musste Lille sich als Gast in anderen Brauereien einquartieren, liebevoll sprach man von „Kuckucksbier“.
KN