Freelancer als Chance und Risiko: Scheinselbstständigkeit vermeiden
Der Einsatz von Freelancern hat in Unternehmen zunehmend an Attraktivität gewonnen. Flexibilität, keine festen Personalkosten und der Wegfall von Sozialabgaben sind klare Vorteile. Doch ein oft unterschätztes Risiko ist die sogenannte „Scheinselbstständigkeit“ – eine rechtliche Grauzone mit potenziell gravierenden Konsequenzen. Hier erfahren Sie, worauf Sie achten sollten und wie Sie sich absichern.
Was bedeutet Scheinselbstständigkeit?
Scheinselbstständigkeit liegt vor, wenn ein Freelancer faktisch wie ein Angestellter behandelt wird. Indikatoren hierfür sind:
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Eingliederung in die Arbeitsorganisation des Unternehmens
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Weisungsgebundenheit bezüglich Arbeitszeit und -ort
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Nutzung von unternehmenseigenen Arbeitsmitteln
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Kein unternehmerisches Risiko
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Ausschließliche Tätigkeit für einen einzigen Auftraggeber
Ein Beispiel: Ein IT-Spezialist arbeitet ausschließlich für ein Unternehmen, sitzt täglich im Büro des Auftraggebers und nutzt dessen Infrastruktur. In solchen Fällen kann die Sozialversicherungspflicht rückwirkend festgestellt werden. Die Konsequenzen reichen von hohen Nachzahlungen bis hin zu strafrechtlichen Sanktionen für Geschäftsführer.
Aktuelle Entwicklungen und verschärfte Prüfungen
Besonders nach der Pandemie haben Behörden ihre Kontrollen intensiviert. Ein aktueller Fall aus der Praxis zeigt die Brisanz: Ein Startup beschäftigte über Jahre hinweg Freelancer im EU-Ausland. Im Zuge einer Betriebsprüfung wurden ausländische Finanzbehörden eingebunden, was in sechsstelligen Nachforderungen resultierte. Dank gezielter Beratung konnten strafrechtliche Verfahren vermieden werden – doch der finanzielle Schaden war erheblich.
Internationale Unterschiede: Employer of Record als Lösung?
In Ländern wie den USA oder Asien nutzen Unternehmen oft „Employer of Record“ (EOR)-Dienstleister, die als offizieller Arbeitgeber fungieren und rechtliche Risiken minimieren. In der EU gibt es dieses Konzept jedoch nicht in gleicher Weise. Auftraggeber haften direkt für Verstöße gegen arbeitsrechtliche Vorschriften. Internationale Unternehmen müssen daher besonders sorgfältig vorgehen.
Folgen einer Scheinselbstständigkeit
Die Risiken sind vielfältig:
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Finanzielle Belastung: Sozialversicherungsbeiträge und Steuernachforderungen, die über Jahre rückwirkend eingefordert werden können.
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Strafrechtliche Konsequenzen: Geschäftsführer können persönlich haftbar gemacht werden, insbesondere bei Vorsatz.
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Reputationsschäden: Unternehmen, die als „Sozialbetrüger“ gelten, riskieren den Verlust von Kunden- und Partnervertrauen.
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Arbeitsrechtliche Ansprüche: Freelancer können nachträglich Arbeitnehmerrechte einklagen, darunter Urlaubsansprüche und Abfindungen.
Strategien zur Vermeidung von Scheinselbstständigkeit
Die gute Nachricht: Mit kluger Gestaltung können Unternehmen das Risiko minimieren. Hier einige bewährte Maßnahmen:
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Klare vertragliche Regelungen: Verträge sollten die Unabhängigkeit des Freelancers betonen, z. B. durch freie Arbeitszeiten und eigene Arbeitsmittel.
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Mehrere Auftraggeber: Eine Tätigkeit für verschiedene Kunden reduziert das Risiko einer wirtschaftlichen Abhängigkeit.
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Statusfeststellungsverfahren: Eine frühzeitige Prüfung durch die Deutsche Rentenversicherung kann Klarheit schaffen.
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Unternehmerisches Risiko: Freelancer sollten eigene Investitionen tätigen und aktiv Kundenakquise betreiben.
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Sensibilisierung der Führungskräfte: Schulungen helfen, Risiken frühzeitig zu erkennen und Fehler zu vermeiden.
Warum jetzt handeln?
Die regulatorischen Rahmenbedingungen werden strenger, und Unternehmen müssen sich darauf einstellen. Ob Startups oder Konzerne – Prävention ist immer günstiger als Schadensbegrenzung. Wer frühzeitig geeignete Maßnahmen ergreift, kann teure Fehler vermeiden und rechtssicher agieren.
Ihr nächster Schritt
Scheinselbstständigkeit ist ein komplexes Thema, aber mit der richtigen Strategie lassen sich Risiken effektiv minimieren. Lassen Sie sich gerne von mir beraten, um Ihr Unternehmen optimal aufzustellen und mögliche Fallstricke zu umgehen.
Nadine Teichert
Rechtsanwältin
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