Start-ups mit einem rein weiblichen Gründerteam haben nur wenig Chancen auf Investitionen. (Symbolbild)
Quelle: Imago
„Als Gründerin brauchst Du einen männlichen Partner, andernfalls gewinnst Du kein Vertrauen bei den Investoren“, sagt die Münchener Start-up-Gründerin Tina Ruseva im Gespräch mit ZDFheute.
Die Fakten bestätigen ihre Erfahrung. Aus einer aktuellen Studie der Prüfungsgesellschaft EY geht hervor, dass 2024 nur ein Prozent des Risikokapitals an Start-ups mit einem rein weiblichen Gründungsteam ging. Zwölf Prozent flossen an gemischte Teams und der überwältigende Teil, 87 Prozent, gingen an Gründerteams, die nur aus Männern bestehen.
Start-up-Kapital nach Geschlecht der Gründungsmitglieder
ZDFheute Infografik
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Geschlechterstereotype in der Start-up-Branche
Die Frankfurter BWL-Professorin Veronika Kneip kennt zwar auch erfolgreiche reine Gründerinnenteams, aber die hätten es vor allem im Bereich der Risikokapitalfinanzierung deutlich schwerer.
Frauen werden in den Investorenrunden viel häufiger nach dem möglichen Scheitern gefragt. Bei Männern geht es eher um Wachstum.
Veronika Kneip, BWL-Professorin aus Frankfurt
Auch bei Banken sei es als Geschäftsfrau immer noch schwierig, ergänzt Tina Ruseva. Zwei Mal habe sie bislang bei Banken einen größeren Kredit angefragt. Beide Male habe die Bank bei ihrem Beruf „Hausfrau“ eingetragen, obwohl sie Geschäftsführerin ihres eigenen Unternehmens ist.
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Gemeinsamkeiten für Investoren attraktiver
Investment- und Business-Netzwerke sind noch immer von Männern dominiert, die männliche Gründer bevorzugen. Ruseva fasst es so zusammen:
Investoren geben am liebsten denjenigen ihr Geld, die so sind, wie sie selbst.
Tina Ruseva, Gründerin „Mentessa“
Die Informatikerin hat insgesamt schon drei Start-ups gegründet, darunter „Mentessa“, eine Art Business-Tinder. Wenn man beispielsweise Thomas heißt, meint Ruseva, sei es in der Männerwelt des Risikokapitals einfacher, Gemeinsamkeiten zu den Investoren zu finden, als wenn man – wie sie selbst – Tina heißt und aus Bulgarien stammt.
Weniger Vertrauen in weibliche Gründungsteams
Dass Investoren Frauen wenig Kompetenz in Sachen Finanzen zutrauen, zeigt auch die Erfahrung der Essener Start-up-Gründerin Hind Seiferth. Da sie Diplom-Kauffrau ist, war für sie klar, im Unternehmen für die Jahresabschlüsse und die Steuern zuständig zu sein. Die Investoren aber, erzählt Hind Seiferth ZDFheute, hätten sie als Frau immer lieber in einer eher kommunikativen Rolle gesehen wie etwa im Marketing.
Sie hat gemeinsam mit drei Kollegen „Unigy“ gegründet – ein Unternehmen aus der Energiewirtschaft, das KI-gesteuert für Stadtwerke den Strom an der Börse handelt. Hind Seiferth rät anderen Frauen daher, immer im Team zu gründen. Aber was wäre wohl gewesen, wenn sie nicht mit drei Männern, sondern mit drei Frauen gegründet hätte?
Ganz ehrlich? Ich glaube, sie hätten uns das Geld nicht gegeben. Das hätten sie vier Frauen nicht zugetraut.
Hind Seiferth, Mitgründerin „Unigy“
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Warum Frauen in Führungsteams gehören
Hind Seiferth fordert daher eine Art „Ethik-Code“ für die Investorenlandschaft. Und der Staat sollte da eingreifen, wo er es könnte. Sie habe mal, erinnert sich Hind Seiferth, einen Pitch gehalten vor einem Fonds, an dem auch der deutsche Staat maßgeblich beteiligt ist. Selbst da habe sie einer Jury aus 14 Männern und einer Frau gegenübergesessen. Die Idee des „Ethik-Codes“ findet auch Veronika Kneip richtig, um ein Bewusstsein für die oft unbewusst wirkenden Stereotype zu schaffen.
Investoren glauben, nach Leistung Geld zu vergeben, merken dabei aber nicht, wie hoch die persönliche Komponente ist.
Veronika Kneip, BWL-Professorin aus Frankfurt
Unter #womeninmalefields teilen Frauen auf Tiktok ihre Erfahrungen mit Sexismus – und zwar mit vertauschten Rollen, um Männern den Spiegel vorzuhalten.30.11.2024 | 1:10 min
Haben alle was davon, wenn mehr Frauen Unternehmen gründen? Dazu sei die Studienlage eindeutig, sagt Veronika Kneip, die auch das Forschungsprojekt „Sichtbarkeit innovativer Gründerinnen“ leitet. Wenn Führungsteams diverser sind, weiten sich die unternehmerischen Perspektiven, es gibt innovativere Produktideen für größere Konsumentengruppen und eine breitere Erfahrung im Umgang mit den Mitarbeitenden. Und wer sind nun die erfolgreicheren Gründer, Frauen oder Männer? In dieser Hinsicht ist die Forschungslage leider noch unklar.
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