Ausgangslage:
Optune ist ein medizinisches Gerät, das zur Behandlung von Glioblastomen, einer aggressiven Form von Hirntumor, eingesetzt wird. Es nutzt sogenannte Tumor Treating Fields (TTFields), um das Wachstum von Krebszellen zu verlangsamen oder zu stoppen. Diese TTFields sind elektrische Felder, die auf das Gehirn gerichtet werden und die Zellteilung stören, was letztlich das Tumorwachstum hemmt.
Das Gerät besteht aus einem tragbaren Generator, der über Kabel mit auf dem Kopf des Patienten angebrachten Elektroden verbunden ist. Diese Elektroden erzeugen die TTFields, die kontinuierlich auf den Tumorbereich einwirken. Die Behandlung mit Optune wird in der Regel in Kombination mit anderen Therapien wie Operation, Strahlentherapie und Chemotherapie angewendet.
Optune wurde von der US-amerikanischen Food and Drug Administration (FDA) und der Europäischen Arzneimittel-Agentur (EMA) zugelassen und hat sich als wirksame Ergänzung zur Standardbehandlung von Glioblastomen erwiesen. Die kontinuierliche Anwendung des Geräts erfordert jedoch ein hohes Maß an Engagement und Anpassung seitens des Patienten, da es für einen Großteil des Tages getragen werden muss.
Der Gemeinsame Bundesausschuss (G-BA) hat sich mit der Behandlung von Glioblastomen mit Optune befasst. Der G-BA ist das oberste Beschlussgremium der gemeinsamen Selbstverwaltung im deutschen Gesundheitswesen und entscheidet unter anderem über die Erstattungsfähigkeit neuer Behandlungsmethoden durch die gesetzliche Krankenversicherung (GKV).
Im Jahr 2020 hat der G-BA beschlossen, dass die Behandlung mit Tumor Treating Fields (TTFields) bei neu diagnostiziertem Glioblastom von der GKV übernommen werden kann, wenn nach Abschluss der Radiochemotherapie keine frühe Krankheitsprogression nachgewiesen wurde. Diese Entscheidung basiert auf einer positiven Bewertung der Wirksamkeit und Sicherheit der Methode.
Für Patienten mit rezidiviertem Glioblastom ist die Situation jedoch anders. Der G-BA hat entschieden, dass die Evidenzlage für die Anwendung von TTFields bei rezidiviertem Glioblastom nicht ausreicht, um eine generelle Kostenübernahme durch die GKV zu rechtfertigen. Das bedeutet, dass die Behandlung mit Optune bei einem rezidivierten Glioblastom in der Regel nicht von der GKV übernommen wird.
Sachverhalt:
Trotz dieser eindeutigen Rechtslage lehnen gesetzliche Krankenkassen immer wieder die Versorgung mit Optune ab, obwohl nach Radiochemotherapie noch keine Progression und kein Rezidiv aufgetreten sind. Die perfidere Alternative ist es, über den Antrag einfach nicht zu entscheiden. Der Betroffene läuft Gefahr, dass ein Progress oder ein Rezidiv auftritt. Hat die Krankenkasse zu diesem Zeitpunkt noch nicht entschieden, so ist sie nicht mehr verpflichtet, Optune zu bewilligen. Denn zum Zeitpunkt der Entscheidung liegen die Voraussetzungen, die der G-BA aufgestellt hat, nicht mehr vor.
Rechtliche Lösung:
Mit Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung kann man der Krankenkasse ihre Grenzen aufzeigen. Der Anordnungsanspruch ergibt sich aus dem Beschluss des G-BA. Kritisch ist der Anordnungsgrund. Denn in der Regel sind die Betroffenen durch den Hersteller bereits versorgt. Der Hersteller Novocure sichert seinerseits zu, keine Kosten in Rechnung zu stellen, wenn der Betroffene einen Antrag auf Versorgung bei der Krankenkasse stellt. Das Risiko ist für den Hersteller überschaubar. Und bei Bewilligung zahlt die Krankenkasse monatlich über 14.000 € an Novocure. Was passiert, wenn ein Progress oder Rezidiv vor Bewilligung auftritt, ist ungewiss.
Ob diese Argumentation verfängt, bleibt unklar. Denn in zwei Verfahren im Januar 2025 hat die Krankenkasse jeweils anerkannt, bevor das Gericht entschieden hat. Tendenziell war nicht zu erkennen, dass das Gericht den Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung zurückgewiesen hätte.
Fazit:
Die Versorgung durch Novocure schafft eine trügerische Sicherheit. Denn die Krankenkasse kann rechtmäßig die Bewilligung ablehnen, wenn zwischen Antrag und Bescheid ein Progress oder Rezidiv auftritt. Ob Novocure dann die Versorgung weiter kostenlos zur Verfügung stellt, ist unklar und nicht zu erwarten. Nur durch einstweiligen Rechtschutz lässt sich der Anspruch zeitnah durchsetzen.