Sockelverteidigung – was ist das überhaupt?
Wenn im selben Strafverfahren mehrere Personen beschuldigt sind, bietet sich unter Umständen eine sogenannte Sockelverteidigung an. Hierunter versteht man ein gemeinsames prozesstaktisches Vorgehen aller involvierten Strafverteidiger. Oft macht es Sinn, zusammen eine Strategie zu entwickeln, es gibt jedoch auch Fälle, in denen hiervon abzuraten ist. Wann ist es klug, wann nicht?
Wann macht eine Sockelverteidigung Sinn?
Die Sockelverteidigung birgt sowohl Chancen, als auch Risiken in sich. Die Chancen liegen ganz klar in dem Führen einer einheitlichen und stimmigen Verteidigungslinie, wohingegen Risiken dahingehend bestehen, dass Widersprüchlichkeiten und Unstimmigkeiten in den Aussagen genau das Gegenteil bewirken können: Nämlich die eigenen Probleme im Endeffekt nur zu vergrößern. Äußerungen des einen Angeklagten können nämlich belastende Beweismittel gegen einen oder mehrere Mitangeklagte haben. Ziel der Sockelverteidigung ist es also, die bestehenden Risiken frühzeitig auszuloten, zu beseitigen und die Chancen zu nutzen, um als Einheit aufzutreten.
Was ist zu beachten?
Dies steht zunächst durchaus im Widerspruch zur eigentlichen Rolle des Strafverteidigers, welcher nur für seinen eigenen Mandanten zuständig ist und diesen individuell verteidigt. Der Widerspruch löst sich aber dann (und nur dann) auf, wenn die Möglichkeiten einer gemeinsamen Linie auch dem Individualinteresse des eigenen Mandanten dienen. Das gewonnene Narrativ soll im Ergebnis eine einheitliche Grundlage für die Urteilsfindung des Einzelnen absichern. Alle müssen zufrieden mit der gefahrenen Linie sein. Dies kann unter Umständen schwer zu erreichen sein, da die Hauptverhandlung (oder bereits das Ermittlungsverfahren) ein dynamischer Prozess ist, in welchem sich die gewonnenen Erkenntnisse, die vertretenen Auffassungen und der Gehalt von Beweismitteln ebenso wie zwischenmenschliche Beziehungen der Mandanten untereinander verändern können und Situationen gegebenenfalls neu bewertet werden müssen. Die Grenzen müssen im Vorfeld klar abgesteckt sein und immer wieder neu kommuniziert werden, damit es nicht unter Umständen zu Verwerfungen kommt.
Was sind die Voraussetzungen?
- Grundvoraussetzung ist natürlich zunächst einmal, dass allen Beschuldigten der selbe Tatvorwurf gemacht wird oder dieser zumindest im Wesentlichen auf einem einheitlichen Lebenssachverhalt fußt. Fernerhin müssen die verschiedenen Beschuldigten auch gewissermaßen „miteinander können“. Das heißt nicht zwangsläufig, dass man gut befreundet ist oder Hand in Hand durch die Straßen hüpft; aber zumindest eine gewisse Grundsympathie oder -vertrautheit ist dahingehend anzuraten, als dass man den anderen nicht in die Pfanne hauen möchte, sondern für jeden das bestmögliche Ergebnis wünscht.
- Erst nach Klärung der tatsächlichen Ebene (Sachverhalt, zwischenmenschliche Beziehungen) geht es um die eigentlich juristischen Erwägungen, die auch etwas mit der Prozesstaktik und dem Verteidigungsstil des Einzelnen zu tun haben: Ist eine Sockelverteidigung überhaupt gewünscht? Passt sie zum Konzept und zum Verfahren? Sind sich auch die Verteidiger einig über die gefahrene Prozesstaktik oder können Einigkeit gewinnen?
- Ganz klar ergibt sich hieraus, dass eine Sockelverteidigung dann ausdrücklich keinen Sinn macht, wenn einzelne Beschuldigte eine Aussage machen wollen und andere nicht oder von vornherein gegenseitige Anlastungen beabsichtigt sind.
Was macht für mich persönlich Sinn?
Der Artikel soll vornehmlich einen ersten Einblick in die immer zu treffenden Erwägungen gewähren, was jedoch nie die Einzelfallbetrachtung ersetzt. In jedem Fall ist es zwingend notwendig, zunächst die allgemeingültigen Tipps für Beschuldigte zu beachten: Mund halten, eigenen Anwalt beauftragen, Akteneinsicht beantragen und die gewonnenen Erkenntnisse sodann mit dem Verteidiger besprechen. Erst wenn man ein möglichst abschließendes Bild über den Sachverhalt erlangt hat, macht es Sinn sich im Anschluss über die beste Vorgehensweise Gedanken zu machen, die unter Umständen eben auch ein gemeinsames Verteidigungsmodell umfassen kann. Sind Sie selbst Beschuldigter in einem Strafverfahren? Sprechen Sie mich jederzeit gerne an. Als Fachanwalt für Strafrecht und mit meiner ausschließlichen Tätigkeit als Strafverteidiger weiß ich, worauf es ankommt und kann mit Ihnen zusammen die besten Entscheidungen treffen, um die Angelegenheit bestmöglich für Sie zum Abschluss zu bringen.