Ein Verkehrsunfall ist oft ein Schock: Blechschaden, Adrenalin, ein Hoch an Emotionen – und plötzlich müssen wichtige Entscheidungen getroffen werden. Genau in dieser stressigen Situation unterlaufen viele Fehler, die später teuer werden können oder die eigene Position massiv schwächen.
Im Folgenden zeige ich Ihnen die fünf häufigsten Fehler, die ich als Anwalt für Verkehrsrecht regelmäßig in der Praxis erlebe – und wie Sie sie vermeiden können.
1. Vorschnelles Schuldeingeständnis – „Tut mir leid, das war meine Schuld!“
Beispiel aus der Praxis:
Ein Mandant fährt jemandem beim Einparken leicht auf das Heck. Er steigt sofort aus, entschuldigt sich mehrfach und sagt: „Ich war unaufmerksam – das geht auf meine Kappe.“ Später stellt sich heraus: Der andere Fahrer hatte rückwärts gesetzt. Doch durch das spontane Schuldeingeständnis hat sich mein Mandant in eine ungünstige Beweislage gebracht – mit Konsequenzen für die Regulierung.
Tipp: Auch wenn es menschlich nachvollziehbar ist: Äußern Sie sich am Unfallort nicht zur Schuldfrage! Halten Sie die Situation sachlich fest, tauschen Sie Daten aus – aber vermeiden Sie Einlassungen zur „Schuld“. Die rechtliche Bewertung sollte ein Anwalt oder die Versicherung übernehmen.
2. Keine Beweise sichern – „Wir regeln das schon irgendwie“
Beispiel aus der Praxis:
Zwei Fahrzeuge stoßen auf einer engen Straße leicht zusammen. Beide Fahrer sind sich unsicher, wer Schuld hat. Statt die Polizei zu rufen oder Fotos zu machen, fahren sie einfach weiter. Am nächsten Tag meldet sich der andere Fahrer – plötzlich ist der Schaden viel größer als am Unfallort sichtbar, und die Schuld liegt angeblich eindeutig bei meinem Mandanten.
Tipp: Fotos machen – immer. Dokumentieren Sie Fahrzeugpositionen, Schäden, Straßenschilder, Ampeln, Sichtverhältnisse, Wetter. Sichern Sie Spuren wie Bremsspuren oder Fahrzeugteile. Fragen Sie Passanten, ob sie etwas gesehen haben, und notieren Sie deren Namen. Diese Beweise können später entscheidend sein – auch bei widersprüchlichen Aussagen.
3. Alleinige Kommunikation mit der gegnerischen Versicherung – „Die haben sich doch schon bei mir gemeldet“
Beispiel aus der Praxis:
Nach einem unverschuldeten Unfall meldet sich die gegnerische Haftpflichtversicherung direkt beim Geschädigten – freundlich, schnell, „unbürokratisch“. Sie bietet eine schnelle Zahlung an. Leider deutlich unter dem Wert, den ein Gutachten ergeben hätte. Der Geschädigte hat das Geld bereits angenommen – und damit oft seine Ansprüche abgegolten.
Tipp: Die gegnerische Versicherung verfolgt nicht Ihre Interessen, sondern will vor allem möglichst wenig zahlen. Sprechen Sie mit einem Anwalt, bevor Sie irgendetwas unterschreiben oder zusagen. Eine frühzeitige Beratung kostet Sie bei einem unverschuldeten Unfall in der Regel nichts, da die gegnerische Versicherung die Kosten übernimmt.
4. Kein Arztbesuch – „Wird schon wieder, war ja nur ein kleiner StoĂź“
Beispiel aus der Praxis:
Nach einem Auffahrunfall klagt eine Mandantin über leichte Kopfschmerzen, geht aber nicht zum Arzt. Zwei Tage später verstärken sich die Schmerzen. Die Versicherung zweifelt an, dass die Beschwerden mit dem Unfall zusammenhängen – denn sie wurden nicht zeitnah dokumentiert.
Tipp: Gehen Sie vorsichtshalber zum Arzt, auch bei vermeintlich leichten Beschwerden. Viele Verletzungen wie Schleudertrauma oder Prellungen zeigen sich verzögert. Eine ärztliche Dokumentation innerhalb der ersten 24–48 Stunden ist extrem wichtig für die Beweissicherung.
5. Keine anwaltliche Hilfe – „Das kläre ich selbst, spart Geld“
Beispiel aus der Praxis:
Ein Mandant wickelt die Schadensregulierung selbst ab. Er erhält zwar die Reparaturkosten, übersieht aber, dass ihm zusätzlich Nutzungsausfall, Mietwagenkosten, Wertminderung und ggf. Schmerzensgeld zustehen würden. Diese Ansprüche werden nicht geltend gemacht – und verfallen.
Tipp: Lassen Sie sich rechtlich beraten, am besten gleich zu Beginn. Nur so stellen Sie sicher, dass alle AnsprĂĽche vollständig geprĂĽft und durchgesetzt werden – inklusive oft ĂĽbersehener Posten.Â
Und: Bei einem unverschuldeten Unfall zahlt die gegnerische Versicherung auch die Anwaltskosten.
Fazit: Ein Unfall ist schnell passiert – aber die Folgen können lange nachwirken. Wer sich frühzeitig richtig verhält, schützt sich vor finanziellen Nachteilen und nervenaufreibendem Streit mit Versicherungen.