Das Opfer wird hier mit fremdem sexuellen Verhalten (Entblößungshandlung) konfrontiert, welches für sie oder ihn bedrohlich wirken oder zumindest so aussehen kann. Dem Opfer wird dieses Verhalten durch die räumliche Nähe und den Sichtkontakt geradezu aufgezwungen, – es kann ihm nur entgehen, indem es sich entfernt bzw. weggeht. Körperkontakt findet bei diesem Delikt nicht statt, nur Sichtkontakt. Dem Täter, der nur ein Mann sein kann, kommt es durch das Zurschaustellen seines Gliedes darauf an, das Opfer zu erschrecken, sich sexuell zu erregen und sich auch an der Reaktion des Opfers „aufzugeilen“. Dem Täter kommt es darauf an, dass das Opfer seinen Penis sieht bzw. wie er daran rummanipuliert. Das verschafft dem Täter ganz offensichtlich einen Kick, einen Adrenalinschub, einen Lustgewinn. Diese Strafvorschrift soll in erster Linie das psychische Wohlbefinden des Opfers schützen, auch davor, dass nicht einfach einer anderen Person sexuelle Betätigung aufgezwungen werden darf, auch wenn es hier „nur“ auf optische Sichtdistanz ist. So unterschiedlich die Opfer sind, können ihre Reaktionen von Ekel, Sicherschrecken, Angst bis hin zum „Es-lustig-finden“ gehen. Es mag auch Fälle gegeben haben, wo das Opfer der Handlung schließlich auch zugestimmt hat und die Handlung interessiert weiter beäugt hat, aber das sind sicher sehr seltene Fälle.
Ob eine exhibitionistische Handlung vorliegt, ist, wie so oft, aus der objektiven Betrachtungsweise her zu bestimmen. Wenn ein Mann an einem Baum am Straßenrand uriniert und dann zufällig und überraschend eine Frau vorbeigeht und seinen Penis sieht, liegt keine exhibitionistische Handlung vor, da der Mann den Fokus nicht auf sein Geschlechtsteil lenken will, sondern schlicht und einfach mit Urinieren beschäftigt ist und gerade nicht will, dass man ihm dabei zusieht. Wenn ein Mann nackt schwimmen geht oder nackt ein Sonnenbad nimmt, so macht er sich nicht nach § 183 StGB strafbar, da es bereits an der sexuellen Intention / Motivation fehlt und er auch nicht sein Glied in den Vordergrund stellen will. Auch Leuten, die nackt wandern oder plötzlich quer über ein Fußballfeld flitzen (Flitzer), kann man eine sexuelle Motivation wohl kaum unterstellen, ebenso wenig Leuten, die sich aus Provokation entblößen.
Wenn der Mann – offensichtlich ein Spanner / Voyeur – sich heimlich auf die Lauer legt und sich – ohne von jemandem gesehen zu werden und es auch partout vermeiden will, dass er entdeckt oder gesehen wird – beim Anblick von fremden (nackten) Personen sich selbst befriedigt, also masturbiert, so ist er straflos.
Für den § 183 StGB ist entscheidend, dass der Mann sein Glied dem Betrachter oder der Betrachterin, die es sehen soll, worauf es ihm ankommt, gezielt präsentieren und zeigen will und er sich dadurch nicht nur sexuell erregen will, sondern sich auch persönlichen Lustgewinn durch die Reaktion des Opfers erhofft. Der Täter sucht in der Regel gezielten Blickkontakt. Der Täter muss gerade zum Ziel haben, dass eine andere Person seine Entblößungshandlung wahrnimmt; wenn er gerade das vermeiden will, dann ist er kein Exhibitionist.
Wenn das Opfer ein Kind ist, ist § 176a I Nr.1 StGB, Vornahme von sexuellen Handlungen vor einem Kind, (Sexueller Missbrauch von Kindern ohne Körperkontakt mit dem Kind) zu prüfen (Freiheitsstrafe von 6 Monaten bis zu 10 Jahren).
Bei den Tätern handelt es sich häufig nicht um eine einmalige Sache, sondern sie machen das regelmäßig, um dadurch sexuelle Befriedigung zu erfahren. Es ist quasi Bestandteil ihrer Sexualität. Bei vielen ist Ursache auch eine psychische Erkrankung. Es ist nicht selten, dass die Täter – gelangweilt von den immer gleichen Entblößungsmustern bzw. -handlungen – zu „härteren“ Handlungen greifen, immer aggressiver und aufdringlicher werden, sich weiter steigern (z.B. durch gleichzeitiges Äußern von sexualbezogenen Wörtern oder Ausdrücken) und letztendlich und schließlich auch die letzte Grenze überschreiten und Hand an das Opfer (sog. „Hands-on-Delikte“) legen, womit man bei anderen wesentlich härter bestraften Delikten des 13. Abschnitts des StGB wäre.
Die Dunkelziffer ist hoch, weil viele Opfer – obwohl sie sich belästigt gefühlt haben – eine exhibitionistische Handlung trotzdem nicht anzeigen, weil sie z.B. den Aufwand, bei der Polizei eine Anzeige zu erstatten, scheuen, und ihnen ansonsten – ausser dem meist nur kurzen Schrecken – ja nichts passiert ist. Da wir hier nicht selten von Wiederholungstätern reden, wandert ein zweiter einschlägiger Verstoß gegen § 183 StGB meist schon zum Gericht. Der erste Verstoß, vorausgesetzt der Täter weist keinen Bundeszentralregistereintrag – und erst recht keinen sog. „einschlägigen“ – auf, wird häufig nach § 153a StPO gegen eine (Geld-) Auflage eingestellt, – aber auch eben nicht immer.
Der Belästigungserfolg muss beim Opfer eingetreten sein. Das ist meist Ekel und Erschrecken / Schrecken, weil es unerwartet kommt und die meisten Menschen so etwas bisher noch nicht gesehen haben. Das kann bis zum Schock beim Opfer gehen. Emotionen können in unterschiedlicher Art hervorgerufen werden. Wenn es so ist, dass die Person, die das ansehen muss oder zufällig sieht, nur darüber lachen kann, dann ist diese Person sicher nicht belästigt. Wenn die exhibitionistische Handlung von z.B. 10 Menschen gesehen und beobachtet wird, worauf es dem Täter ankam, und sich nur einer davon belästigt fühlt und die anderen 9 nicht, weil es ihnen vielleicht egal oder gleichgültig ist, was da passiert, so ist der Tatbestand trotzdem erfüllt.
Täter einer exhibitionistischen Handlung kann nur ein Mann sein. Das mag zwar nicht mehr zeitgemäß erscheinen, ist aber so.
Nach § 183 Absatz 2 StGB ist ein Strafantrag erforderlich. Da es ein sog. relatives Antragsdelikt ist, genügt für die Verfolgung auch das besondere öffentliche Interesse an der Strafverfolgung, was sicher bei Wiederholungstätern zu bejahen ist.
Im Falle einer Verurteilung droht Freiheitsstrafe bis zu einem Jahr oder Geldstrafe. Der niedrige Strafrahmen hat sicher seinen Grund darin, dass die psychischen Beeinträchtigungen bzw. Beeinträchtigung des Wohlbefindens (Ekel, Angst) bei den Opfern i.d.R. nicht allzu schwer wiegen und i.d.R. temporär sind.
Bielefeld, den 08.07.2025
Rechtsanwalt Ralf Kaiser
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