Die Deutschen essen immer weniger Fleisch: Mit rund 53 Kilogramm im Jahr ganze acht Kilogramm weniger pro Kopf, als noch vor zehn Jahren der Fall war. Vegetarische Ersatzprodukte werden dagegen immer wichtiger.
„Nein danke, ich esse kein Fleisch“, sagt eine Teilnehmerin auf dem Deutschen Fleisch-Kongress, als sie in der Pause ein Stück Rindfleisch angeboten bekommt – und ist damit symptomatisch für eine der Entwicklungen, mit denen die Vertreter der Fleisch-Branche sich auseinandersetzen müssen.
Die Bandbreite der Themen ist groß beim Branchentreffen in Mainz: Wie kann künstliche Intelligenz die Prozesse in der Fleischproduktion optimieren? Was können deutsche Unternehmen aus dem Ausland lernen? Und: Mit welchen Trends muss die Branche sich künftig auseinandersetzen?
Größeres Gesundheitsbewusstsein
„Die Menschen werden immer gesundheitsbewusster“, sagt Karin Tischer. Sie beschäftigt sich mit Trends rund um Ernährung und berichtet auf dem Fleischkongress über Entwicklungen bei Ernährungsgewohnheiten rund um die Welt. Für Deutschland und die Fleischbranche hier stellt sie fest: „Die stärker pflanzenorientierte Ernährung ist unaufhaltsam. Die Menschen essen weniger Fleisch und Fisch, und wenn, dann wollen sie bessere Qualität.“
Die sogenannten Flexitarier – also Menschen, die zwar nicht vegetarisch oder vegan leben, aber immer häufiger auf Fleisch verzichten – sind auch das wichtigste Marktsegment für Anbieter, die Ersatzangebote für tierische Produkte herstellen. „Das ist eigentlich schon kein Trend mehr“, sagt Karsten Lindlein, Geschäftsführer von Biovegan aus Bonefeld bei Koblenz. „Das ist eine längerfristige gesellschaftliche Entwicklung.“
Die Firma produziert Ersatzprodukte für Eier, Käse und Fleisch, die später in Drogerien und Supermärkten verkauft werden. 120 Mitarbeiter hat das Unternehmen, 40 mehr als noch vor fünf Jahren, und 2027 sollen es 140 Mitarbeiter sein.
Wachsender Markt für Ersatzprodukte
Ursprünglich hat die Firma nur Back- und Kochzutaten hergestellt. Anfang 2020 wagte sie sich mit ihrem Ei-Ersatz in den Markt für den Ersatz tierischer Produkte vor. 2023 folgte ein veganes Burger-Patty. Mit Erfolg: Das Unternehmen wird in diesem Jahr ungefähr um 16 Prozent wachsen, der Umsatz wird voraussichtlich von 22 Millionen Euro im Jahr 2024 auf 25 Millionen Euro in diesem Jahr steigen.
Nur Ersatzprodukte für Fleisch oder Ei anzubieten, sei aber heute nicht mehr genug, sagt Karsten Lindlein. Vor zehn Jahren habe es vielleicht gereicht, etwas mit dem Label „vegan“ anzubieten. „Inzwischen gucken die Verbraucher aber sehr stark darauf, dass die Zutaten gut sind und die Zutatenliste nicht zu lang ist“, sagt der Geschäftsführer.
Sein Unternehmen setze genau das erfolgreich um: „Wir haben sehr hohe Wiederkaufsraten bei den Fleischersatzprodukten. Und wenn wir unsere Burgerpatties Leuten zum Testen geben, fragen die, ob wir ihnen da jetzt Fleisch untergejubelt haben.“
Vom Fleisch-Riesen zum Veggie-Champion
Auch beim Branchen-Riesen Rügenwalder Mühle sieht man einen wachsenden Markt für die Veggie-Produkte. Der entwickle sich zwar nicht mehr so rasant wie noch vor fünf Jahren, aber das liege daran, dass er damals einfach noch sehr klein gewesen sei.
Das Unternehmen macht inzwischen 70 Prozent seines Umsatzes mit vegetarischen oder veganen Produkten und nicht mehr mit klassischen Frikadellen oder Leberwurst. Der Fokus liegt bei der Entwicklung neuer Produkte auf den Flexitariern, die zwar weniger Fleisch essen wollen, aber den Geschmack mögen und deshalb etwas suchen, das dem Original so nah wie möglich kommt.
„Vegetarier und Veganer sind oft nicht die Hauptzielgruppe für die Unternehmen, die Fleisch-Ersatzprodukte herstellen“, beobachtet Karin Tischer. „Aber sie sind wichtige Impulsgeber, und am Ende landet vieles auf den Tellern von Mischköstlern, das es vorher nur bei Veggies gab.“
Anteil von Veggie-Produkten dennoch gering
In der Einschätzung der Expertin bieten die aktuellen Entwicklungen aber auch in der Zukunft Chancen für Unternehmen: „Es ist gut möglich, dass man mit seinem Produkt eine Nische bedient und damit sehr gut zurechtkommt.“ Und das könne dann auch durchaus mit Fleisch oder Wurst der Fall sein.
So ist es bei der Firma Rügenwalder Spezialitäten Plüntsch aus Nordhessen – die nichts mit der Rügenwalder Mühle zu tun hat. Dort habe man sich bewusst dagegen entschieden, ins Veggie-Segment einzusteigen, sagt Geschäftsführerin Julia Plüntsch.
„Unsere Spezialität ist Teewurst, die Kunden verlangen danach.“ Zwar sei es schon so, dass der Fleischkonsum insgesamt sinke. „Aber wir wachsen sogar wegen der großen Nachfrage nach unserer Wurst. Und solange die Kunden das haben wollen, geben wir ihnen ihr Produkt.“
Und auch wenn der Konsum von Fleisch sinkt und der von pflanzlichen Alternativen steigt, ist das Verhältnis trotzdem noch sehr deutlich: Den in Deutschland gut 53 Kilogramm Fleisch pro Kopf standen im Jahr 2024 dem Statistischem Bundesamt zufolge 1,5 Kilogramm Fleischersatzprodukte gegenüber.
