Großbritanniens Wirtschaft ächzt unter den Folgen des Brexits. Entsprechend bemüht ist die Regierung, um europäische Partner zu buhlen – so auch beim Staatsbesuch von Bundespräsident Steinmeier.
Es ist der dritte Staatsbesuch im Vereinigten Königreich in diesem Jahr. Nach Frankreichs Präsident Emmanuel Macron und US-Präsident Donald Trump reist nun Frank-Walter Steinmeier nach Großbritannien. Dem König sei es wichtig gewesen, dass auch dieser Termin noch in diesem Jahr stattfinden konnte, heißt es.
Doch so ein Staatsbesuch wird wahrscheinlich nie ein Routinetermin. Gestern probte die Reiterstaffel der Welsh-Guards noch einmal in Windsor für die prachtvolle Parade, die für heute vorgesehen ist. Die Helme glänzten, die Pferde standen in Reih und Glied. Major Jeremy Bushell stand der Presse Rede und Antwort: Dies sei Großbritanniens Softpower, darin sei die Nation gut. Die Kavallerie sei ein bedeutender Teil dessen.
Intensives Werben um deutsche Partner
Der dritte Staatsbesuch in einem Jahr – da deutet sich auf jeden Fall an, wie Großbritannien sich nun verorten will in der Zeit nach dem Brexit: zwischen den USA und Europa. Gerade wirtschaftlich steht viel auf dem Spiel für Großbritannien. Der Brexit hinterlässt Spuren. Eine neue Studie des National Bureau of Economic Research fasst zusammen, dass die Wirtschaftskraft Anfang 2025 sechs bis acht Prozent niedriger ausfiel als in einem Szenario ohne den Brexit. Auch die Investitionen fallen niedriger aus.
An der Stelle zum Beispiel kommen deutsche Unternehmen ins Spiel. Die Regierung Starmer sucht die Annäherung, der König untermauert dies gerne mit der nötigen Symbolik und sprach die Einladung für das deutsche Staatsoberhaupt aus. Und auch die deutsche Wirtschaft sieht die Notwendigkeit, die Beziehungen zu verbessern.
Vieles ist komplizierter geworden
Steffen Hoffmann ist Chef von Bosch im Vereinigten Königreich. Der Konzern beschäftigt in Großbritannien und Nordirland 6.300 Menschen. Umsatz: vier Milliarden Euro. Der Brexit habe vieles komplizierter gemacht, sagt er. „Nur mal ein Beispiel: Vor dem Brexit hatten wir etwa 40 Import-Transaktionen pro Jahr, und jetzt sind es 10.000.“ Zu jedem Import müssen die Daten übermittelt werden. Die britische Bosch-Tochter hat jetzt sogar eine kleine Abteilung mit knapp einem Dutzend Mitarbeitenden, die sich nur damit beschäftigen.
Es gibt aber noch andere Schwierigkeiten: In der Vergangenheit sei es nie ein Problem gewesen, einfach Ingenieure in ein anderes Land zu schicken, um einfach mal zum Beispiel bei einem Modellstart auszuhelfen, sagt Hoffmann. Das sei nun schwieriger geworden, weil Arbeitsgenehmigungen benötigt werden. Steffen Hoffmann wünscht sich Vereinfachungen für die Wirtschaft. Dass dieser Staatsbesuch nun stattfindet, hält er für ein wichtiges Signal in die richtige Richtung.
Steinmeier mit Wirtschaftsdelegation im Schlepptau
Frank-Walter Steinmeier ist die Bedeutung der Wirtschaft bewusst. In der Delegation des Bundespräsidenten reisen Vertreter von Deutscher Bank, RWE, BMW, Helsing und Siemens mit. Auch wenn die Staatsoberhäupter keine Beschlüsse fassen werden, es gibt Raum für politische Gespräche. Steinmeier trifft heute auch den britischen Premierminister Keir Starmer.
Gerade erst haben Starmer und der deutsche Bundeskanzler Friedrich Merz einen Freundschaftsvertrag unterzeichnet. Er definiert Bereiche der Zusammenarbeit: Verteidigung, Wirtschaft, Migration, Bildung und Forschung. Nötig geworden war dieser Vertrag, weil nach dem Brexit viele Bereiche der Kooperation nicht mehr geregelt waren.
Die Mehrheit bereut den Brexit inzwischen
Steinmeiers Besuch ist der erste eines Bundespräsidenten seit 27 Jahren. Zuletzt wurde Roman Herzog diese Ehre 1998 zuteil. Über Jahre hinweg war ein solcher Besuch schlicht nicht nötig – das hat sich nun geändert.
Laut einer aktuellen Umfrage sind nur 31 Prozent der Briten der Meinung, es sei richtig gewesen, die EU zu verlassen. 56 Prozent sagen, die Entscheidung sei falsch gewesen. Mit Fokus auf die wirtschaftlichen Auswirkungen sagen sogar nur 23 Prozent, der Austritt sei gut für die Wirtschaft gewesen.

