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Die EU-Kommission erwägt Lockerungen beim Verbrenner-Aus und will am Dienstag dazu Vorschläge vorlegen. Wie ist der aktuelle Stand? Und wie steht die Bundesregierung dazu? Ein Überblick.
Vertreter der EU-Staaten und des Europaparlaments hatten sich 2022 eigentlich darauf geeinigt, dass Neuwagen in der EU ab 2035 im Betrieb kein klimaschädliches Kohlenstoffdioxid (CO2) mehr ausstoßen dürfen. Nach dem Druck der kriselnden Autobranche und auch der Bundesregierung zeichnet sich aber ab, dass diese Regeln aufgeweicht werden. Nun will die EU-Kommission in der kommenden Woche Vorschläge zu dem Thema vorlegen. Die wichtigsten Fragen und Antworten im Überblick:
Wie ist der aktuelle Stand beim Verbrenner-Aus?
Die EU-Kommission hat angekündigt, ihre konkreten Vorschläge am Dienstag zu präsentieren. Zum Inhalt gibt es bisher noch keine offiziellen Angaben. Nach Informationen des ARD-Studios Brüssel will die Behörde aber vorschlagen, dass unter bestimmten Regeln auch nach 2035 noch Verbrenner-Fahrzeuge zugelassen werden können. Das deckt sich mit Informationen der Nachrichtenagentur dpa.
Von der Brüsseler Behörde selbst heißt es, Gespräche zum Thema Flottengrenzwerte würden weiterhin geführt. Ziel sei es, am Montag im Kreis aller EU-Kommissare über den finalen Vorschlag abzustimmen, der dann am Dienstag vorgestellt werden soll. Änderungen sind also noch möglich. Danach haben dann das Europaparlament und die EU-Staaten die Möglichkeit, das Vorhaben abzuschwächen oder zu verschärfen. Am Ende braucht es eine ausreichende Mehrheit in beiden Institutionen.
Wie könnten die Vorschläge aussehen?
Die Nachrichtenagentur dpa berichtet unter Berufung auf Kommissionskreise, dass eine Abschwächung der CO2-Vorgaben für Neuwagen auf dem Weg sei. Unklar ist, was das konkret heißt. Denkbar wäre, dass die Behörde vorschlägt, die Flottengrenzwerte nicht auf Null zu senken. Das ist nach Angaben des Chefs der Europäischen Volkspartei, Manfred Weber (CSU), der Plan: Demnach solle statt 100 Prozent eine 90-prozentige Reduktion des CO2-Ausstoßes zugelassen werden. Die Kommission bestätigte dies jedoch bislang nicht.
Eine Möglichkeit wäre auch, dass die Behörde auf dem Papier bei null Emissionen bleibt, es aber Ausnahmen gibt. Zudem könnten Einsparungen in der Produktionskette oder am Ausstoß bereits zugelassener Autos als Bonus angerechnet werden.
Die Kommission schaut ebenfalls auf die Rolle von umweltfreundlicheren Kraftstoffen wie Biokraftstoffen, die Rolle von Firmenwagen sowie mögliche Vorgaben für Produktionsanteile in der EU. Zudem soll eine Batteriestrategie vorgestellt werden.
Was will die Bundesregierung?
Bundeskanzler Friedrich Merz hatte sich immer wieder vehement für Änderungen an dem geplanten Verbot ausgesprochen. Nach einer Einigung in der Bundesregierung auf eine gemeinsame Position bat er Ende November die EU-Kommission in einem Brief, die Regulierung zum Verbrenner-Aus zu korrigieren. Dabei verwies er auf „hocheffiziente“ Verbrenner, die auch 2035 noch zugelassen werden könnten. Bislang erklärten aber weder Regierungssprecher Stefan Kornelius noch Verkehrsminister Patrick Schnieder (CDU) im Detail, was die Bundesregierung unter diesem Begriff versteht.
Die neuesten Entwicklungen begrüßte Merz nun. „Wir stellen die Ziele nicht infrage, aber wir müssen einen anderen Weg gehen hin zum Ziel“, sagte er. „Wir werden auch dann nur etwas für den Klimaschutz tun können, wenn wir eine wettbewerbsfähige Industrie haben.“ Deswegen begrüße er sehr, „dass die Kommission sich jetzt auf den Weg macht, in der nächsten Woche eine Entscheidung zu treffen über den größten Industriesektor, den wir jedenfalls in Deutschland haben, nämlich über die Automobilindustrie und deren Zukunft“. Die Kommission werde dabei die Unterstützung der Bundesregierung haben, diesen Weg jetzt schnell zu gehen.
Was wollen die Autobauer?
Die Wunschliste der Autoindustrie ist lang: Ausnahmen für Hybrid-Fahrzeuge oder Bio-Kraftstoffe sollen etwa dafür sorgen, dass die Autobauer den Kohlendioxidausstoß ihrer Fahrzeuge nicht auf Null senken müssen und weiter Verbrenner-Pkw verkaufen können. Die Autoindustrie will vor allem erreichen, dass nach 2035 weiter Pkw mit Doppelantrieb zugelassen werden. Dabei geht es einerseits um Hybrid-Fahrzeuge. Die zweite Variante sind E-Autos mit sogenanntem Range-Extender, bei denen ein kleiner Verbrenner-Motor die Batterie aufladen kann.
Die Branche fordert auch eine Ausnahme für Fahrzeuge, die nur mit Bio-Kraftstoffen fahren – etwa aus einer Biogasanlage oder altem Frittenfett oder mit synthetischen Kraftstoffen, sogenannten E-Fuels. Diese Pkw sollen nach Vorstellung der Industrie als Null-Emissionen-Fahrzeuge geführt werden, obwohl die verwendeten Kraftstoffe nach den gesetzlich festgelegten Berechnungsformeln unter dem Strich durchaus CO2 ausstoßen.
Wie kam es überhaupt zum Verbrenner-Aus?
Der Verkehrssektor verfehlt in Europa seit langem die Klimaziele. Die EU beschloss deshalb 2022, dass neue Autos mit Verbrennermotor ab 2035 nicht mehr zugelassen werden dürfen. So sollte der CO2-Ausstoß weiter gesenkt werden. Nach dem Druck der kriselnden Autobranche und auch der Bundesregierung hatte sich zuletzt aber abgezeichnet, dass diese Regeln aufgeweicht werden. Hintergrund ist, dass der Umstieg auf die Elektromobilität nur schleppend vorankommt. Auch Italien, Bulgarien, Tschechien, Ungarn, Polen und die Slowakei forderten in einem Brief an Brüssel Anfang Dezember weitreichende Lockerungen.
Spanien – immerhin das Land mit der vierthöchsten Bevölkerungszahl in der EU – forderte dagegen in einem Brief an die Kommission, am Aus für Verbrennermotoren ab 2035 festzuhalten. Lockerungen der Zielvorgaben könnten laut Ministerpräsident Pedro Sánchez die Wettbewerbsfähigkeit und damit Arbeitsplätze in Europa gefährden. „Wir lehnen es daher ab, dass Verbrennungsfahrzeuge oder andere Technologien ohne nachgewiesene Rentabilität über das Jahr 2035 hinaus weiter vermarktet werden dürfen“, schrieb der spanische Politiker.
