Der Branchenverband der Maschinenbauer zieht eine schlechte Jahresbilanz 2025. Der VDMA verlangt Reformen. Sonst würden noch mehr Unternehmen abwandern. Vor allem der Mittelstand leidet unter den Standortbedingungen.
Julia Schnitzler schaut von ihrem Büro auf die Landstraße, die direkt an ihrem Unternehmen entlang führt. Von hier aus gehen die Spezialanlagen des Herstellers Strassburger Filter in alle Welt. Julia Schnitzler ist hier geschäftsführende Gesellschafterin.
„Wir sind aufgrund unserer Expertise international führend, aber es wird immer schwerer. Der Standort Deutschland macht uns zu schaffen. Auch international wird das Geschäftsklima immer rauer“, fasst die Geschäftsfrau ein ernüchterndes Jahr zusammen. „Unsere Exporte sind um mehr als zehn Prozent zurückgegangen.“ Die Firma fertigt Filtrationssysteme für die Bereiche Pharma, Chemie und Kosmetik. Die Exporte gehen vor allem nach Südostasien oder auch nach Nordamerika.
Druck durch chinesische Konkurrenz
Im rheinhessischen Westhofen hat der Betrieb 50 Angestellte. Auch im chinesischen Shanghai arbeiten zwei Spezialisten für das deutsche Unternehmen. China war lange ein starker Markt für den deutschen Filterbauer. „Das hat sich geändert: Die Nachfrage ist zurückgegangen. Es gibt immer mehr chinesische Wettbewerber, die in ihrem heimischen Markt bevorzugt werden“, sagt Schnitzler. Qualitativ sei man noch ein gutes Stück voraus. Dafür seien die Chinesen bei den Preisen kaum noch zu schlagen. „Chinesische Firmen haben viel niedrigere Energiepreise. Auch deshalb bieten sie Produkte an, die teils bis zu 75 Prozent billiger als unsere Anlagen sind.“
Die US-Zölle verschärften die Krise. „Dadurch wird alles noch komplizierter – und unsicherer. Viele unserer Kunden warten erstmal ab. Wer weiß schon, was sich morgen wieder ändert.“ Pläne zur Verlagerung des Betriebes in die USA habe sie nicht. Aber Schnitzler stellt fest: „Es wird einem in den USA aufgrund der neuen Gesetzeslage inzwischen sehr einfach gemacht, eine Niederlassung zu gründen.“
Daheim setzen der Firma die Standortbedingungen immer mehr zu. Vor allem die fehlenden Fachkräfte sind ein Problem. Beim Thema Bürokratieabbau schüttelt Julia Schnitzler fast schon resigniert den Kopf. „Alle reden davon, aber es wird immer mehr. Ständig gibt es neue Richtlinien“, sagt die geschäftsführende Gesellschafterin „Ein Beispiel: Wenn wir ein bestimmtes Bauteil in einen Filter verbauen, ist das für die Verwaltung eine Kleinigkeit. Liefern wir es aber als Ersatzteil separat aus, entsteht ein enormer Dokumentationsaufwand. Das kostet Zeit, bindet Mitarbeiter und wird immer teurer. Dieses Geld fehlt dann woanders.“
Auch der Branchenverband warnt
Auf seiner Jahrespressekonferenz zieht der Branchenverband VDMA eine miserable Bilanz und fordert durchgreifende Reformen der Bundesregierung. Die VDMA-Volkswirte rechnen für 2025 mit einem Produktionsminus von fünf Prozent im Vergleich zum Vorjahr. „Damit schrumpft die Produktion in unserer Industrie seit Anfang 2023, und das vierte Quartal 2025 dürfte das zwölfte Minusquartal in Folge sein“, bilanziert VDMA-Präsident Bertram Kawlath. „Damit ist die Situation jetzt vergleichbar mit der schweren Rezession Anfang der 1990er-Jahre.“
Für 2026 gehen die VDMA-Volkswirte immerhin von einer leichten Erholung von einem Prozent aus. „Aber auf diesem Niveau müsste der Zuwachs deutlich größer ausfallen, um von einer echten Wachstumsdynamik zu sprechen“, so Kawlath.
Deutliche Kritik an der SPD
Als Gründe nennt der VDMA fehlende Reformen in Deutschland, eine zunehmende Bürokratie und geopolitische Krisen. „Echte, tiefgreifende Reformen am Standort Deutschland sind unabdingbar, wenn wir verhindern wollen, dass immer mehr Forschung, Produktion und damit auch Innovation im Ausland stattfindet,“ appelliert Kawlath an die Bundesregierung.
In deutlichen Worten wird auch die SPD kritisiert: Der VDMA spricht von „Klassenkampfrhetorik“. „Angesichts der Herausforderungen, vor denen wir alle stehen, ist die verbale Aufrüstung von Arbeitsministerin Bärbel Bas völlig unangemessen“, sagte Kawlath. Bas hatte zuletzt auf dem Bundeskongress der Jusos über Arbeitgeber gesagt, ihr sei dort „besonders deutlich geworden (…), gegen wen wir eigentlich gemeinsam kämpfen müssen“.
Damit auch die Maschinenbauer aus der strukturellen Krise herauskommen, fordert der Verband zahlreiche Reformen: Die Unternehmenssteuern seien mit durchschnittlich 30 Prozent im internationalen Vergleich viel zu hoch, der Arbeitsmarkt zu unflexibel. „Wir stehen im globalen Wettbewerb mit Ländern, in denen es auch viele kluge Köpfe gibt – die länger arbeiten und deren Unternehmen deutlich weniger Steuern zahlen müssen.“ Deshalb müsse auch die Lebensarbeitszeit erhöht werden, so Kawlath. Auch Strukturreformen in den Sozialversicherungen seien dringend nötig.
Internationale Turbulenzen
Sorgen macht sich der VDMA auch wegen der Vereinigten Staaten. „Die Strafzölle der Amerikaner auf Stahl und Aluminium, die demnächst höchstwahrscheinlich rund 56 Prozent unserer Maschinenexporte in die USA betreffen, sind Gift für beide Handelspartner. Sie müssen schnell wieder wegverhandelt werden“, forderte Kawlath. Laut einer neuen VDMA-Umfrage meldet fast die Hälfte der Unternehmen einen rückläufigen Auftragseingang aus den USA. Zwei Drittel der befragten Firmen rechnen mit Umsatzeinbußen aufgrund der Zölle – oft von mehr als zehn Prozent.
Zudem wandele sich China rasant, so der VDMA. Dortige Maschinenbaufirmen würden immer mehr zu Konkurrenten auch auf Drittmärkten – und profitierten dabei teilweise kräftig von staatlichen Subventionen. „Unsere Unternehmen kämpfen mit allen Mitteln um ihre Wettbewerbsfähigkeit, aber das reicht vielfach nicht mehr. Das beste Mittel gegen diese Konkurrenz wären bessere Standortbedingungen in Deutschland und Europa“, so Kawlath.
Ernüchternder Ausblick
Neben dem VDMA fordert auch der Bundesverband der Deutschen Industrie (BDI) tiefgreifende Reformen. In einem dramatischen Appell an die Politik heißt es: „Der Wirtschaftsstandort befindet sich im freien Fall, doch die Bundesregierung reagiert nicht entschlossen genug.“
Ganz ähnlich sieht das auch Julia Schnitzler: „Auch diese Koalition ist im Dauerstreit. Wenn ständig die Angst vor einem Bruch da ist, wie soll man da noch grundlegende Änderungen verabschieden?“ Nach Ansicht der Geschäftsführerin schaut die Politik zu sehr auf ihre Interessen und anstehende Wahlen und zu wenig auf die langfristige Entwicklung für das gesamte Land. Ihr Ausblick auf 2026 fällt ernüchternd aus: „Vielleicht muss es erst noch schlimmer werden, bevor sich endlich etwas tut. Ich bin im Moment leider ratlos.“

