faq
Ein umstrittener Plan der Meloni-Regierung zu den italienischen Goldreserven alarmiert die Europäische Zentralbank. Kritiker fürchten einen Präzedenzfall, der das gesamte Euro-System ins Wanken bringen könnte.
Was hat Italiens Regierung mit dem Gold vor?
Abgeordnete der Mitte-Rechts-Partei „Fratelli d’Italia“ von Premierministerin Giorgia Meloni wollen die großen italienischen Goldreserven zu „Volkseigentum“ machen und haben dazu eine Änderung des Haushaltsgesetzes vorgeschlagen. Konkret wollten sie diesen Satz einfügen: „Die Goldreserven, die von der Banca d’Italia verwaltet und gehalten werden, gehören dem Staat im Namen des italienischen Volkes.“
Inzwischen wurde „der Staat“ aus dem Gesetzesentwurf gestrichen – nun heißt es nur noch, die Goldreserven „gehören dem italienischen Volk“. In der neuesten Version wird zudem ausdrücklich auf die EU-Regeln zum Schutz der Unabhängigkeit der Zentralbank verwiesen.
Was sind die Motive der italienischen Regierung?
Seit Jahren fordern rechte Politiker in Italien, die Goldreserven der Notenbank als Volkseigentum zu deklarieren. Hintergrund ist, dass die Banca d’Italia formal eine Privatnotenbank ist – ihre Anteilseigner sind Banken und Versicherungen. Die heutige Ministerpräsidentin Meloni hat daher schon vor über zehn Jahren als Oppositionspolitikerin die Gefahr einer möglichen „Enteignung“ des italienischen Volkes heraufbeschworen.
Allerdings haben die privaten Anteilseigner der Banca d’Italia rechtlich und faktisch keinerlei Einfluss auf die Geldpolitik und die Verwendung der Goldreserven. Kritikerinnen und Kritiker werfen Meloni ohnehin vor, ihre ginge es in erster Linie darum, eine der weltweit größten Goldreserven unter die Kontrolle des Staates bringen. Das könnte dann im nächsten Schritt den Weg für Verkäufe des Edelmetalls durch die Regierung ebnen – etwa, um die riesigen Haushaltslöcher Italiens zu stopfen.
Wieso mischt sich die EZB ein?
Bei den Währungshütern der Europäische Zentralbank (EZB) in Frankfurt schrillen angesichts des italienischen Gesetzesvorhabens die Alarmglocken. In einer offiziellen Stellungnahme haben sie die italienischen Behörden erstmals Anfang Dezember aufgefordert, den Gesetzesentwurf zu „überdenken“. Das sei „keine Bagatelle“, stellte EZB-Präsidentin Christine Lagarde klar. Schließlich hänge das Vertrauen in die Stabilität des Euro und in die Glaubwürdigkeit der Reserven auch davon ab, dass politische Eingriffe ausgeschlossen seien.
Die EZB signalisierte in dieser Woche überdies, dass sie auch die überarbeitete Formulierung der Gesetzesinitiative für problematisch hält. Für die Währungshüter sei weiterhin nicht ersichtlich, was der konkrete Zweck des Gesetzesentwurf ist. Sie sehen die institutionelle Unabhängigkeit der Banca d’Italia in Gefahr und verweisen auf die EU-Verträge: Im Rahmen des Europäischen Systems der Zentralbanken (ESZB) fallen die Haltung und Verwaltung der Goldreserven in die ausschließliche Zuständigkeit der nationalen Zentralbank eines jeden Mitgliedstaates.
Ist der Euro in Gefahr?
Sollte die italienische Regierung Zugriff auf die Zentralbankreserven bekommen, so stünde nicht nur die institutionelle Unabhängigkeit der Banca d’Italia infrage. Eine Reform der Eigentumsverhältnisse der italienischen Notenbank könnte ein Präzedenzfall für andere Länder im ESZB schaffen.
Würde Rom tatsächlich Teile seiner Goldreserven verkaufen können, um beispielsweise Haushaltslöcher zu stopfen, käme dies einem Dammbruch gleich. An den Börsen würden die Anlegerinnen und Anleger enorme Zweifel an der Stabilität des Euro hegen. Dabei ist Vertrauen die wichtigste Währung an den Finanzmärkten.
Wie viel Gold hat Italien?
Die italienische Zentralbank verfügt über eine der größten staatlichen Goldreserven weltweit – nur die USA und Deutschland besitzen mehr. Die Banca d’Italia hält 2.452 Tonnen Gold. Zum Vergleich: Die US-Notenbank Federal Reserve verfügt über 8.134 Tonnen Gold, die deutsche Bundesbank über 3.350 Tonnen.
Dabei hatte Italien nach dem Zweiten Weltkrieg gerade einmal noch 20 Tonnen Gold. Die Nazis hatten den Großteil der Reserven mithilfe der faschistischen italienischen Regierung geplündert. Doch dank hoher Exportüberschüsse in der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts stiegen die Deviseneinnahmen der Notenbank massiv – ein Teil davon wurde in Gold angelegt. Seit vielen Jahren schon ist die Menge des italienischen Goldes weitgehend unverändert – doch sein Wert ist zuletzt rapide gestiegen.
Und wie viel ist das italienische Gold aktuell wert?
Die italienischen Goldreserven haben derzeit einen Wert von rund 280 Milliarden Euro – was knapp 13 Prozent des italienischen Bruttoinlandsprodukts entspricht. Hintergrund sind die stark gestiegenen Goldpreise.
Im Oktober hat das gelbe Edelmetall an der Börse in London ein Rekordhoch bei 4.381 Dollar je Unze erreicht, nachdem es zu Beginn des Jahres noch bei etwa 2.600 Dollar gestanden hatte. Aktuell liegt Gold seit Jahresbeginn über 60 Prozent im Plus.
Wie geht es jetzt weiter?
Laut Medienberichten will Italiens Wirtschaftsminister Giancarlo Giorgetti EZB-Chefin Lagarde nun einen Brief schreiben, um die Motive der italienischen Regierung zu erläutern: Demnach habe Rom keine Pläne, die Unabhängigkeit der italienischen Zentralbank zu untergraben. Es handele sich um eine symbolische Formulierung – und nicht um eine Änderung der Verwaltung oder des Bilanzrechts.
„Wir sind nicht daran interessiert, das Gold zu verkaufen oder anderweitig zu verwenden. Dies ist eine Grundsatzerklärung, mit der wir keine internationale Affäre auslösen wollen“, sagte Marco Osnato, Abgeordneter der Partei Fratelli d’Italia von Ministerpräsidentin Meloni. Ob das die EZB beruhigen wird, bleibt abzuwarten.
Was hätte Italien überhaupt von einem Verkauf seiner Goldreserven?
Eine einfache Rechnung macht klar: Selbst, wenn Italien all seine Goldreserven verkaufen und damit rund 280 Milliarden Euro einnehmen würde, könnte die Regierung damit das Schuldenproblem nicht einmal ansatzweise lösen.
Italiens Staatsschulden sind mit mehr als drei Billionen Euro nämlich mehr als zehnmal so hoch. Innerhalb der EU hat nur Frankreich eine noch höhere absolute Staatsverschuldung.
Welche Lehren lassen sich aus früheren staatlichen Goldverkäufen ziehen?
Die Geschichte hält ein mahnendes Beispiel parat: Unter Premierminister Tony Blair und seinem Schatzkanzler Gordon Brown verkaufte Großbritannien ab 1999 knapp 400 Tonnen Gold zu einem durchschnittlichen Preis von 275 Dollar je Feinunze. Das spülte etwa 3,5 Milliarden Dollar in die Kassen des Vereinigten Königreichs.
Ein großer Fehler, denn die Verkäufe erfolgten zu historischen Tiefpreisen: Gold notierte damals auf einem 20-Jahrestief – Kommentatoren sprachen später vom „Brown Bottom“. Ein erheblicher Wertzuwachs wurde damit verschenkt, der Goldpreis hat sich seither mehr als vervierzehnfacht. Zum Vergleich: Heute wären die von Brown verkauften Goldbestände mehr als 50 Milliarden Dollar wert.

