Viele Menschen freuen sich auf Weihnachten – mit leckerem Essen, Tannenbaum und Geschenken. Ärmere Familien müssen in dieser Zeit jedoch häufig an ihre finanziellen Grenzen gehen.
Bei Nadine Rosenberger ist die Freude auf das Fest überschattet von der Sorge ums Geld. Sie lebt in Saarbücken-Burbach, einem Stadtteil mit hoher Armutsquote. Viele Menschen dort sind auf Bürgergeld angewiesen, so auch sie mit ihren beiden achtjährigen Zwillingstöchtern.
Früher konnte sie sich noch ein paar Münzen im Jahr zurücklegen, jetzt ist die Spardose leer. „Das waren am Ende vom Jahr vielleicht mal 100 Euro, aber das hat in dem Jahr überhaupt nicht funktioniert“, sagt sie. Große Geschenke für ihre beiden Töchter seien da nicht drin.
Plätzchen in abgespeckter Version
Einen großen Tannenbaum wird es wohl nicht geben. Zumindest Plätzchen will sie backen – in abgespeckter Version, keine Makronen oder Vanillekipferl. „Jetzt werden es in dem Jahr halt Ausstechplätzchen. So das günstigste Rezept“, erzählt Rosenberger.
„Man bekommt dann eben auch mehr raus, aber jetzt groß so drei, vier Sorten, das wird es in dem Jahr nicht geben“, sagt sie. Alleine die Schokoglasur sei einfach viel zu teuer.
Unterstützung für arme Menschen
Die Arbeiterwohlfahrt (AWO) unterstützt arme Menschen. Wie bei anderen karitativen Verbänden ist die Nachfrage gewaltig. „Das Weihnachtsfest wird zunehmend zu einer materiellen Herausforderung“, sagt Jürgen Nieser, der Landesgeschäftsführer der AWO im Saarland.
Davon stark betroffen seien insbesondere Familien mit vielen Kindern oder ältere alleinstehende Menschen. Sie müssen sich die Geschenke am Munde absparen. „Das betrifft in Deutschland rund 15 Prozent der Menschen, die armutsgefährdet sind, weil sie auf staatliche Leistungen angewiesen sind“, sagt Nieser.
Große Unterschiede bei Konsumverhalten
Mit dem Konsumverhalten an Weihnachten beschäftigt sich Oliver Gannser vom Ifes Institut der FOM Hochschule in München seit Jahren. Deutsche Haushalte haben im Jahr 2024 im Durchschnitt 533 Euro für Weihnachtsgeschenke ausgegeben. Allerdings gibt es eine große Spannweite, die die soziale Schere in der Gesellschaft abbildet.
„Es gibt Millionäre, die verschenken halt ein Auto. Wir haben teilweise wirklich solche Ausreißer in den Daten, und auf der anderen Seite gibt es natürlich auch ärmere Familien oder Singles oder Alleinerziehende mit Kindern, die dann alles zusammenkratzen müssen, um Weihnachten zu schenken, weil es eben das wichtigste Fest ist“, sagt der Wissenschaftler.
Selbst bei Armen sei es aber so, dass sie für Weihnachtsgeschenke mehr ausgeben, als sie eigentlich finanziell könnten. Das könnte nach Gannser daran liegen, dass ein sozialer Druck herrscht, an Weihnachten viel zu schenken.
Ehrenamtliche Initiativen
Nadine Rosenberger deckt sich oft in einem Sozialkaufhaus in Saarbücken-Burbach ein. Die Waren dort kosten wenige Euro. Susanne Brandl arbeitet in diesem Laden, der sich offiziell „Wertstatt“ nennt. Manchmal würden die Kunden auch nachfragen, „ob die Kleidung für ein, zwei Tage zurückgelegt werden kann, bis dann das nächste Geld vom Amt kommt.“
Oder in anderen Fällen, „ob man es, obwohl es schon ganz kleine Preise sind, nochmal reduzieren kann“, sagt sie. Das sei nicht immer möglich, dafür gibt es hin und wieder ausgewählte Aktionen, so auch zur Weihnachtszeit. Alle Teile im Sortiment kosten dann vorrübergehend nur einen Euro. Damit will man den Menschen eine Freude zum Fest bereiten.
Wohlfühlmorgen für Bedürftige
In Köln beschert der Malteser Hilfsdienst den Ärmsten der Armen eine schöne Vorweihnachtszeit. Bedürftigen stehen an dem Tag in der Schlange, um am sogenannten Wohlfühlmorgen teilzunehmen. Ehrenamtliche engagieren sich dabei, schmieren Brötchen, geben Kleidung aus und sitzen im Warmen mit den Armutsbetroffenen, darunter viele ohne festen Wohnsitz.
„Wir sind alle fast mittellos, ich habe eine geringe Rente, deswegen komme ich und frühstücke“, klagt ein Mann, der den Wohlfühlmorgen besucht. Und eine Rentnerin gesteht, dass sie sich auf dem Weihnachtsmarkt nichts leisten kann: „Drei Reibekuchen sechs Euro. Ein bisschen Apfelmus ein Euro. Wer kann sich das noch erlauben?“
Schüler und Schülerinnen packen an
Schülerinnen von Ursulinengymnasium in Köln engagieren sich hier ebenfalls. Sie bedienen die Armutsbetroffenen sowie Gäste. Auf ihrem Schulweg sehen sie häufig Menschen im Kalten auf der Straße liegen. Darüber machen sich die 15-Jährigen Gedanken.
„Ich komme gerade aus meinem warmen, gemütlichen Bett, und hier liegen Leute bei Minusgraden in der Kälte.“ Wie kann das sein, das frage man sich schon, sagt Lena. Und Tilda meint: „Dass unser System, unser Rechtssystem diese Person nicht hochhält und schützt, macht mich echt traurig und ein bisschen sauer.“
Ohne das große ehrenamtliche Engagement würde in Deutschland vieles nicht funktionieren. Dabei kann jeder Bürger mit anpacken, unabhängig von finanziellen Mitteln, sagt die Leiterin des Wohlfühlmorgens, Catharina von Spee. Sie arbeitet ehrenamtliche beim Malteser Hilfsdienst e.V.
Die Möglichkeiten zu helfen seien vielfältig, sagt sie. „Der eine kann besonders gut Lkw fahren und hat einen Lkw-Führerschein. Der nächste kann unglaublich gut Schnittchen schmieren oder mit den Leuten sprechen, ins Gespräch gehen und sagen, ich höre gerne zu. Ich gehe in den Austausch mit jemandem.“ Solche Menschen im Ehrenamt bräuchte es.
Soziale Spaltung überwinden
Die soziale Spaltung überwinden – das ist eine Forderung der AWO. Kinder mit Armutserfahrung seien eine Schande für unsere Gesellschaft, sagt Jürgen Nieser, Landesgeschäftsführer im Saarland. Kinder seien in Deutschland vor allen Dingen in Stadtteilen, die abgehängt sind, besonders armutsgefährdet, und das sei ein Punkt, wo Deutschland in Europa nicht gut dastehe. Das müsse überwunden werden.
Nadine Rosenberger versucht ihren Töchtern zu Weihnachten trotzdem Freude zu bereiten. Familien wie ihre spüren jetzt besonders, wie groß die Unterschiede in der Gesellschaft sind.
