marktbericht
Nach der erwarteten Senkung des Leitzinses schließen die US-Börsen im Plus – doch Unsicherheit bleibt wegen des weiteren geldpolitischen Kurses. Die Notenbanker scheinen uneins wie selten.
Erfreut haben Anleger an der Wall Street gestern die Zinssenkung der US-Notenbank Federal Reserve (Fed) aufgenommen. Diese Nachricht bescherte dem Leitindex Dow Jones Industrial den höchsten Stand seit Mitte November, als sich das Börsenbarometer zu einem Rekordhoch aufgeschwungen hatte.
Die positive Stimmung aus den USA springt aber offenbar nicht auf den DAX über. Der deutsche Leitindex dürfte mit leichten Verlusten starten. Der Broker IG taxierte ihn vor dem Xetra-Handelsbeginn nun erst einmal gut 0,4 Prozent tiefer auf 24.025 Punkte. Bereits tags zuvor war der DAX etwas ins Stocken geraten, nachdem er am Dienstag fast wieder auf 24.200 Punkte gestiegen war.
An den US-Börsen stand zur Schlussglocke für den Dow dagegen ein Aufschlag gut einem Prozent auf 48.057 Zähler zu Buche. Der breit gefasste S&P 500 legte um 0,7 Prozent auf 6.886 Punkte zu. Für den technologielastigen Nasdaq 100 ging es um 0,4 Prozent nach oben auf 25.776 Punkte.
Wie erwartet hat die Fed zum dritten Mal in diesem Jahr den Leitzins gesenkt. Der Zentralbankrat setzte das Zinsniveau um 0,25 Punkte herab auf eine Spanne von 3,5 bis 3,75 Prozent. Allerdings stimmten drei Mitglieder des zwölfköpfigen Offenmarktausschusses (FOMC) dagegen. So viel Uneinigkeit war aus Expertensicht selten. Seit September 2024 hat die Notenbank den Leitzins um 1,75 Prozentpunkte gelockert.
„Drei Mitglieder wichen ab“, schreibt Chefvolkswirt Thomas Gitzel von der VP Bank. „Stephan Miran, ein Vertrauter des US-Präsidenten Donald Trump, wollte eine stärkere Senkung um 50 Basispunkte. Die Präsidenten der regionalen Notenbank-Ableger in Kansas City und Chicago, Jeffrey R. Schmid und Austan D. Goolsbee, plädierten für unveränderte Zinsen.“
Begründet wurde der aktuelle Zinsschritt mit dem US-Arbeitsmarkt. Die Fed befürchtet Risiken für die Beschäftigung, sodass die hartnäckige Inflation in den Hintergrund geriet. Die Zinssenkung solle helfen, den Arbeitsmarkt zu stabilisieren, sagte Fed-Chef Jerome Powell bei der anschließenden Pressekonferenz. Experten fürchten ein Abflauen des Beschäftigungswachstums oder gar ein Abbau von Arbeitsplätzen.
„Die amerikanische Notenbank setzt ihren Fokus wie schon bei der Zinssenkung im Oktober auf die Stärkung des Arbeitsmarktes, der weiterhin Schwächetendenzen zeigt“, schrieb Michael Heise, Chefökonom des Vermögensverwalters HQ Trust. Bei verhältnismäßig hoher Inflation und einem anfälligen Arbeitsmarkt werde die Entscheidungsfindung der Fed auch 2026 einer Gratwanderung gleichen.
Unklar ist der weitere geldpolitische Kurs der Fed, was Anleger auch weiterhin verunsichern dürfte. „Die Latte für weitere Zinssenkungen liegt höher, wie Fed-Chef Powell signalisierte“, schreiben die Analysten der Commerzbank. Sie erwarten weiterhin auf der nächsten Sitzung eine Zinspause. VP-Bank-Chefvolkswirt Thomas Gitzel geht von einer weiteren Zinsssenkung in 2026 aus, sowie einer zusätzlichen in 2027.
„Solange Jerome Powell noch die Fed führt, seine Amtszeit als Vorsitzender endet im Mai des kommenden Jahres, dürfte es nur eine weitere Zinssenkung geben“, schreibt Gitzel. Gründe seien das solide Wachstum und die erwarteten Preissteigerungen durch höhere Zölle. Beides spreche gegen aggressive Lockerungen. Mit dem Führungswechsel im Juni folge ein Lackmustest. „Sollte die Fed politischem Druck nachgeben und die Zinsen stärker senken, als die Inflation rechtfertigt, könnten die Finanzmärkte reagieren.“
Neben der Fed-Entscheidung gabt es noch ein weiteres Thema, was die Märkte bewegt: Enttäuschende Geschäftszahlen des US-Softwarekonzerns Oracle haben gestern die Sorgen über die Profitabilität des Booms bei Künstlicher Intelligenz (KI) geschürt und die asiatischen Börsen belastet. Die nachbörslich um mehr als elf Prozent eingebrochenen Oracle-Aktien drückten insbesondere auf Technologiewerte.
In Tokio gab der Nikkei-Index ein Prozent auf 50.099 Punkte nach. Besonders KI-nahe Werte wie die SoftBank Group, die fünf Prozent verlor, standen unter Druck. Die Börse in Shanghai verlor 0,5 Prozent.
