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    Home » 23.900 Firmenpleiten, 11-Jahres-Hoch – so dramatisch ist die Lage des Mittelstandes
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    23.900 Firmenpleiten, 11-Jahres-Hoch – so dramatisch ist die Lage des Mittelstandes

    adminBy adminDezember 8, 2025Keine Kommentare6 Mins Read
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    Die Zahl der Insolvenzen in der deutschen Wirtschaft entwickelt sich weiterhin dynamisch. Das sorgt für hohe finanzielle Schäden bei Gläubigern und kostet Hunderttausende Arbeitsplätze. Bestimmte Branchen und Gruppen von Unternehmen sind besonders betroffen.

    Die Zahl der Unternehmensinsolvenzen in Deutschland ist 2025 auf den höchsten Stand seit elf Jahren gestiegen. 23.900 Firmenpleiten meldet die Wirtschaftsauskunftei Creditreform, das sind 8,3 Prozent mehr als im Vorjahr. „Die schwierigen wirtschaftlichen Rahmenbedingungen belasten zunehmend die Stabilität der Unternehmen“, heißt es in der Analyse.

    Zwar ist der Zuwachs bei den Fallzahlen geringer als noch in den vergangenen beiden Jahren. 2023 und 2024 gab es jeweils fast 23 Prozent mehr Insolvenzen. Trotzdem sieht Creditreform weiterhin ein „dynamisches Insolvenzgeschehen“, das sich auch im neuen Jahr weiter fortsetzen dürfte. „Viele Betriebe sind hoch verschuldet, kommen schwer an neue Kredite und kämpfen mit strukturellen Belastungen wie Energiepreisen oder Regulierung. Das setzt vor allem den Mittelstand unter massiven Druck und bricht vielen Betrieben das Genick“, erklärt Patrik-Ludwig Hantzsch, Leiter Wirtschaftsforschung bei Creditreform.

    Die Auswirkungen auf die Volkswirtschaft sind dabei erheblich. Auf rund 57 Milliarden Euro schätzt Creditreform die Forderungsausfälle. Damit liegt der Schaden für Gläubiger wie Banken und Lieferanten nahezu auf dem Niveau des Vorjahres – und vielfach deutlich über den Werten der letzten eineinhalb Dekaden. Merklich überschritten wurde diese Zahl jedenfalls zuletzt 2009 mit damals 78,5 Milliarden Euro. Dazwischen pendelte dieser Wert mit wenigen Ausreißern meist zwischen 20 und 30 Milliarden Euro.

    Die Zahl der bedrohten oder weggefallenen Arbeitsplätze wiederum lag 2025 bei rund 285.000. Auch dieser Wert reicht ungefähr an das Vorjahresniveau von 291.000 heran, liegt im Vergleich aber über dem langjährigen Durchschnitt. Denn wie im Vorjahr gab es eine höhere Anzahl an Großinsolvenzen, bei denen besonders viele Mitarbeiter betroffen sind. Allen voran ist das der Fall im Klinik- und Pflegebereich, mit zum Beispiel dem Erzgebirgsklinikum im sächsischen Annaberg-Buchholz, der DRK gemeinnützige Krankenhausgesellschaft in Mainz, dem Klinikverbund Pfeiffersche Stiftungen in Magdeburg oder der Argentum Pflege Holding aus Bad Homburg. Dazu kommen bekannte Handelsketten wie die Hammer-Fachmärkte und Kodi oder der Autovermieter Star Car und die Gastro-Kette Sausalitos.

    Betroffen vom anhaltenden Insolvenz-Trend ist aber die gesamte Bandbreite der Wirtschaft. So steigen die Zahlen unabhängig von Branche, Umsatzgröße, Mitarbeiterzahl oder Rechtsform der Unternehmen. Gleichwohl gibt es Schwerpunkte: So machen Kleinstunternehmen mit weniger als zehn Mitarbeitern die große Mehrheit bei den Firmenpleiten aus. 2025 lag ihr Anteil bei über 81 Prozent, das entspricht 19.500 Betrieben. Und die Dynamik war dabei erneut überdurchschnittlich. Ähnlich schlecht ist die Entwicklung diesmal aber auch in der Größenklasse von 51 bis 250 Mitarbeiter, die meist auf schon ältere und etablierte Mittelständler zutrifft. Dazu passt, dass es im vergangenen Jahr eine deutliche Zunahme der Pleitefälle in der mittleren Altersgruppe gab, also bei Unternehmen, die zwischen sieben und zehn Jahren am Markt sind.

    Beim Blick auf die Hauptwirtschaftsbereiche wiederum liegt bei der Gesamtsumme wie schon seit vielen Jahren der Dienstleistungssektor vorn. Er steht derzeit für fast zwei Drittel des Insolvenzgeschehens. Die größte Dynamik indes gab es 2025 im Handel und im verarbeitenden Gewerbe mit Steigerungsraten von jeweils über zehn Prozent.

    Dazu passt auch eine aktuelle Untersuchung des Kreditversicherers Allianz Trade. Danach hat es in den zwölf Monaten von August 2024 bis August 2025 so viele Pleiten im deutschen Einzelhandel gegeben wie zuletzt 2014/2015. Bekannte Beispiele sind unter anderem Görtz, Gerry Weber, Wormland, Closed, Herzog&Bräuer oder jüngst die ostdeutsche Billigkette Groschen-Markt. „Der Einzelhandel kämpft noch immer mit den tief greifenden Veränderungen seines Geschäftsmodells, die während der Pandemie begonnen haben“, sagt Branchenexperte Guillaume Dejean von Allianz Trade.

    „Um dem verstärkten Wettbewerb durch große Online-Marktplätze standzuhalten, müssen Einzelhändler massiv in digitale Kanäle, datengestütztes Merchandising und innovative Technologien für den Ladenbau investieren.“ Für viele kleinere Akteure seien diese Ausgaben aber kaum zu stemmen. „Einige, vor allem textile Einzelhändler hängen heute schon am seidenen Faden“, sagt Dejean. „Insofern dürfte sich der Trend von steigenden Insolvenzen hierzulande weiterhin fortsetzen, eine weitere Konsolidierung der Branche ist wahrscheinlich.“

    Auch Creditreform glaubt an die Fortsetzung der Insolvenzwelle – und das nicht nur in Handel. „Die deutsche Wirtschaft verliert an Wettbewerbsfähigkeit. Hohe Kosten, Bürokratie und die anhaltende Konjunkturschwäche werden das Insolvenzgeschehen weiter antreiben“, warnt Bernd Bütow, der Hauptgeschäftsführer der Wirtschaftsauskunftei. Zwar könnten die geplanten Milliarden-Investitionen der Bundesregierung in Infrastruktur und Verteidigung das Wirtschaftswachstum 2026 ankurbeln und damit den Anstieg der Insolvenzen bremsen. „Trotzdem sind zusätzliche strukturelle Maßnahmen nötig, etwa eine Entlastung bei den Stromkosten, um die wirtschaftliche Basis wieder zu stabilisieren und den Anstieg zu drosseln.“

    Seinen pessimistischen Ausblick begründet Bütow mit dem Thema Bonität. Die jedenfalls sei in vielen Sektoren deutlich schlechter geworden in den vergangenen Jahren. Gemeint ist die Einschätzung der Zahlungsfähigkeit von Unternehmen, die etwa bei Kreditvergaben oder beim Abschluss von Lieferverträgen eine zentrale Rolle spielt. „Die Folgen der konjunkturellen und strukturellen Probleme zeigen sich nicht nur in den steigenden Insolvenzzahlen“, sagt Experte Bütow.

    Bonität bei vielen Unternehmen schlecht

    Besonders stark betroffen sind die Finanz- und Versicherungsbranche, das Gesundheits- und Sozialwesen, vor allem aber das Gastgewerbe, dessen Bonität bereits während der Corona-Krise stark eingebrochen ist und sich seither kaum erholt hat. Aber auch das Grundstücks- und Wohnungswesen sowie der Bereich „Erbringung von sonstigen wirtschaftlichen Dienstleistungen“ – darunter etwa Vermietung, Arbeitnehmerüberlassung und Zeitarbeit sowie Wach- und Sicherheitsdienste – zeigen einen klaren Negativtrend, meldet Dienstleister Creditreform.

    Pessimistisch zeigt sich auch die Deutsche Industrie- und Handelskammer (DIHK). „Die Krise dauert an und kostet uns tagtäglich Arbeitsplätze, Wertschöpfung und unternehmerisches Potenzial“, beklagt DIHK-Chefanalyst Volker Treier, dessen Pleite-Prognose aus dem Herbst mit 22.000 Fällen in 2025 nun sogar übertroffen wurde. Die Liquidität vieler Betriebe sei nach über zwei Jahren Dauerrezession angeschlagen. Treier mahnte daher Strukturreformen an, um die Standortfaktoren zu verbessern: „Die Politik hat es in der Hand, hierzulande die dringend benötigten Reformen etwa bei den Sozialversicherungen endlich anzupacken. Gerade bei personalintensiven Unternehmen werden ansonsten die Kosten weiter anschwellen. Das ist teils existenzbedrohend.“

    Hinzu kämen die im Vergleich zu anderen Ländern hohen Belastungen durch Steuern und Bürokratie. Aber nicht alles sei hausgemacht. Auch die erheblichen Unsicherheiten im transatlantischen Handel belasten Deutschlands Wirtschaft, zumal industrielle Schlüsselbranchen wie Maschinenbau, Automobil, Chemie und Pharma stark vom Export abhängen und die USA dabei eine große Rolle spiele.

    Der Berufsverband der Insolvenzverwalter und Sachwalter Deutschlands (VID) fordert ebenfalls Reformen, zumal viele Probleme das Ergebnis jahrzehntelanger Verzögerungen seien, sieht Insolvenzen aber auch als notwendigen Teil des ökonomischen Wandels. „Jede Insolvenz ist zweifellos ein einschneidendes Ereignis für die betroffenen Unternehmen, ihre Beschäftigten und die jeweiligen Regionen“, sagt der VID-Vorsitzende Christoph Niering. „Doch im größeren wirtschaftlichen Kontext erfüllen Insolvenzen eine zentrale Funktion: Sie setzen wichtige Ressourcen wie Fachkräfte, Kapital und Know-how frei, die innovativen und zukunftsfähigen Geschäftsmodellen zur Verfügung stehen müssen. Nur so kann eine wettbewerbsfähige, nachhaltige Wirtschaft neu entstehen.“

    Zusammen mit Top-Ökonom Marcel Fratzscher, Präsident des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung (DIW), appelliert Niering, Insolvenzen nicht als Makel zu sehen, sondern als notwendiges Instrument für Erneuerung und wirtschaftliche Dynamik.

    Dieser Artikel wurde für das Wirtschaftskompetenzzentrum von WELT und Business Insider erstellt.

    Carsten Dierig ist Wirtschaftsredakteur in Düsseldorf. Er berichtet über Handel und Konsumgüter, Maschinenbau und die Stahlindustrie sowie Mittelstandsunternehmen.



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