Vor allem junge Menschen haben kaum noch Hoffnung auf die gesetzliche Rente. Denn schon jetzt ist für viele Menschen das Rentenniveau zu gering, um den Lebensstandard zu sichern.
Es ist längst ein strukturelles Problem in Deutschland: Altersarmut. Schon heute haben 42 Prozent der insgesamt 19 Millionen Rentner hierzulande pro Monat weniger als 1.000 Euro netto Rente zur Verfügung. Damit gelten sie offiziell als armutsgefährdet. Denn das ist in Deutschland jeder, der weniger als 1.381 Euro netto im Monat zur Verfügung hat. Diese Situation dürfte sich in den kommenden Jahren noch verschärfen.
Und das, obwohl der vielzitierte Satz „Die Rente ist sicher“ vom früheren Arbeitsminister Norbert Blüm noch immer Gültigkeit besitzt. Die Frage, die sich hierzulande mit Blick auf die Rente stellt, ist nämlich nicht, ob man irgendwann Rente bekommt. Sondern, wie viel Rente das sein wird. „Die Höhe der Rente ist unsicher. Und darauf liegt gerade auch das Hauptaugenmerk“, sagt Olaf Stotz von der Frankfurt School of Finance and Management im ARD-Finanzformat 50k auf YouTube.
Demografischer Wandel und Umlageverfahren
Grundlage der deutschen Rentenpolitik ist ein Umlageverfahren. Dabei bauen die Beitragszahler mit ihren Einzahlungen keinen Kapitalbestand für die eigene Rente auf; vielmehr werden stattdessen die aktuellen Einnahmen der Rentenversicherungsträger – also Beiträge der Versicherten und Arbeitgeber sowie Zuschüsse aus dem Bundeshaushalt – für die laufenden Rentenzahlungen verwendet. Die Versicherten erhalten im Gegenzug für ihre Beiträge einen verfassungsrechtlich geschützten Anspruch auf Rente im Alter.
Das Problem ist, dass dieses System durch den demografischen Wandel ausgehebelt wird. Denn es gibt immer weniger Beitragszahler für immer mehr Rentner. Anfang der 1990er-Jahre haben, statistisch gesehen, noch 2,7 Menschen eine Rentnerin oder einen Rentner finanziert. 2023 waren es schon nur noch 2,1. Und laut dem Institut der deutschen Wirtschaft in Köln werden es 2030 nur noch 1,5 und 2050 gerade mal 1,3 Beitragszahler pro Rentner sein.
In der Folge wird der sogenannte Generationenvertrag untergraben. So wird der unausgesprochene „Vertrag“ zwischen der beitragszahlenden und der Renten erhaltenden Generation bezeichnet.
Sinkendes Rentenniveau prognostiziert
Wie hoch die Rentenzahlungen sein werden, bestimmt das sogenannte Rentenniveau. Das zeigt, wie viel Prozent des durchschnittlichen Gehalts ein Arbeitnehmer bekommt, der 45 Jahre lang in die Rentenversicherung eingezahlt hat – mit Beiträgen auf ein Durchschnittsgehalt. Und genau hier zeigt sich auch, warum das aktuelle Rentensystem auf lange Sicht vor allem in der jungen Generation zu Altersarmut führen kann. Als lebensstandardsichernd gilt in Deutschland ein Nettorentenniveau von 53 Prozent. 1990 lag das Rentenniveau auch noch bei 55 Prozent. Doch heute sind es nur noch 48 Prozent. Die Rente allein reicht also nicht aus.
Und das ist übrigens auch schon länger klar: Seit 2001 ist in der Rentenpolitik das Ziel einer Lebensstandardsicherung alleine durch die gesetzliche Rente von der Politik aufgegeben worden. Um eine Stabilität der Beitragssätze zu erreichen, wird das Rentenniveau abgesenkt – so fasst es die Bundeszentrale für politische Bildung zusammen. Das heißt konkret: Die Beiträge, die Beschäftigte heute zahlen, bleiben gleich, aber im Alter bekommen sie selbst weniger Rente ausgezahlt.
Die deutsche Rentenversicherung hat übrigens dieses Jahr selbst prognostiziert, dass das Rentenniveau bereits 2030 bei 47 Prozent und 2040 bei nur noch 45 Prozent liegen dürfte. Andere Prognosen sehen noch deutlich düsterer aus und gehen von einer früheren Absenkung auf 45 Prozent aus, etwa schon bis 2035. Und das auch bei gleichbleibenden Sätzen, die die Beitragszahler einzahlen.
Rentenreform lässt auf sich warten
Führende Wirtschaftsexperten fordern deshalb eine Reform des deutsche Rentensystems. Doch die ist erneut vertagt; stattdessen wird laut dem neuen Rentenpaket das Niveau bis 2031 bei 48 Prozent fixiert bleiben. „Die Bundesregierung hat den Ernst der Lage offensichtlich immer noch nicht begriffen“, sagte die Wirtschaftsweise Veronika Grimm angesichts der Pläne bereits im August. Die geplanten Reformen würden die Nachhaltigkeit der Rentenversicherung nicht verbessern, sondern im Gegenteil verschlechtern und die Ausgaben drastisch erhöhen. „Dies belastet den Bundeshaushalt und erhöht die Lohnnebenkosten“, so Grimm.
Denn der Anteil, der mit Steuergeldern bezuschusst wird, muss angesichts dieser Pläne weiter steigen. „Jeder vierte Euro aus dem Bundeshaushalt fließt in die gesetzliche Rente“, betont Experte Olaf Stotz. Im Jahr 2024 hat der Staat die Rente bereits mit 117,9 Milliarden Euro aus Steuergeldern bezuschusst. Das sind über 30 Milliarden Euro mehr als vor zehn Jahren. Tendenz steigend.
Vorbilder aus dem Ausland
Dass eine wirkliche Reform des deutschen Rentensystems auch im aktuellen Rentenpaket wieder nicht vorgesehen ist, lässt Deutschland auch im internationalen Vergleich nicht gerade gut dastehen. Denn viele europäische Nachbarn haben in den vergangenen 30 Jahren ihre Rentensystem neu geordnet und profitieren heute davon.
Berühmtestes Beispiel dafür ist sicherlich Schweden. Neben dem Umlagesystem, das es auch in Schweden gibt und das auch dort unter dem demographischen Wandel leidet, gibt es in Schweden zudem einen kapitalmarktgedeckten Teil der Rente. Die Versicherten können zwischen vielen offiziell zugelassenen Fonds mit verschiedenen Risikoprofilen wählen. Dabei ist es möglich, bis zu fünf verschiedene Fonds zu kombinieren. Oder sie entscheiden sich einfach für eine Standardlösung.
Doch auch unsere direkten Nachbarn machen es in Sachen Rente besser: Laut dem CFA Institute Global Pension Index 2023 und 2024 verfügen die Niederlande über das weltweit beste Rentensystem. Dort gibt es ab 67 Jahren eine garantierte Grundrente von 1.250 Euro, unabhängig vom bisherigen Verdienst. Darauf hat jeder Anspruch, der mindestens 50 Jahre im Land gewohnt hat. Die Grundrente wird voll aus Steuern bezahlt. Sie beträgt rund 70 Prozent des Mindestlohns und muss mit geringen Abgaben versteuert werden. Damit schaffen es die Niederlande, die Quote der Altersarmut auf rund fünf Prozent zu begrenzen. Sie liegt um zwei Drittel niedriger als in Deutschland.
Private Vorsorge einfach gestalten
In Deutschland dagegen müssen die heutigen Beitragszahler selbst vorsorgen. Es gilt: Um den gewohnten Lebensstandard im Alter zu halten, braucht man rund 70 bis 80 Prozent des letzten Nettoeinkommens. Und auch die Inflation sorgt dafür, dass das Geld, welches als Rente ausgezahlt wird, weniger wert ist. Deshalb müssen heutige Generationen selbst vorsorgen. Eine aktuelle Umfrage von ING Deutschland und Visa zeigt: Viele 18- bis 30-Jährige haben ohnehin kaum noch Hoffnung auf die gesetzliche Rente. Deshalb spart mehr als jeder Zweite aktiv privat für die Altersvorsorge.
Wenn es um die Altersvorsorge geht, lautet die Empfehlung: In jedem Alter sollten Beschäftigte etwa 15 Prozent ihres Nettoeinkommens langfristig zurückzulegen. Das sollte Experten zufolge – zusammen mit der gesetzlichen Rente – reichen, damit man seinen aktuellen Lebensstandard halten kann. Aktuell gibt es für die private Altersvorsorge unterschiedliche Produkte, die staatlich unterstützt werden. Dazu gehören Riester- und Rürup-Rente.
Allerdings stehen diese Programme auch immer wieder in der Kritik, gelten etwa als zu unflexibel. Experten wie Olaf Stotz haben deshalb noch weitergehende Vorschläge: „Ich glaube, die Einführung eines Vorsorgekontos, in das jeder Bürger für alle Vorsorge-Produkte einzahlen kann – und zwar egal, ob über den Betrieb oder privat -, das wäre ein sinnvoller Schritt“, so Stotz. „Die Aspekte Einfachheit, Rentabilität und Sicherheit sollten für den Anleger mischbar sein.“


