Boris Nannt war Brigadegeneral bei der Bundeswehr, heute ist er Vorstand der Akademie Deutscher Genossenschaften und coacht er CEOs und Manager. Für Business Insider erklärt er, warum ein Burnout nicht einfach nur von „zu viel Arbeit“ kommt – und worauf besonders Führungskräfte achten sollten.
Wir alle leben in drei Welten. Immer. Egal ob CEO, Azubi oder Führungskraft in der Mitte des Unternehmens.
Die erste Welt: Ihr selbst – euer innerer Zustand, eure Gesundheit, eure Werte.
Die zweite Welt: Euer persönliches Umfeld – Familie und Freunde.
Die dritte Welt: Euer berufliches Umfeld – eure Aufgaben, euer Team, eure Verantwortung.
Diese drei Welten sind wie Jonglierbälle. Wenn alle gut fliegen, läuft’s rund. Wenn einer herunterfällt, könnt ihr das noch ausgleichen. Aber wenn zwei oder sogar drei gleichzeitig zu Boden gehen, wird es kritisch. Dann reden wir über Burnout, über Totalausfälle – über tragische Geschichten.
Ich habe vor zwei Jahren vom Suizid eines jungen Menschen in einem Unternehmen gehört. Im Nachhinein stellte sich heraus: Alle drei Welten waren beschädigt. Und niemand hatte es rechtzeitig gesehen. Genau deshalb ist es so wichtig, als Führungskraft nicht nur auf KPIs zu schauen, sondern auch auf die Lebenslagen eurer Leute.
Chefs müssen mehr sehen als nur die Leistung
Wenn nur eine Welt in Unordnung ist, seid ihr nicht automatisch im Burnout. Dies geschieht erst, wenn sich mindestens zwei Welten über längere Zeit für euch nicht stimmig anfühlen. Wenn jemand sagt: „Ich habe einen Burnout, weil ich so viel arbeite“, glaube ich das nicht. Arbeit allein macht es nicht. Es ist das Zusammenspiel – wenn die Energie fehlt, die privat oder innerlich wieder auflädt. Wenn alle drei Welten unter Druck geraten, wird es existenziell.
Deshalb: Ihr müsst zuerst eure eigenen drei Welten kennen. Wie steht’s um euch? Läuft es zu Hause? Habt ihr eure Energiequellen im Griff? Seid ihr innerlich klar oder innerlich leer?
Und dann gilt dasselbe für euer Team. Führung heißt hinsehen, zuhören, wahrnehmen. Nicht alles steht im Kalender oder im Protokoll. Wenn jemand stiller wird, der sonst eher laut war. Wenn jemand, der sonst immer pünktlich ist, plötzlich nicht mehr rechtzeitig auftaucht. Wenn sich Körpersprache oder Energie verändern – dann fragt nach.
Kein großes Gespräch. Manchmal reicht ein ehrliches „Wie geht’s dir wirklich?“. Ihr müsst kein Therapeut sein. Aber ihr solltet präsent sein. Denn wenn ihr nur das berufliche Umfeld im Blick habt, aber nicht seht, wie es privat aussieht, verliert ihr Menschen, ohne es zu merken. Führung beginnt beim Menschen. Und der lebt immer in drei Welten.
Nicht alles wissen – aber richtig reagieren
Natürlich werdet ihr nie das ganze Bild haben. Und das müsst ihr auch nicht. Es geht nicht darum, in die Privatsphäre eurer Mitarbeitenden einzudringen. Aber ihr solltet merken, wenn sich etwas verändert. Seid offen, aufmerksam, zugewandt.
Wenn ihr selbst merkt, dass in eurem Leben mehrere Welten in Schieflage geraten sind, versucht nicht, alle gleichzeitig zu reparieren. Räumt nicht alle drei auf einmal auf. Das überfordert. Nehmt euch eine nach der anderen vor. Schritt für Schritt. Welt für Welt. Und das gilt auch für euer Team. Führung ist nicht, für alles sofort eine Lösung zu haben. Sondern zuerst zu erkennen: Wo braucht es gerade Aufmerksamkeit? Wo braucht es einfach ein Gespräch – und wo eine Entscheidung?
Denn wer dauerhaft jonglieren will, muss wissen, welcher Ball gerade der wichtigste ist.
Boris Nannt ist Vorstandsvorsitzender der Akademie Deutscher Genossenschaften in Montabaur. Hier coacht er Manager und CEOs. Zuvor war der 55-jährige Brigadegeneral a.D. 34 Jahre bei der Bundeswehr tätig, zuletzt als Kommandeur der Logistikschule und davor als Direktor an der Führungsakademie. Der studierte Betriebswirt war zudem bei Ursula von der Leyen militärischer Sprecher des Verteidigungsministeriums und in mehreren Auslandseinsätzen im Kosovo und Afghanistan eingesetzt.
