Görtz, Gerry Weber, Wormland, Esprit und Tausende mehr: Im deutschen Einzelhandel hat es binnen eines Jahres knapp 2.500 Insolvenzen gegeben – so viele wie seit 2016 nicht mehr.
Das Ladensterben in Deutschland hat sich einer Studie zufolge beschleunigt. Von August 2024 bis August 2025 gab es im Einzelhandel 2.490 Insolvenzen – das geht aus einer Untersuchung von Allianz Trade hervor.
Das sei der höchste Stand seit Oktober 2016, teilte der Kreditversicherer mit. Der Negativrekord von 2.520 Pleiten zwischen Oktober 2015 und Oktober 2016 sei nur knapp verfehlt worden.
Experte rechnet mit weiter steigenden Insolvenzzahlen
Davon waren unter anderem der Schuhhändler Görtz, der Modehersteller Gerry Weber und der Herrenausstatter Wormland betroffen. Auch die Modekette Esprit schloss in diesem Jahr insolvenzbedingt alle Geschäfte. Der Dekohändler Depot und der Discounter Kodi haben ihre Filialnetze deutlich verkleinert.
Guillaume Dejean, Branchenexperte von Allianz Trade, erwartet eine anhaltende Konsolidierung im Einzelhandel und weiter steigende Insolvenzzahlen – allerdings in abgeschwächtem Tempo.
Hoffnungsschimmer für den Einzelhandel
Schon in den vergangenen Monaten zeichnete sich diese Entwicklung ab. Im August 2025 stieg die Zahl der Insolvenzen im Jahresvergleich um 13 Prozent. Ein Jahr zuvor waren es noch 20 Prozent gewesen. Hintergrund seien die leicht verbesserten wirtschaftlichen Aussichten, so der Allianz-Experte.
Hoffnung macht aber auch der Blick ins europäische Ausland. So ging etwa in Frankreich die Zahl der Insolvenzen im Einzelhandel zuletzt um zwei Prozent zurück, in Großbritannien waren es zehn Prozent, und die Niederlande verbuchten sogar ein Minus von 23 Prozent. Auch Norwegen und Dänemark verzeichneten einen teilweise deutlichen Rückgang bei den Insolvenzen im Einzelhandel.
Digitale Transformation als Herausforderung
„Der Einzelhandel kämpft noch immer mit den tiefgreifenden Veränderungen seines Geschäftsmodells, die während der Pandemie begonnen haben“, sagte der Branchenexperte bei Allianz Trade, Guillaume Dejean.
„Um dem verstärkten Wettbewerb durch große Online-Marktplätze standzuhalten, müssen Einzelhändler massiv in digitale Kanäle, datengestütztes Merchandising und innovative Technologien für den Ladenbau investieren.“
Viele Ketten führten autonome Systeme in Lagern, KI-gestützte Produktempfehlungsmaschinen und robotergesteuerte Regalscanner ein. Andere testeten selbstnavigierende Serviceroboter im Verkaufsraum, um Kundinnen und Kunden bei der Suche nach Artikeln zu unterstützen.
„Kampf David gegen Goliath“
Der Kreditversicherer sieht daher vor allem kleine Geschäfte unter Druck. „Das ist ein Kampf, der teilweise an David gegen Goliath erinnert“, sagte Experte Dejean. „Diese Innovationen verbessern das Einkaufserlebnis und die Rentabilität, erfordern jedoch hohe Vorabinvestitionen, die kleinere Akteure teilweise kaum stemmen können.“
Einige Einzelhändler, vor allem im Textilbereich, würden bereits am seidenen Faden hängen. „Insofern dürfte sich der Trend von steigenden Insolvenzen hierzulande weiterhin fortsetzen, und eine weitere Konsolidierung der Branche ist wahrscheinlich“, betonte Dejean.
Konkurrenz aus China bleibt hoch
Der Experte sieht aber auch positive Signale wie die steigenden Reallöhne, verbesserte Kreditaussichten und den stärkeren Euro. Die geplante Verschärfung der Steuerregelungen für geringwertige Sendungen aus dem Ausland dürfte zudem den scharfen Wettbewerb durch chinesische Marktplätze mindern und den derzeitigen Abwärtsdruck auf die Margen der inländischen Einzelhändler verringern.
„Die geplante Steuerregelung hilft den hiesigen Einzelhändlern, ist aber auch kein Allheilmittel“, sagt Dejean. Das Interesse chinesischer Einzelhändler am großen europäischen Verbrauchermarkt könne weitere Investitionen in Deutschland über Fusionen und Übernahmen oder Joint Ventures nach sich ziehen.
